Klimawandel: Ist der CO2 Fußabdruck nur ein Mythos?

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Redakteur Jörg Witzsch aus dem SWR1 Team behält den Überblick in der SWR1 Online-Redaktion. (Foto: SWR, Foto: Nils Wagner/SWR)

Klimabewussteres Konsumverhalten, übertriebene Öko-Moral oder asketischer Verzicht jeder einzelnen Person reichen nicht aus, um die Klimakrise zu bewältigen, sagt Gabriel Baunach.

Es bringt nichts, diese riesige, globale Klimakrise allein zu Hause am Lichtschalter, am Mülleimer oder am Supermarkt-Regal lösen zu wollen.

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Wie stoppen wir den Klimawandel? 

Gabriel Baunach bezeichnet sich selbst als "Klimakommunikator". Er will vermitteln im doppelten Sinne des Wortes: sein Wissen und Perspektiven für unser Handeln beim Klimaschutz - und zwischen den einzelnen Interessengruppen.

Als verlässliche und überprüfbare Basis nutzt er aktuelle Forschungsergebnisse der Wissenschaft. Aber damit immer weiter "zu alarmieren" und Angst zu erzeugen, sei der falsche Weg. Vielmehr müsse man den Menschen Lösungen aufzeigen, die sie ganz pragmatisch in ihrem Alltag umsetzen können – "und zwar nicht auf dieser Schuld-, Scham- und Verzichts-Ebene".

Deshalb sei der individuelle CO2-Fußabdruck auch so problematisch, denn der sei nur darauf ausgelegt, Verzicht aufzuzeigen.

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Ist der CO2-Fußabdruck nur eine Marketing Kampagne? 

Der CO2 Fußabdruck kommt ursprünglich aus der Wissenschaft und beschreibt den CO2 Ausstoß, den wir mit unserer Lebensweise pro Jahr verursachen. Beworben worden, kritisiert Baunach, sei er aber ab 2004 von der britischen Erdöl-Firma BP – diese habe eine mehrere 100 Millionen US-Dollar teure Marketingkampagne gestartet und sich sogar umbenannt von "British Petroleum" in "Beyond Petroleum", also "über Erdöl hinaus".

20 Jahre später wissen wir: Das war nur grüne heiße Luft, die Erfindung des Klima-Greenwashings.

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Dieser CO2-Fußabdruck führte, so Baunach, zu einer völlig umgekehrten Klimaschutz-Debatte, die sehr stark auf Einzelpersonen und deren Handeln fokussiert sei.

Wir zeigen mit dem Finger auf die Nachbarin, die noch fliegt, und den Onkel, der zuviel Fleisch isst – wir sind total in diesen individualisierten Schuld-, Scham- und Scheinheiligkeitsdebatten gefangen.

Klimakrise: Was ist der ökologische Handabdruck? 

Statt diesem Fußabdruck schlägt Gabriel Baunach einen deutlich weiter gefassten Begriff vor: den "Handabdruck".

Der Klima-Handabdruck ist die Summe aller CO2 Fußabdrücke meiner Mitmenschen. Ich erweitere also meine Perspektive über meinen eigenen Konsum-Tellerrand hinaus.

Damit das aber möglich wird, müsse erst einmal klimafreundliches Verhalten ermöglicht werden. Baunach macht das am Bahnfahren deutlich: Wäre eine Bahnstrecke München-Hamburg sehr attraktiv (sprich: bequem, günstig, pünktlich) müsse niemand mehr unbedingt ins Flugzeug steigen.

Es muss sozial attraktiv sein, es muss cool sein, sich klimafreundlich zu verhalten. Heute wird man ja manchmal noch belächelt, wenn man beim Grillen seine Veggie-Wurst neben die Nürnberger legt.

Jeder von uns könne in einer kleinen Gruppe anfangen: Mit der Biotonne im Mehrfamilienhaus, sich mit der Nachbarschaft für einen neuen Radweg einsetzen, den eigenen Sportverein dazu bringen, eine Photovoltaik-Anlage einzusetzen oder sich bei Bürgerräten beteiligen.

Man kann auch die eigenen Geldanlage dazu nutzen, den Handabdruck zu vergrößern. Banken und Versicherer, die unser Geld anlegen, bewirken damit ja auch etwas. Das kann dazu führen, dass über Umwege eine neue Ölpipeline finanziert wird – oder ein neues Solarkraftwerk. Wenn man ausschließen will, dass fossile Projekte weiterhin finanziert werden, sollte man zu einer sozial-ökologischen Bank wechseln.

Klima: Wie sieht unsere Zukunft aus?

Der Blick in die Zukunft ist für Gabriel Baunach ambivalent. Bedenklich stimmen ihn die Studien der Wissenschaft: Dieses Jahrhundert könnte der Golfstrom kippen, bis 2050 könnte die Hälfte des Regenwalds im Amazonas zu einer Savanne werden, das Grönländische Eisschild schmilzt ab und könnte zu einer Erhöhung des Meeresspiegels von bis zu acht Metern führen. "Das lässt mich nicht so optimistisch in die Zukunft sehen", sagt Baunach.

Was ihn aber optimistisch stimmt: die erneuerbaren Energien, die immer günstiger werden, und dass China und Indien statt geplanter Kohlekraftwerke sogar Solar- und Windkraftwerke bauen. Dazu die vielen, großen Demonstrationen für Klimaschutz und Demokratie und die "teils bahnbrechenden Urteile in Klima-Klagen". 
 

Hoffnung entsteht durch handeln, und nicht anders herum.

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