Digitalisierung an Schulen: Wie umgehen mit Smartphone, Tablet, ChatGPT & Co.?

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Moderator Nabil Atassi aus dem SWR1 Team. Zu hören in der Talk-Sendung SWR1 Leute - immer 2 Stunden für einen Gast mit interessanten Themen. (Foto: SWR)

Deutschlands Schüler:innen schneiden seit Jahren schlecht ab in den PISA-Studien. Gymnasiallehrer Nils Björn Schulz spricht über den Einfluss der Digitalisierung und wie Schulen damit umgehen.

Wenn Sie eine Klassenarbeit korrigieren – auch in der Oberstufe – ist es normal, dass Sie zehn bis zwanzig Rechtschreibfehler korrigieren müssen.

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ChatGPT: belastet KI die Lehrer-Schüler-Beziehung?

Die Beziehung und das Vertrauensverhältnis zwischen Lehrkräften und Schüler:innen sei zentral und viel wichtiger als die Frage, ob der Unterricht vor Bildschirmen stattfindet oder nicht – davon ist Gymnasiallehrer Nils Björn Schulz überzeugt.

ChatGPT ist auch bei Schüler:innen in Baden-Württemberg beliebt. Seit die KI in der Welt ist, befinde man sich in einer merkwürdigen Phase: Lehrer:innen lesen immer wieder von KI geschriebene Texte, die Schüler:innen oftmals als eigene Arbeiten ausgegeben. Dadurch entstehe leicht ein Misstrauensverhältnis.

Was mich erschrocken hat war, dass kürzlich ein Schüler sagte, er sitzt zu Hause an seinem Text und schreibt ihn und hat Angst, der Lehrer glaubt ihm morgen nicht, dass er es selbst gemacht hat. Da dachte ich 'oh, diese Angst ist jetzt in ihn reingekrochen, das ist nicht gut'.

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Smartphone Verbot an Schulen?

Smartphones sind nicht nur für junge Menschen längst fester Bestandteil des Alltags. Manche Schulen, wie z.B. das Theodor-Heuss-Gymnasium in Heilbronn, verbieten die Geräte. Auch Schulz sieht in der Regel keine Notwendigkeit von Smartphones im Unterricht.

Schon Grundschüler ans Smartphone heranführen? Dafür sieht der Gymnasiallehrer keinen Grund. Im Gegenteil: er plädiert dafür, dass Kinder bis etwa zwölf Jahre mehr in der realen Welt unterwegs sind.

Es gibt immer mehr Pädagogen, die sagen, wir müssen antizyklisch arbeiten. Wir müssen die leiblichen Fähigkeiten stärken, weil die in der Freizeit verkümmern, also: Sport, Musik und Kunstunterricht. Eigentlich müsste man diese drei Fächer stärken bis zum Alter von mindestens zwölf Jahren.

Was machen Schulen in Skandinavien anders?

Lange ging die Debatte im deutschen Bildungssystem nur in eine Richtung: Die Schulen müssen mit einer digitalen Infrastruktur versorgt werden und der Unterricht muss digitaler werden. In den vergangenen Jahren habe sich das wieder etwas verändert, sagt Nils Björn Schulz. In skandinavischen Ländern, die lange als Vorreiter galten, habe ein Umdenken stattgefunden.

Die Dänen drucken wieder Schulbücher. Sie nehmen die Digitalisierung vor allem aus der Grundschule raus. In den Niederlanden und England wird diskutiert, ob man Smartphones in Schulen verbietet.

Medienkompetenz und Medienmündigkeit im Unterricht

Nils Björn Schulz ist Lehrer für Latein, Deutsch, Philosophie und Medientheorie an einem Berliner Gymnasium. Seine Beobachtung: Lehrkräfte überlegen sich inzwischen bewusster, mit welchen Medien sie ihren Unterricht gestalten. Tablets müssen nicht immer die erste Wahl sein.

Wir sprechen immer von Digital Natives und stellen dann fest, wenn Schüler:innen im 9. Schuljahr ihr Bewerbungsschreiben fürs Schulpraktikum aufsetzen müssen, dass sie mit den Textverarbeitungsprogrammen gar nicht umgehen können.

In seinem Fach "Medientheorie" möchte Schulz Schüler:innen vor allem Medienmündigkeit vermitteln. Dabei analysiert er mit ihnen beispielsweise Youtube-Videos. Er hält die Filme an, erklärt die Produktionstechniken und welche Absichten Autor:innen verfolgen. So gewinnen die Schüler:innen Distanz und verstehen, wie Filme gemacht werden.

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