Politikwissenschaftler und Publizist Yascha Mounk

Auf der Suche nach Gemeinsamkeit und Zusammenhalt in der Gesellschaft

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Nabil Atassi
Moderator Nabil Atassi aus dem SWR1 Team. Zu hören in der Talk-Sendung SWR1 Leute - immer 2 Stunden für einen Gast mit interessanten Themen. (Foto: SWR)

Yascha Mounk ist einer der renommiertesten Forscher über die Krise der liberalen Demokratie und geht dem Ursprung der neuen Ideen über Identität und soziale Gerechtigkeit nach.

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Der deutsch-amerikanische Politikwissenschaftler Yascha Mounk wurde als Sohn polnischer Eltern in München geboren – wuchs unter anderem in Freiburg, Maulbronn, Laupheim und Karlsruhe auf. An seine Zeit in Laupheim erinnert er sich heute noch, ist begeistert vom Museum zur Geschichte von Christen und Juden dort. Und er sieht Fortschritte in der Vergangenheitsbewältigung seiner ehemaligen Heimatstadt.

Es gibt in Laupheim einen größeren jüdischen Friedhof. Als ich Kind war, wurde darüber aber nicht geredet. Wenn man in Laupheim Leute fragt, wussten die gar nicht, wo das ist. Mittlerweile hat sich die Stadt aber mehr damit auseinandergesetzt.

Yascha Mounk studierte in den USA, wo er heute lebt und an der US-amerikanischen Johns-Hopkins-Universität in Baltimore lehrt.

Die USA sind gespalten

Als scharfer Beobachter amerikanischer Politik und jemand "der vor Ort ist", sieht er die USA auf eine Weggabelung zufahren. Die Gesellschaft habe sich stark verändert und er gehe davon aus, dass Donald Trump bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen erneut das Amt gewinnen wird.

In den USA ist die demokratische Partei mittlerweile die Partei der hochgebildeten, der Besserverdiener. Die Republikaner sind die Arbeiterpartei, nicht nur der weißen Arbeiterklasse, sondern auch der zugewanderten Klasse.

Yascha Mounk ist viel beachteter Autor, ein scharfer Beobachter und Kommentator gesellschaftlicher Tendenzen. Er schreibt unter anderem für die "New York Times", das "Wall Street Journal" und gehört inzwischen zum Herausgeberrat der Wochenzeitung "Die Zeit". Er hat mehrere Bücher zur Krise der Demokratie verfasst.

Aktuell lässt Yascha Mounk seine Herausgeberschaft bei der "Zeit" ruhen. Anfang Februar 2024 wurde er von der US-Journalistin Celeste Marcus der Vergewaltigung bezichtigt. Mounk weist den Vorwurf zurück: "Ich bin mir der schrecklichen Anschuldigung gegen mich bewusst. Sie ist kategorisch unwahr", teilte er mit. Darüber hinaus ist zu dem Fall aktuell nichts bekannt.

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In seinem neuesten Buch beschäftigt sich Yascha Mounk mit Identitätspolitik, mit dem, was unsere liberalen Demokratien zusammenhält oder spaltet – er liefert eine differenzierte Begründung dafür, warum sich aus seiner Sicht die Durchsetzung identitärer Ideen als kontraproduktiv erweist. Mounk findet Identität wichtig für die eigene Entwicklung, Problem sei, dass sich mittlerweile viele Menschen nur über Identität definieren und andere Identitäten ausschließen würden.

Wir sollten Identitäten anerkennen, respektieren, ohne sie immer in das Zentrum zu setzen, weder politisch noch im alltäglichen Umgang miteinander.

Gendern und das Gender Verbot in Bayern

Das Thema Gendern in der Sprache geht einher mit Identität und der Diskussion und gesellschaftlichen Veränderungen, so Mounk. Menschen hätten Angst vor Veränderung, Sprechweisen zu ändern sei mehr als ein Sternchen. Gewohnheiten und Gepflogenheiten seien eintrainiert und sie abzulegen schwieriger, als viele denken würden.

Die Gesellschaft verändert sich durch anderen Umgang miteinander, durch andere Gesetze, durch andere Begebenheiten, nicht dadurch, dass wir Studierende anstatt Studenten sagen.

Wokeness als Spiegel der Spaltung der Gesellschaft

Der Begriff "Wokeness" beschreibt ein Bewusstsein für mangelnde soziale Gerechtigkeit, Sexismus und Rassismus zu haben. Mounk sieht Wokeness als wichtig an – sie dürfe aber nicht alle gesellschaftlichen Diskussionen bestimmen.

Es geht um eine neue Ideologie. Es geht um etwas historisch Neues. Was ich richtig finde: dass wir in einer Gesellschaft sensibilisiert sind für echte Diskriminierung, Rassismus und Sexismus. Diese Ideologie geht aber weit darüber hinaus. Sie sagt, dass die Identität so weit im Mittelpunkt steht, dass wir einander nicht als Individuen begegnen sollen, sondern als Repräsentanten verschiedener Identitätsgruppen.

Das Gespräch miteinander, Gemeinsamkeiten finden anstatt Unterschiede zu betonen sei wichtiger, als den anderen umerziehen zu wollen, so Mounk.

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Die richtige Richtung ist ein Land, in dem wir sagen: wir sind mittlerweile multiethnisch, multireligiös. Das bringt auch durchaus Probleme mit sich, kann aber auch durchaus eine echte Bereicherung für das Land sein. Jetzt versuchen wir mal damit umzugehen, indem wir miteinander ins Gespräch kommen. Indem wir versuchen, zueinander Solidarität zu entwickeln.

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