Osteuropa-Expertin Sabine Adler

Russland: Kriegsführer mit Alleinherrscher Putin

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Jens Wolters
Moderator Jens Wolters aus dem SWR1 Team moderiert regelmäßig die Sendung SWR1 Leute mit spannenden und interessanten Gästen (Foto: SWR)

Zwei Jahre seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine – ein Ende ist nicht in Sicht. Osteuropa-Expertin Sabine Adler erklärt, was aus Russland werden wird.

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Was passiert in Russland nach Putin?

Am 24. Februar 2022 begann Russland seinen großflächigen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Präsident Wladimir Putin ist aktuell im Zenit seiner Macht, meint Sabine Adler. Doch wie könnte es nach Putin weitergehen?

Wenn der Präsident abtritt, ist in der russischen Verfassung geregelt, dass zunächst der Ministerpräsident, derzeit Michail Mischustin, neuer amtierender Präsident werden würde. Er müsste Wahlen ausrufen. Es ist allerdings nicht anzunehmen, dass sich dadurch am grundsätzlichen Kurs des Landes etwas ändern würde.

Wir sehen an den kommenden Wahlen, wie Wahlen in Russland seit Jahrzehnten abgehalten werden: von frei, demokratisch und fair ist keine Rede, von Oppositionskandidaten ist auch keine Rede. Man kann sich also vorstellen, dass ein Kandidat bestimmt wird, mutmaßlich aus dem existierenden Machtzirkel, der dann einfach an die Spitze gesetzt wird.

Bestgehütetes Geheimnis: Wie reich ist Putin?

Die Oligarchen in Russland sind immer noch sehr reich, haben aber stark an Einfluss verloren, meint Sabine Adler. Sie müssen sich in den Dienst von Putins Krieg stellen. Untereinander gibt es bereits jetzt enorme Macht- und Verteilungskämpfe. Das zeige sich zum Beispiel daran, wie viele reiche, einflussreiche Menschen in den vergangenen Jahren von Balkonen gefallen sind, "Selbstmord" begangen haben oder erschossen aufgefunden wurden.

Wir wissen, dass sich das allergrößte Kapital in sehr wenigen Händen im engsten Vertrautenkreis von Putin vereint. Wir wissen nicht – das ist das bestgehütete Geheimnis überhaupt in Russland – wie groß Putins persönlicher Reichtum ist. Aber wir können uns vorstellen, dass wenn es zu einem Machtwechsel kommen sollte, Verteilungskämpfe losgehen könnten.

So schlimm waren die Haftbedingungen von Alexei Nawalny

Der Tod von Alexei Nawalny, der ein andere Russland verkörpert hat, sei am Tag selbst eine Überraschung gewesen, meint Sabine Adler. Dass er im Gefängnis stirbt, damit habe sie gerechnet. Die Osteuropa-Expertin hat verschiedene Gefängnisse in Russland besucht und kennt die schlimmen Haftbedingungen.

Ich habe gesehen, was es heißt, wenn man im 'Isolator' landet. Das sind wirklich Verließe, ganz kleine Kellerräume, ohne Fenster, die feucht sind, voller Ungeziefer, unbeheizt, ohne Licht und in denen die Gefangenen meistens stehen müssen. Es sind unmenschliche Bedingungen, das ist Folter.

Alexei Nawalny habe insgesamt rund 300 Tage in einem solchen Isolator zugebracht. Es sei offensichtlich gewesen, dass man versucht habe ihn kleinzukriegen. Der allergrößte Teil der russischen Opposition befindet sich längst im Ausland.

Russisches Regime lässt keine Kritik zu

Bereits eine Geste wie das Ablegen von Blumen nach dem Tod von Alexei Nawalny kann in Russland zu einer Verhaftung führen. Dass keinerlei Kritik zugelassen ist, zeigt sich auch daran, dass jegliche Art von bürgerschaftlichem Engagement verboten wird, wenn es als eine Gefährdung der Macht aufgefasst werden kann, sagt Adler.

Hilfsorganisation für Opfer häuslicher Gewalt verboten

Bis vor ein paar Monaten habe es zum Beispiel noch eine Hilfsorganisation für Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt werden, gegeben. Inzwischen ist sie verboten.

Sabine Adler beschreibt eine Situation, in der Nachbarn hörten, dass eine Frau von ihrem Partner brutal geschlagen wurde. Sie setzen mehrere Hilferufe bei der Polizei ab, die nicht reagierte. Als die Nachbarn zur Selbsthilfe griffen und die Wohnung aufbrachen, war die Frau bereits tot. Bestraft wurden die Menschen, die der Frau helfen wollten.

Russland ist das einzige Land, das kein Gesetz gegen die Verfolgung von häuslicher Gewalt vorgesehen hat.

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