Berichterstattung über Katar: Vorurteile, Klischees, Überheblichkeit?
Wer vor Jahrzehnten behauptet hätte, dass Katar einmal eine Fußball-WM ausrichten wird, der wäre nicht ernst genommen worden. 1994 waren die USA oder 2010 Südafrika Exoten als Gastgeberländer. Jetzt ist die Welt zu Gast in Katar. Nie war die Kritik an einem Gastgeberland größer.
Politikwissenschaftler Nicolas Fromm hält diese Kritik zwar für berechtigt, die hiesige Sicht auf das Land allerdings nicht immer für richtig. So bemängelt er etwa die "ignorant-überhebliche Berichterstattung".
Das Verbot und die Verfolgung Homosexueller sei ein Exportgut der Kolonialmächte, das habe es zuvor in der Form in Katar nicht gegeben. Aus Sicht von Fromm ist Katar keine Diktatur und kein Polizeistaat. Die Herrscherfamilie halte sich vielmehr an der Macht, indem sie andere an der Macht beteiligt und Geschenke verteilt.
Katars Herrscherfamilie: Scheich Tamim bin Hamad Al Thani
Katar ist ein Emirat, eine absolute Erbmonarchie. Die Herrscherfamilie Al Thani sieht Fromm als Ergebnis der Kolonialzeit: Damals wollten die Briten einen Ansprechpartner für das Land und wählten die stärkste Familie aus. Die hält sich seitdem an der Macht, indem sie sich mit um die Macht konkurrierenden Familien verheiratet oder sie an der Regierung beteiligt.
Schätzungen zufolge sind etwa 25 bis 30 Prozent der Bevölkerung mit katarischem Pass Mitglieder der Herrscherfamilie.
Wer einen katarischen Pass besitzt, darf Elektrizität und Wasser kostenfrei nutzen, außerdem bieten die Al Thanis laut Fromm eine kostenlose Gesundheitsversorgung auf hohem Niveau. Für Migrant:innen gelte das nicht: Das System fuktioniere nur für eine bestimmte Zahl an Menschen, meint Fromm. Auch gebe es inzwischen viele Universitäten.
Warum die WM in Katar stattfindet - ist das Sportwashing?
Katar war vor rund 100 Jahren nur ein ödes Fleckchen Erde. Damals war die Perlenfischerei noch die wichtigste Einnahmequelle. Jetzt sind es große Öl- und vor allem Gasvorkommen. Katar nutzt Großereignisse wie die Handball-WM 2015, die Leichtathletik-WM 2019 und vor allem die Fußball-WM, um sein Image zu verbessern. Man spricht dabei von Sportwashing.
Die Energie-Deals von Katar
Es geht es dem kleinen Land vor allem um eines: Es nutzt seinen gigantischen Energiereichtum, um sich großen Einfluss und ein großes Netzwerk zu schaffen.
Über die Strategie Katars und wie sich das Land in Zukunft aufstellt, auch darum geht es in SWR1 Leute.