Diagnose Brustkrebs: Leben mit dem Tod vor Augen

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MODERATOR/IN
Nicole Köster
Moderatorin Nicole Köster aus dem SWR1 Team moderiert täglich ausßer samstags zwischen 10 und 12 Uhr die Sendung SWR1 Leute (Foto: SWR)

Nadja Seipel hat Brustkrebs. Die Diagnose klar: Sie wird sterben. Wie lebt sie mit dem Tod vor Augen? Darüber sprechen sie und Palliativmediziner Bernd Alt-Epping in SWR1 Leute.

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2015 bekam Nadja Seipel die Diagnose Brustkrebs, nachdem sie einen Knoten in ihrer Brust ertastet hatte. Ihre Tochter war damals fünf Jahre alt und erlebte, wie ihre Mutter durch die Chemotherapie die Haare verlor. Wie bringe ich das meiner Tochter bei, fragte sie sich und entschied sich für einen spielerischen Weg:

Der Körper braucht die ganze Kraft für sich – alles, was mit Schönheit zu tun hat, lässt er fallen.

Es folgten mehrere Krankenhausaufenthalte und Reha, Nadja Seipel konnte wieder zurück in den Schuldienst als Werkrealschullehrerin.

Wie umgehen mit der Diagnose: "Der Krebs ist zurück"?

Vor der ersten Diagnose hatte Nadja Seipel noch auf einen Marathon trainiert. Nach erfolgreichem Abschluss der Chemotherapie begann sie wieder mit Sport. 2017 konnte sie einen Triathlon absolvieren.

Doch 2021 litt sie unter Atemnot, war müde und kraftlos. Wie sich herausstellte, hatte sich Flüssigkeit zwischen dem Rippen- und Brustfell angesammelt. In dieser Flüssigkeit wurden bösartige Zellen gefunden. Sie habe vielleicht noch sechs Monate zu leben, sagten ihr die Ärzte. Mittlerweile ist sie schon drei Jahre über diesem Termin, sagt selbstbewusst:

Ich lasse aus mir keine Statistik machen!

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Corona: hilflos im Umgang mit der Krebserkrankung

Erschwert wurde die Situation für Nadja Seipel durch die Corona Pandemie: Oft musste sie alleine zum Arzt, niemand stand für Nachfragen zur Verfügung, niemand, der sie im Krankenhaus in den Arm nahm. Ein Schock für sie waren Fragen wie: "Was ist Ihr letzter Wunsch?". Damit hatte Nadja Seipel nicht gerechnet und vor allem: Sie konnte im Krankenhaus wegen der Corona-Beschränkungen mit niemandem darüber sprechen.

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Palliativmedizin: mehr als nur "Sterbebegleitung"

Nadja Seipel wurde im Nationalen Tumorzentrum (NCT) in Heidelberg in eine Studie aufgenommen, begegnete dort Prof. Bernd Alt-Epping, dem Ärztlichen Direktor der Klinik für Palliativmedizin. In Heidelberg begleiten er und sein Team schwerstkranke und sterbende Menschen.

Palliativ heißt nicht sofort Lebensende – damit kann man auch viele Jahre gut leben.

"Palliativ" sei, betont Alt-Epping, eben nicht nur Sterbe-Begleitung. Dahinter stehe ein ganzes Unterstützungskonzept mit vielen Angeboten.

Schreiben: Hilfe für die Seele bei der Krebstherapie

Bereits nach ihrer ersten Krebsdiagnose fing Nadja Seipel an zu schreiben, schrieb sich alle Gefühle und Erlebnisse und ihren seelischen Ballast von der Seele und merkte: Das hilft ihr sehr. Nadja Seipels Posts auf Instagram und Facebook erreichten eine große Community. Es kamen Besserungswünsche, Tipps und Hilfe von allen Seiten.

Ihre Mutter allerdings fühlte sich dadurch eher ausgeschlossen. Sie erfahre Dinge immer erst aus dem Internet und nicht direkt von ihrer Tochter, sagte sie. Nadja Seipel reagierte:

Es ist einfacher, etwas niederzuschreiben, als es jemandem ins Gesicht zu sagen.

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Trauerbewältigung: Ein Hörbuch für die Tochter

Nadja Seipel lebt in einem Zustand der Todesangst gepaart mit Unsicherheit: Wie schlägt die nächste Therapie an? Kommen weitere Metastasen dazu? All diese Fragen beschäftigen sie und sie weiß: Der Krebs wird sie umbringen. Psychologische Unterstützung bekommt sie weiterhin in der Klinik für Palliativmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg. Dort stellte man ihr auch das Projekt "Familienhörbuch" vor:

Wenn wir es zu tun haben mit Menschen und Familien, wo eine Situation im Raum steht, die das Leben beenden wird, dann geht es nicht nur um Themen wie gute Schmerztherapie oder Symptom-Linderung, psychosoziale Unterstützung oder pflegerische Dinge. Es geht immer auch um existenzielle Fragen, das gelebte Leben nochmal zu würdigen. Eine der Ideen ist das Familienhörbuch.

Deshalb hat Nadja Seipel mit einer Audio-Biografin des Projekts "Familienhörbuch: Audiobiografien schwerstkranker Mütter und Väter" ihre Geschichte aufgenommen. Irgendwann wird sie ihrer Tochter dieses Hörbuch überreichen. Es wird ihr, so hofft Nadja Seipel, bei der Trauerbewältigung einen großen Schritt weiterhelfen. Sie sehe ihre Tochter schon in ihrem Zimmer sitzen und ihr Lieblingskapitel aus dem Hörbuch abspielen, vor sich Bilder aus dem gemeinsamen Leben und die Stimme ihrer Mutter im Ohr:

Ich kann mir vorstellen, dass die Stimme das Erste ist, was verschwimmt. Bilder bleiben. Das Lachen, das Weinen, was ja alles in so einem Hörbuch vorkommt, wird wiedererweckt und sie ist dann wie in einem Film dabei mit den Bildern, dem Gesagten und den Geschichten, die wir erlebt haben.

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