Guido Zander: Darum ist die 4-Tage-Woche kein Allheilmittel

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Jens Wolters
Moderator Jens Wolters aus dem SWR1 Team moderiert regelmäßig die Sendung SWR1 Leute mit spannenden und interessanten Gästen (Foto: SWR)

Guido Zander ist seit fast 30 Jahren Arbeitszeitexperte. Aktuell ist er gefragter denn je: die 4-Tage-Woche ist in aller Munde. Er kennt die Vor- und Nachteile des Modells.

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Für die Befürworter ist die 4-Tage-Woche DAS Arbeitszeitmodell der Zukunft, für die Gegner eine Gefahr für die Wirtschaft. Guido Zander ist weder Freund noch Feind der 4-Tage-Woche. Ihm ist wichtig, dass wir realistisch und differenziert alle Vor- und Nachteile betrachten.

Entweder ist es der Untergang des Abendlandes und wir müssen alle eher 45 Stunden arbeiten oder für die anderen ist es 'Ich muss es nur machen, ich bin automatisch produktiver, mache mehr Umsatz, habe glückliche Mitarbeiter und alles ist toll'.

Guido Zander: Wie kann die 4-Tage-Woche funktionieren?

Die Frage ist: wie lässt sich Produktivität steigern? Wenn sich in Bürojobs Zeitfresser einsparen lassen, wie die private Social Media-Nutzung oder Online-Bestellungen, lässt sich in kürzerer Zeit die gleiche Arbeit verrichten. Auch Prozessoptimierungen und Digitalisierungslösungen können Mitarbeitende entlasten. Wenn in sehr starren Systemen gearbeitet wird und Mitarbeitende Leerzeiten haben, könnte man hier auch flexible Kompromisse finden, indem in Zeiten mit hoher Auslastung mehr gearbeitet wird und in Zeiten mit niedriger Auslastung weniger, so Zander.

Es kommt darauf an, was ich an Gegenrechnungseffekten habe: Wenn ich eine sehr hohe Krankenquote habe und berechtigt glauben kann, dass die runtergeht, wenn ich eine Arbeitszeitverkürzung mache, dann ist das natürlich ein Gegenfinanzierungselement.

Auch ein möglicher Grund für die 4-Tage-Woche wäre, wenn ein Unternehmen durch hohe Bewerberzahlen aufgrund der kürzeren Arbeitswoche Personallücken schließen kann. In diesem Fall ist es eine individuelle Entscheidung, ob sich ein Unternehmen die 4-Tage-Woche leisten kann und will.

Vor- und Nachteile der 4-Tage-Woche

Guido Zander ist der Meinung, dass die 4-Tage-Woche in bestimmten Berufsfeldern funktionieren kann. Sobald sich die Arbeit flexibel planen lässt, die Arbeitszeit an keine bestimmten Wochentage und Uhrzeiten gebunden ist, kann man prüfen, ob die Arbeit auf vier Tage verteilt werden kann. Schwieriger wird es in Bereichen, in denen Produktivität nicht gesteigert werden kann und die Arbeit darin besteht, eine gewisse Zeit zu besetzen – wie in der Pflege oder in Industriebetrieben, bei denen Maschinen jederzeit laufen müssen.

Gesamtwirtschaftlich gesehen, wäre jedoch der Fachkräftemangel noch größer als bisher. Schließlich bräuchte es beispielsweise mehr Pflegekräfte und mehr Lokführer, wenn diese jeweils nur an vier Tagen arbeiten würden. Auch wird die Flexibilität darunter leiden, wenn – je nach Modell – beispielsweise neun Stunden täglich gearbeitet wird.

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Positive Effekte haben ihre Grenzen

Wichtig ist laut Guido Zander, dass positive Effekte nicht immer weiter fortgeschrieben werden können.

Meine Erfahrung aus vielen Projekten ist, dass wir eine Arbeitszeitverkürzung von 40 auf 36 Stunden durch viele Effekte wirklich auch gegenrechnen können und dabei wahrscheinlich gar nicht so viel Produktivität verlieren. Der Fehler, der aber gemacht wird, ist, dass es linear fortgeschrieben wird. Also dass ich die Effekte, die ich von 40 auf 36 Stunden habe, dann nochmal kriege, wenn ich von 36 auf 32 Stunden gehe.

Das gleiche Problem gebe es in die andere Richtung: Längere Arbeitszeiten führten nicht zu mehr Produktivität. Wenn in Schichtbetrieben 43 Stunden in der Woche gearbeitet werden, wird die Krankenquote laut des Experten so hoch sein, dass man am Ende sogar weniger Kapazität hat.

Zukunft der Arbeit: 4-Tage-Woche ist keine Lösung für Alle

Deutlich macht der Arbeitszeitexperte: es gibt keine Universallösung.

Wir sind in einer so komplexen Umwelt, dass zunehmend diese einfachen ’One Size Fits All’-Modelle nicht mehr passen. Das wird immer suggeriert und es kann passen, aber es muss nicht passen. Ich werbe einfach für Vielfalt, für Flexibilität, für Wettbewerb unterschiedlichster Modelle.

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