In SWR1 Leute bewertet der Friedrichshafener Sinologe Prof. Klaus Mühlhahn die mögliche Rolle von China und dessen Friedensplan bei Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland. Hintergrund ist der Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine. Das Bild zeigt eine weinende Frau, die auf dem Friedhof von Mykolajiw am Grab ihres einzigen Sohns kniet und trauert - der Soldat starb bei einem russischen Bombenangriff.  (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Emilio Morenatti)

Chinas Außenpolitik: Friedensstifter für die Ukraine oder Waffenlieferant für Russland?

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Nabil Atassi
Moderator Nabil Atassi aus dem SWR1 Team. Zu hören in der Talk-Sendung SWR1 Leute - immer 2 Stunden für einen Gast mit interessanten Themen. (Foto: SWR)

Wie ist Chinas Haltung zum Krieg gegen die Ukraine und zu Russland? Prof. Klaus Mühlhahn analysiert rund um den Jahrestag des russischen Einmarschs die chinesische Politik.

»Ich glaube, dass China ein Interesse daran hat, diesen Krieg zu beenden und dass deshalb der Aufruf zu Gesprächen echt ist - auch wenn er natürlich nicht praktikabel ist, weil dazu ein konkreter Vorschlag fehlt.«

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China bezieht keine eindeutige Position gegen Russland

Prof. Klaus Mühlhahn ist im Augenblick viel beschäftigt: Der Sinologe ist Lehrstuhlinhaber für moderne China-Studien an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen. Er schaut gespannt nach Peking, wie China im Konflikt agiert. Bisher hat China den Angriff Russlands auf die Ukraine nicht verurteilt. Auf der Münchener Sicherheitskonferenz am 17. Februar 2022 warnte China bestimmte westliche Staaten davor, weiter Waffen an die Ukraine zu liefern.

Hat China Einfluss auf Friedensverhandlungen?

Zuletzt hatte China einen Friedensplan für die Ukraine präsentiert. Mühlhahn sieht diesen Plan eher als eine Art "chinesische Stellungnahme", mit geringem praktischen Nutzen: China positioniere sich hier in einer sehr grundsätzlichen und prinzipiellen Weise. Die politische Führung versuche, eine neutrale Position für sich zwischen dem Westen, Europa, Amerika und Russland zu finden. Mit einem inneren Konflikt:

»Ich glaube aber auch, dass es für China schwierig ist, neutral zu sein, weil es einen bestimmten Ausgang dieses Kriegs gibt, der für China nicht wünschbar ist: den Kollaps Russlands. Und spätestens dann kann China nicht mehr neutral zusehen.«

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Liefert China Waffen nach Russland?

Gleichzeitig gibt es Hinweise, dass China Russland nicht nur politisch in seinem Krieg gegen die Ukraine unterstützt, sondern auch direkt oder indirekt Waffen oder Militärtechnik an Russland liefert.

China kann den Angriffskrieg beenden

Wichtig, so Prof. Klaus Mühlhahn, sei es jetzt, einen Weg zu suchen, die Parteien an einen Tisch zu bekommen und "nicht am Pulverfass zu zündeln". Darin schließt er im Übrigen auch die demonstrativen Besuche von Politikerinnen und Politikern in der Ukraine ein. Dann nämlich, davon ist er überzeugt, kann China auch Vermittler in diesem Angriffskrieg sein, sogar den Krieg beenden.

»Ich glaube, dass China das [den Krieg beenden] könnte! Und ich würde mir es auch sehr wünschen, denn ich habe mir immer gedacht: Ein Land wie China hätte viele Möglichkeiten, in der Welt für Stabilität zu sorgen!«

Unidentifizierte Spionageballons und Chinas Haltung zu Taiwan

Zusätzlich kompliziert wird die Lage mit China durch die Sichtung und Zerstörung eines mutmaßlichen chinesischen Spionageballons über dem Luftraum der USA. Die Angelegenheit hatte zuletzt zu diplomatischen Spannungen zwischen den beiden Großmächten geführt.

Und dann ist da auch noch das drohende Szenario eines Einmarschs Chinas in Taiwan. Militärisch, so Mühlhahn in SWR1 Leute, werde das nicht zu lösen sein. Auf der einen Seite stünden die USA, die zugesagt haben, Taiwan im Kriegsfall zu verteidigen, auf der anderen Seite Europa, das sich aus diesem Konflikt nach Überzeugung von Mühlhahn nicht heraushalten könnte.

»Dann haben wir einen Weltkrieg ... mit unglaublichen Ausmaßen. ... Das wird unglaublich größere Konsequenzen haben als der auch schon fürchterliche Ukraine-Krieg.«

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