Die Welt in rosa

Greta Gerwigs „Barbie“ ist Kritik, Liebeserklärung und Marketingtool in einem

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AUTOR/IN
Julia Haungs

Seit Jahrzehnten polarisiert Barbie: Vielen Feministinnen gilt die perfekte Plastikpuppe als Ausgeburt der Hölle. Aus vielen Mädchenzimmern ist sie dennoch nicht wegzudenken. Die feministische Indie-Regisseurin Greta Gerwig setzt Barbie mit ihrem Film ein Denkmal, ohne an Kritik zu sparen. Eine bessere Werbung könnte sich Mattel kaum ausdenken.

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Zwischen Frisiertisch und Klamottenschrank

Präsidentin, Astronautin, Konzernchefin - Barbie kann alles sein, und auch Mädchen können alles werden. Das ist von jeher die Botschaft des Spielzeugherstellers Mattel. Allein, die Wirklichkeit sieht oft anders aus.

Und Barbies Image steht auch weniger für weibliches Empowerment als für unrealistische Körpermaße sowie pinke Lebenswelten zwischen Frisiertisch und Klamottenschrank.

In diesem Spannungsfeld bewegt sich der Barbie-Film von Anfang an. All das, was an der Plastikpuppe seit Jahrzehnten polarisiert, greift Regisseurin Greta Gerwig auf, hat aber dennoch offenkundig Spaß an dieser widersprüchlichen Figur.

Filmstill
Im Barbie-Land zu leben bedeutet, ein perfektes Dasein an einem perfekten Ort zu führen. Alles an seinem Platz, wer hier leben will, muss sich nämlich ausnahmslos an die aufgestellten Normen halten. Bild in Detailansicht öffnen
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Hausherrin ist die blonde Barbie (Margot Robbie). Bild in Detailansicht öffnen
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An ihrer Seite wie immer der platinblonde Schönling Ken (Ryan Gosling). Bild in Detailansicht öffnen
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Als Barbie sich für den Geschmack der Gemeinde jedoch viel zu exzentrisch verhält, wird sie gnadenlos aus Barbieland verbannt. Bild in Detailansicht öffnen
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Sie landet daraufhin in der realen Welt und entdeckt, dass es dort noch viele andere Abenteuer zu erleben gibt. Bild in Detailansicht öffnen

Barbieland ist künstlich, asexuell und oberflächlich

Die Handlung beginnt im „Barbieland“, einem Wunderwerk der Ausstattung: Alles von der Milchtüte über die Möbel in den wandlosen Häusern bis zu den Outfits ist detailgetreu dem Spielzeug-Kosmos von Mattel nachgebildet.

In dieser rosa durchgestylten Traumwelt haben die Barbies das Sagen. Die Kens hängen hauptsächlich am Strand ab, wo sie darauf warten, dass Barbie sie beachtet. Barbieland ist künstlich, asexuell und oberflächlich. Aber alle sehen gut aus, sind bestens gelaunt und feiern jeden Tag den besten Tag ihres Lebens. 

Shocking: Cellulite bei Barbie!

Barbies Unglück beginnt damit, dass ihre perfekte Hülle Risse bekommt: Plötzlich steht sie auf flachen Füßen, hat einen Anflug von Cellulite am Bein und Todesgedanken im Kopf.

Um herauszufinden, was es mit diesen Makeln auf sich hat, wagt sie sich zusammen mit Ken in die echte Welt. Dort stellt sie fest, dass die Realität für Frauen weit weniger rosig aussieht als die Barbies es sich vorgestellt haben.

Während Barbie erfährt, wie sich Sexismus und Machtlosigkeit anfühlen, kann Ken sein Glück kaum fassen: Er sammelt alles, was er an Infos über das Patriarchat bekommen kann und verwandelt Barbieland kurzerhand in Kendom: eine Welt toxischer Männlichkeit, in der Frauen nur das Bier servieren dürfen.

Filmstill
Regisseurin Greta Gerwig schrieb das Drehbuch gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Noah Baumbach. Das mehrfach oscarnominierte Autorenduo ist bekannt für seine hippen Großstadt-Geschichten und cleveren Dialoge.

 Greta Gerwig und Noah Baumbach deklinieren feministische Diskurse

Das Drehbuch zum Barbie-Film hat Regisseurin Greta Gerwig zusammen mit ihrem Lebensgefährten Noah Baumbach geschrieben. Im Barbie-Film deklinieren sie feministische Diskurse virtuos rauf und runter.

Sie bringen die nicht zu erfüllenden Ansprüche an Frauen auf den Punkt, mokieren sich über die Mechanismen der patriarchalen Gesellschaft genauso wie über ihren Auftraggeber Mattel, der Barbie als Ikone des Feminismus und der Diversität promotet, dessen Chefetage aber weiß und männlich daherkommt.

Filmstill
50 Shades of Pink: Im Barbiefilm ist fast alles rosa.

„Barbie“ ist vor allem ein Marketing-Instrument

Die Ironie des Films funktioniert ziemlich gut, auch dank zahlreicher popkultureller Referenzen sowie Margot Robbie und Ryan Gosling, die als Barbie und Ken überzeugen.

Dennoch bleibt ein schaler Beigeschmack. Denn bei aller offenen Kritik an dem, wofür Barbie steht, bleibt der Film doch vor allem ein Marketing-Instrument, das Mattel neue Käufergruppen erschließen soll.

Gerade dass Barbie als selbstironische Ikone der Popkultur inszeniert wird, macht den Film wirkungsvoller als jeder Werbespot. Und bei allem Spaß und Glitzer auch ein bisschen perfide.

Trailer „Barbie“, ab 20.7. im Kino

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