Vorpremiere im Babylon Kino Berlin

Christoph Weinert über seinen Film „I dance but my heart is crying“: Keine jüdische Musik

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Christian Batzlen

Ein besonderer Film feiert am Mittwochabend in Berlin-Mitte, im berühmten Babylon Kino seine Weltpremiere. „I dance, but my heart is crying“ bringt Lieder einer untergegangenen Welt im jüdischen Berlin vor der Machtübernahme der Nazis wieder zum Klingen. Der Regisseur Christoph Weinert warnt aber davor, diese Musik aus den 1920er und -30er Jahren „jüdische Musik“ zu nennen.

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„Es gibt keine jüdische Musik“

"Es gibt keine jüdische Musik", erklärt Christoph Weinert im Gespräch mit SWR2. Auch Bob Dylan sei ein jüdischer Musiker gewesen, habe aber keine jüdische Musik gemacht.

Filmstill (Foto: Fleming Postproduktion)
Der Musikfilm „I Dance, But my Heart is Crying“ erzählt von zwei Plattenlabels, die bis 1938 im nationalsozialistischen Berlin Musik jüdische Künstler produzieren konnten. Musik, die mitsamt ihren Originalmatrizen, Texten und Noten in einer einzigen Nacht vollständig vernichtet wurde. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: Fleming Postproduktion)
Für den Film erstrahlt Musik, die über siebzig Jahre lang als verloren galt, in neuem Glanz. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: Fleming Postproduktion)
Ein international hochkarätig besetztes Ensemble hat die Musik neu arrangiert und nähert sich so dem tragischen Schicksal der jüdischen Künstler und deren musikalischen Vermächtnis. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: Fleming Postproduktion)
Die Zwanziger- und Dreißigerjahre des 20. Jahrhunderts waren die Sternstunde jüdischer Musik. Berlin war die Bühne. Die Lieder handeln von Liebe, Eifersucht, Sozialismus, Zionismus, tanzenden jungen Frauen, Affären. Sie zeigen eine Kultur der Vielfalt. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: Fleming Postproduktion)
Das jiddische Lied von Pinkas Lavender, „Ich tanz und mein Herz weint“, das dem Film den Titel gab, ist von erschütternder Ambivalenz; zeigt es doch, in welchem Zwiespalt sich die Interpreten bewegt haben. Als deutsche Juden wollten sie teilhaben am kulturellen Leben dieses Landes. Nach 1933 wurde aber immer deutlicher, dass sie in Deutschland nicht mehr erwünscht waren. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: Fleming Postproduktion)
Die Lieder vermitteln auch ein Bild davon, wie selbstverständlich Künstler mit jüdischen Wurzeln in die deutsche Kultur integriert waren. Bild in Detailansicht öffnen

So sei es auch in diesem Fall: Die Musiker, die er in seinem Film porträtiert, hätten auch deutsche Schlager oder Chansons gesungen. Dass ihre Musik von den Nazis unterdrückt wurde, habe einen großen Bruch in der deutschen Kulturgeschichte dargestellt.

Erstaunlich aktuelle und doppelbödige Texte

Die meisten Texte hätten eine interessante Doppelbödigkeit und verhandelten ihre Trauer darüber, wie die Interpreten in Deutschland behandelt wurden, so Weinert. Außerdem seien sie erstaunlich aktuell: „Wenn man diese Songs hört, kann man kaum glauben, dass die schon so alt sind.“ So ginge es etwa um Themen wie die Globalisierung. Und auch die Qualität sei faszinierend: „Man mag sich heute fast schämen, wenn man das mit dem deutschen Liedgut aus heutigen Zeiten vergleicht.“

Musik hat die Kraft, Menschen zusammen zu bringen

Welche Botschaft der Film vermitteln könne? „Ich hoffe, dass es klar wird, dass Kultur national- und religionsübergreifend ist.“ Die Musik habe eine Kraft, Menschen zusammenzubringen. So solle der Film ein mahnendes Zeichen gerade für die jüngere Generation sein, dass das, was damals geschehen ist, nie wieder geschehen dürfe.

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