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ARD-Film „Sörensen fängt Feuer“: Bjarne Mädel überzeugt mit hintergründigem Humor

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Karsten Umlauf

Vor zwei Jahren gab Bjarne Mädel im ARD-Krimi „Sörensen hat Angst“ sein hochbewertetes Debüt als Regisseur und spielte dabei auch die Hauptrolle. Eine Art Psychokrimi mit nordisch komischem Unterton. Und jetzt kehrt er in der Rolle zurück: „Sörensen fängt Feuer“ nach der Romanvorlage von Sven Stricker.

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Erinnerungen an Natascha Kampusch

Eine junge Frau kauert mitten in der Nacht auf der Straße und wird von Sörensen, der wegen seiner Angststörung mal wieder nicht schlafen konnte, fast umgefahren. Die junge Frau kann nicht erkennen von wem, weil sie blind ist. Wie sich herausstellt, hat sie ihr ganzes Leben in einem Keller gehaust und ihr Vater – oder der, den Sörensen dafür hält, sitzt mit 17 Messerstichen tot auf dem Sofa.

Es ist ein ziemlich düsterer Einstieg in diesen Film, bei dem man natürlich wissen will, was es mit der verstörten und fundamental gottesfürchtigen jungen Frau auf sich hat. Zumal sich schnell Assoziationen an Natascha Kampusch oder den aktuellen Netflix-Hit „Liebes Kind“ einstellen. Andererseits kann dieser Krimi mit seinen bodenständigen und gleichzeitig versponnenen Figuren jeden Moment abheben und in einem scheinbar absurden Dialog auf die Seite kippen.

Filmstill (Foto: ard-foto s1, © NDR/Jörg Landsberg)
Kommissar Sörensen (Bjarne Mädel), endgültig in die friesische Provinz gezogen, hat genug mit sich selbst zu tun. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: ard-foto s1, © NDR/Jörg Landsberg)
Sörensen (Bjarne Mädel) leidet unter Einsamkeit, Schlaflosigkeit und innerer Unruhe – und will dennoch nichts mehr, als die Medikamente gegen seine Angststörung abzusetzen. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: ard-foto s1, © NDR/Jörg Landsberg)
Da überfährt er des Nachts auf der Landstraße beinahe die junge, verstörte Jette (Liv Clasvogt). Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: ard-foto s1, © NDR/Jörg Landsberg)
Sörensen ist überfordert, von der Situation, von sich selbst. Der Ort lehnt ihn ab, die Angst kehrt zurück – und bei einer Leiche wird es nicht bleiben. Malte (Leo Meier) und Sörensen (Bjarne Mädel). Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: ard-foto s1, © NDR/Jörg Landsberg)
„Ursprünglich hatte ich gar kein Interesse, einen weiteren Sörensen-Film zu machen. Weil ich als Schauspieler ein bisschen reihen- und seriengeschädigt bin....Aber mit der Zeit kristallisierte sich das Thema Einsamkeit heraus, und ich bekam dann doch schnell große Lust, Sörensen fortzusetzen.“ (Regisseur und Hauptdarsteller Bjarne Mädel) Bild in Detailansicht öffnen

Wunderbarer Cast und außergewöhnliches Sound- und Lichtdesign

Man weiß gar nicht, wofür man „Sörensen fängt Feuer“ mehr lieben soll: für das wunderbare Casting, für das außergewöhnliche Sound- und Lichtdesign, für den Mut, diesmal nicht nur der Hauptfigur, sondern dem ganzen Ensemble eine Bühne zu geben und gleichzeitig Krimiklischees in eindrücklichen theaterhaften Szenen zu dekonstruieren oder für das intelligente wortwitzige Drehbuch von Sven Stricker. Alles trägt sehr stimmig zum Thema des Films bei.

Angst vor Einsamkeit als Leitmotiv

Die Spur führt zu einem Freundeskreis bibeltreuer Christen. Letztendlich geht es um die Angst vor der Einsamkeit und die Suche nach etwas, das einem Halt geben könnte. Religion, Familie oder Partnerschaft. Sörensen zum Beispiel trifft die Einladung zu einem Speed Dating wie ein Schlag vom Himmel, worauf er sich erstmal den Schreck von der Seele reden muss.

Bjarne Mädel hat seine Figur Sörensen, von dem man auch diesmal nicht den Vornamen erfahren wird, gegenüber dem ersten Film noch einmal weiter entwickelt. Seiner Angststörung versucht er tapfer entgegen zu treten, auch wenn sie ihn manchmal – ähnlich wie in einem Kellerzimmer – gefangen hält. Zum Beispiel wenn es darum geht, mit der eigentlich ziemlich netten Kollegin Jenny ein paar persönliche Worte zu wechseln.

„Sörensen fängt Feuer“ überzeugt

Während man bei Sörensen zwar zuversichtlich, aber nicht ganz sicher ist, ob er auf dem Weg der Besserung auch irgendwo ankommt, kann man Bjarne Mädel und seinen Kolleg*innen zu dieser filmischen Reise nur gratulieren.

„Sörensen fängt Feuer“ ist optisch teilweise richtig gutes Kino, überzeugt mit ungewöhnlichen, auch subjektiv gefärbten Perspektiven und einem dem Thema angemessenen nachdenklichen Ton bei gleichzeitig maximal hintergründigem Humor.

„Sörensen fängt Feuer“ in der ARD Mediathek, 18.10. im Ersten

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Gespräch Doku „Ernstfall – Regieren am Limit“ zeigt eine Politik der Atemlosigkeit

„Ich konnte die Regierung dabei beobachten, wie sie über Jahrzehnte feststehende Grundsätze über Bord geworfen hat“, sagt der Dokumentarfilmer Stephan Lamby, der die Bundesregierung fast zwei Jahre mit der Kamera begleitet hat. Seine ARD-Doku „Ernstfall – Regieren am Limit“ zeigt, wie sehr der russische Angriffskrieg auf die Ukraine die Koalition belastet hat.
Körperliche und geistige Belastungsproben
Stephan Lamby wollte eigentlich einen ganz anderen Film machen, als er im Dezember 2021 anfing, die neue Bundesregierung mit der Kamera zu begleiten. Nämlich darüber, wie diese das Land in Richtung Klimaneutralität umbauen würde.
Stattdessen passierte der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Im Moment der vielbeschworenen Zeitenwende beobachtete Lamby, wie die Regierung über Jahrzehnte feststehende Grundsätze über Bord geworfen hat. Waffen wurden in ein Kriegsgebiet geliefert, Kohlekraftwerke am Leben erhalten, Schulden aufgenommen.
Lambys Film zeige, mit welcher Atemlosigkeit in dieser Zeit Politik gemacht werden müsse. „Ich war innerhalb weniger Tage mit dem Kanzler in Peking, mit dem Vizekanzler in Singapur, das sind ewig lange Flüge. Man ist kurz zuhause, dann geht’s wieder los“, sagt Lamby. Sowohl körperlich als auch geistig sei das eine Herausforderung.
Im zweiten Regierungsjahr brach Streit aus
„Insbesondere das erste Jahr war eine unglaubliche Herausforderung für die Regierung“, sagt Larmy, denn innerhalb weniger Tage habe eine neue Außen-, Sicherheits- und Energiepolitik entworfen werden müssen. Das habe die Regierung insgesamt gut hinbekommen. Im Gegensatz dazu habe man sich im zweiten Jahr vor allem mit sich selbst beschäftigt. Dann brachen die großen Streitereien aus. Somit fällt Lambys Bilanz zur Halbzeit durchwachsen aus.
Ein verlorenes Jahrzehnt
Neben seinem Dokumentarfilm hat Stephan Lamby auch ein Buch mit dem gleichen Namen veröffentlicht, in dem er die Frage stellt, wie wir in Zukunft auf unsere Zeit zurückblicken werden. Lambys These: Wir werden nicht von den Goldenen Zwanzigern, sondern von den Verlorenen Zwanzigern sprechen.
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Karsten Umlauf