Vor zwei Jahren gab Bjarne Mädel im ARD-Krimi „Sörensen hat Angst“ sein hochbewertetes Debüt als Regisseur und spielte dabei auch die Hauptrolle. Eine Art Psychokrimi mit nordisch komischem Unterton. Und jetzt kehrt er in der Rolle zurück: „Sörensen fängt Feuer“ nach der Romanvorlage von Sven Stricker.
Erinnerungen an Natascha Kampusch
Eine junge Frau kauert mitten in der Nacht auf der Straße und wird von Sörensen, der wegen seiner Angststörung mal wieder nicht schlafen konnte, fast umgefahren. Die junge Frau kann nicht erkennen von wem, weil sie blind ist. Wie sich herausstellt, hat sie ihr ganzes Leben in einem Keller gehaust und ihr Vater – oder der, den Sörensen dafür hält, sitzt mit 17 Messerstichen tot auf dem Sofa.
Es ist ein ziemlich düsterer Einstieg in diesen Film, bei dem man natürlich wissen will, was es mit der verstörten und fundamental gottesfürchtigen jungen Frau auf sich hat. Zumal sich schnell Assoziationen an Natascha Kampusch oder den aktuellen Netflix-Hit „Liebes Kind“ einstellen. Andererseits kann dieser Krimi mit seinen bodenständigen und gleichzeitig versponnenen Figuren jeden Moment abheben und in einem scheinbar absurden Dialog auf die Seite kippen.
Wunderbarer Cast und außergewöhnliches Sound- und Lichtdesign
Man weiß gar nicht, wofür man „Sörensen fängt Feuer“ mehr lieben soll: für das wunderbare Casting, für das außergewöhnliche Sound- und Lichtdesign, für den Mut, diesmal nicht nur der Hauptfigur, sondern dem ganzen Ensemble eine Bühne zu geben und gleichzeitig Krimiklischees in eindrücklichen theaterhaften Szenen zu dekonstruieren oder für das intelligente wortwitzige Drehbuch von Sven Stricker. Alles trägt sehr stimmig zum Thema des Films bei.
Angst vor Einsamkeit als Leitmotiv
Die Spur führt zu einem Freundeskreis bibeltreuer Christen. Letztendlich geht es um die Angst vor der Einsamkeit und die Suche nach etwas, das einem Halt geben könnte. Religion, Familie oder Partnerschaft. Sörensen zum Beispiel trifft die Einladung zu einem Speed Dating wie ein Schlag vom Himmel, worauf er sich erstmal den Schreck von der Seele reden muss.
Bjarne Mädel hat seine Figur Sörensen, von dem man auch diesmal nicht den Vornamen erfahren wird, gegenüber dem ersten Film noch einmal weiter entwickelt. Seiner Angststörung versucht er tapfer entgegen zu treten, auch wenn sie ihn manchmal – ähnlich wie in einem Kellerzimmer – gefangen hält. Zum Beispiel wenn es darum geht, mit der eigentlich ziemlich netten Kollegin Jenny ein paar persönliche Worte zu wechseln.
„Sörensen fängt Feuer“ überzeugt
Während man bei Sörensen zwar zuversichtlich, aber nicht ganz sicher ist, ob er auf dem Weg der Besserung auch irgendwo ankommt, kann man Bjarne Mädel und seinen Kolleg*innen zu dieser filmischen Reise nur gratulieren.
„Sörensen fängt Feuer“ ist optisch teilweise richtig gutes Kino, überzeugt mit ungewöhnlichen, auch subjektiv gefärbten Perspektiven und einem dem Thema angemessenen nachdenklichen Ton bei gleichzeitig maximal hintergründigem Humor.
„Sörensen fängt Feuer“ in der ARD Mediathek, 18.10. im Ersten
Mehr Filme aus den Mediatheken
Gespräch Doku „Ernstfall – Regieren am Limit“ zeigt eine Politik der Atemlosigkeit
„Ich konnte die Regierung dabei beobachten, wie sie über Jahrzehnte feststehende Grundsätze über Bord geworfen hat“, sagt der Dokumentarfilmer Stephan Lamby, der die Bundesregierung fast zwei Jahre mit der Kamera begleitet hat. Seine ARD-Doku „Ernstfall – Regieren am Limit“ zeigt, wie sehr der russische Angriffskrieg auf die Ukraine die Koalition belastet hat.
Körperliche und geistige Belastungsproben
Stephan Lamby wollte eigentlich einen ganz anderen Film machen, als er im Dezember 2021 anfing, die neue Bundesregierung mit der Kamera zu begleiten. Nämlich darüber, wie diese das Land in Richtung Klimaneutralität umbauen würde.
Stattdessen passierte der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Im Moment der vielbeschworenen Zeitenwende beobachtete Lamby, wie die Regierung über Jahrzehnte feststehende Grundsätze über Bord geworfen hat. Waffen wurden in ein Kriegsgebiet geliefert, Kohlekraftwerke am Leben erhalten, Schulden aufgenommen.
Lambys Film zeige, mit welcher Atemlosigkeit in dieser Zeit Politik gemacht werden müsse. „Ich war innerhalb weniger Tage mit dem Kanzler in Peking, mit dem Vizekanzler in Singapur, das sind ewig lange Flüge. Man ist kurz zuhause, dann geht’s wieder los“, sagt Lamby. Sowohl körperlich als auch geistig sei das eine Herausforderung.
Im zweiten Regierungsjahr brach Streit aus
„Insbesondere das erste Jahr war eine unglaubliche Herausforderung für die Regierung“, sagt Larmy, denn innerhalb weniger Tage habe eine neue Außen-, Sicherheits- und Energiepolitik entworfen werden müssen. Das habe die Regierung insgesamt gut hinbekommen. Im Gegensatz dazu habe man sich im zweiten Jahr vor allem mit sich selbst beschäftigt. Dann brachen die großen Streitereien aus. Somit fällt Lambys Bilanz zur Halbzeit durchwachsen aus.
Ein verlorenes Jahrzehnt
Neben seinem Dokumentarfilm hat Stephan Lamby auch ein Buch mit dem gleichen Namen veröffentlicht, in dem er die Frage stellt, wie wir in Zukunft auf unsere Zeit zurückblicken werden. Lambys These: Wir werden nicht von den Goldenen Zwanzigern, sondern von den Verlorenen Zwanzigern sprechen.
Das Wissen über die globalen Herausforderungen durch den Klimawandel sei vorhanden. Die wichtigen Akteure handeln aber nicht konsequent genug, um das Ruder herum zu reißen.“
Serie Dramedy-Serie „Tod den Lebenden“: Alle haben Klimawandel
Wie wird aus einer polyamourösen WG eine aktivistische Terrorzelle? Wer würde sich für den Klimaprotest selbst anzünden und hängt das Überleben möglicherweise an einem Babyhund? Die neue Serie von Regisseur Tom Lass wirft Fragen auf, die sie nicht direkt beantworten kann. Aber sie sucht nach kreativen Lösungen zwischen absurdem Witz und Lebensphilosophie.
Filmmusik für neue Serie „Nackt über Berlin“: Mit schrägen Instrumenten dem besonderen Klang auf der Spur
Musik spielt eine besondere Rolle in „Nackt über Berlin“ von Axel Ranisch. Für die Filmmusik begab sich Komponistin Martina Eisenreich auf die Suche nach ungewöhnlichen Sounds.
Gespräch „Aktenzeichen XY.. ungelöst!“ – Regina Schilling zu ihrer Doku über das weltweit erste True-Crime-Format
Eduard Zimmermann hat das erste True Crime-Format der Welt erfunden: „Aktenzeichen XY.. ungelöst!“. In Ihrem Dokumentarfilm „Diese Sendung ist kein Spiel“ nimmt Regisseurin Regina Schilling die Sendung unter die Lupe.
Serie „Freiheit ist das Einzigste, was zählt“: ZDF-Satire zum Reichsbürgerputsch mit Bibiana Beglau
Nach der Wirecard-Satire „King of Stonks“ nimmt Regisseur Jan Bonny nun die Querdenkerszene und den Reichsbürgerputsch aufs Korn. Sein „Drama in sechs Akten“ ist grotesk und radikal. Eine böse Farce, die auch den kulturellen Nährboden von rechten Gesinnungen durchpflügt – zwischen Beuys, Meese und Marius Müller-Westernhagen.
Dokumentation Laboratorium des freien Geistes: Dreiteilige Arte-Doku „California!“
Die dreiteilige Arte-Doku „California!“ zeigt aber nicht nur Beachgirls und Filmstars. Die Region hat auch in Kultur und Politik immer wieder den Puls der Zeit weltweit bestimmt.
Serie Dänische Politserie „Borgen: Macht und Ruhm“ – Neue Staffel der Erfolgsserie auf arte
Die sympathische Politikerin Birgitte Nyborg hat in der neuen „Borgen“-Staffel als dänische Außenministerin mit einem Ölfund in Grönland zu kämpfen. Die großartige Fortsetzung ist nah an der politischen Aktualität und die Hauptfigur kämpft mit ungewohnt harten Bandagen.
Gespräch ARD-Doku „Generation-Crash“: Die Ost-Millennials, eine Generation des Umbruchs
Die ARD-Doku „Generation Crash – Wir Ost-Millennials“ erzählt ein Kapitel der Nachwendezeit, das bisher gefehlt hat. Der „Crash“ sei nicht nur der Mauerfall, sondern „auch was danach passierte“, so Regisseur Nils Werner.