Behinderung nach Sportunfall: So kämpften sich Jana und Stefan zurück

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MODERATOR/IN
Nicole Köster
Moderatorin Nicole Köster aus dem SWR1 Team moderiert täglich ausßer samstags zwischen 10 und 12 Uhr die Sendung SWR1 Leute

Jana Sohm und Stefan Kretzschmar fahren Handbike im TetraTeam. Sie kämpfen im Sport und gegen die Behinderung bei Querschnittlähmung im Alltag.

SWR1 Leute: Jana Sohm, ist nach einem verunglückten Trampolinsprung im Juni 2009 querschnittsgelähmt, und Stefan Kretzschmar, ehem. Rennradfahrer, sitzt seit Unfall (2006) im Rollstuhl. Sie sind Handbiker im Tetra-Team und machen sich für die Belange Querschnittgelähmter stark.

Jana Sohm: Querschnittlähmung nach Sportunfall

Jana Sohm hatte im Alter von 14 Jahren einen schweren Sportunfall beim Trampolintraining, das sie seit sie sechs Jahre alt war als Leistungssport betrieben hatte. Als sie einen neuen Salto üben wollte, landete sie auf ihrem Genick. Seitdem ist sie vom Hals abwärts querschnittgelähmt.

Ich hab das im Sprung schon gemerkt, dass da was nicht stimmt. Und lag dann auf dem Trampolin und hab sofort gemerkt, dass ich mich nicht mehr bewegen kann, meinen Körper nicht mehr spüre.

Der Sport ist ein wichtiger Teil in Janas Lebens geblieben. 2011 begann sie mit dem Handbiken, trat dem TetraTeam und dem RSV Seerose Friedrichshafen bei und ist Mitorganisatorin des inklusiven Sportevents Rad & Roll am Bodensee in Ettenkirch.

Verwünscht sie den Tag ihres Unfalls, der ihr Leben so verändert hat? Jana bezeichnet sich als einen positiven Menschen. Sie habe sich schnell mit der Lähmung arrangiert, sei mit ihren Freundinnen wieder in die Halle gegangen und habe beim Training oder bei Wettkämpfen zugeschaut.

Klar es ist schwierig, es ändert sich das ganze Leben. Aber es passieren so viele Unfälle immer und jederzeit und ich wusste immer, dass Trampolin kein ungefährlicher Sport ist.

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Schwerer Unfall während Radrennen

Im TetraTeam lernte Jana Sohm auch Stefan Kretzschmar kennen. Er sitzt seit 2006 im Rollstuhl. Nach einem Unfall bei einem der bedeutendsten Radrennen Europas, der Jeantex Tour Transalp, beim letzten Pass der Tagesetappe.

Ich hab keine Erinnerung mehr so richtig, was passiert ist. Ich hab bloß noch den Tacho ausgewertet: Es muss so bei circa 40 km/h passiert sein, der Sturz. Und das ist ja für ein Rennrad keine Geschwindigkeit. Es war eher noch auf der flachen Abfahrt.

Stefan wacht in einer italienischen Klinik auf und spürt seinen Körper unterhalb der Brust nicht mehr. An die Tage nach dem Sturz kann er sich kaum erinnern, erst wieder an den Klinikaufenthalt in Tübingen.

Im Prinzip hab ich die ersten Wochen daran geglaubt, was wahrscheinlich jeder glaubt: Bei mir wird das nicht so schlimm sein, ich werd schon irgendwann wieder was fühlen, was spüren, was bewegen können und ich lauf hier raus.

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Es folgen Not-OPs und zig weitere Operationen. Nach 17 Monaten kann Stefan die Klinik verlassen. Er sitzt im Rollstuhl, Brust abwärts gelähmt und ohne Rumpfmuskulatur. Schon im Krankenhaus hatte er mit einem mechanischen Rollstuhl trainiert, um ein Handbike benutzen zu können. Und auch die nicht beendete Etappe am Passo Duran beendet er.

Ein aktiver Mensch bleibt ein aktiver Mensch und eine Couch-Potato bleibt eine Couch-Potato.

Barrierefreiheit? Der Alltag besteht oft aus Behinderung

Von der kleinen Schwelle zum Badezimmer im eigentlich barrierefreihen Hotelzimmer bis hin zu weiten Wegen: Der Alltag eines Menschen im Rollstuhl birgt laut Jana und Stefan einige Behinderungen.

Sie versuchen ihren Mitmenschen zu erklären, was es bedeutet, im Rollstuhl zu sitzen. Oft begegneten ihnen Vorurteile: Sie seien nicht so leistungsfähig, bemitleidenswert oder könnten kein schönes, glückliches Leben führen.

Ich führe eigentlich ein sehr glückliches Leben, bin sehr zufrieden damit und hab oft die gleichen Probleme wie andere Leute auch ohne Querschnittlähmung.

Stefan hat schon erlebt, dass Menschen lauter mit ihm sprachen – obwohl der Rollstuhl auf seine Fähigkeit zu Hören keinen Einfluss hat. Und auch die Suche nach einem neuen Job erlebt er als zermürbend.

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5 Tipps zum Umgang mit Menschen mit Behinderung

Jana und Stefan wünschen sich, dass die Menschen ihnen mit Offenheit begegnen.

  1. Geht mit uns so um, wie mit jedem anderen Menschen auch.
  2. Wenn ihr Unsicherheit empfindet, sprecht das offen an.
  3. Wenn ihr Fragen habt, fragt nach.
  4. Fragt, ob die Person Hilfe möchte oder braucht.
  5. Spart euch mitleidige Blicke. Ein Leben im Rollstuhl ist genauso lebenswert wie eins ohne.
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