Buchkritik

Walter Moers – Die Insel der Tausend Leuchttürme

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AUTOR/IN
Danny Marques Marcalo (Übernahme vom NDR)

Hildegunst von Mythenmetz ist wieder da. Diesmal verschlägt es die literarische Legende des Kontinents Zamonien auf die Insel Eydernorn, auch bekannt als Insel der tausend Leuchttürme. Dort lauern allerlei merkwürdige Wesen und ein spektakuläres Ende. Für Moers-Fans und Sprachspiel-Begeisterte sicher ein Muss.

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Hildegunst von Mythenmetz ist zurück

Hildegunst von Mythenmetz trifft auf der Insel Eydernorn auf hochinteressante Wesen. In Briefen an Freund Hachmed beschreibt Hildegunst zum Beispiel Hummdudeln. Die breiten sich nämlich in seinem Zimmer aus.

Ich habe momentan auch keine Ahnung, welches Hummdudel die Mutter und welches der Vater ist. Auch nicht, welche der Jungen Weibchen oder Männchen sind. Um wenigstens ein bisschen System ins Chaos zu bringen, habe ich die Kleinen Junghumm, Jungdumm und Jungdudel getauft. Die Eltern nenne ich Papahumm und Mamadudel. Aber ich brauche mich nur umzudrehen, dann weiß ich schon nicht mehr, welches Kind welchen Namen trägt und wer Mutter und wer Vater ist.

Und das ist im Grunde das ganze Buch. Hildegunst schreibt Briefe an Hachmed und beschreibt, was er auf der Insel Eydernorn so entdeckt. Es hat die Anmutung eines Reiseberichts, und das ist kein Zufall, schreibt Walter Moers. Schreibt, denn persönliche Interviews gibt er nicht. Über den Verlag lässt er sich aber Fragen schicken, der Verlag versichert, dass die Antworten von Walter Moers kommen. Zur Frage, ob Reiseerfahrungen beim Schreiben eine Rolle gespielt haben, antwortet Moers:

Es ist tatsächlich so, dass ich als Kind im zarten Alter von fünf Jahren zu einer langen Asthma-Kur auf eine Insel verschickt worden bin. Diese traumatische Erfahrung habe ich, neben vielen anderen Dingen, in diesem Roman verarbeitet. Der Name der Insel im Buch, EYDERNORN, ist ein Anagramm des echten Inselnamens, und die Karte im Buch besitzt ihre Küstenlinie.“

Eine seltsame Insel mit 1000 Leuchttürmen im Mittelpunkt

Er müsste Norderney meinen. Tausend Leuchttürme, dafür ist die Insel zwar bekannt, es sind aber nur 111. Alle verschieden. Beim Auskundschaften trifft Hildegunst auf andere, die noch bekannter sind als er.

Das war niemand anderer als Gryphius von Odenhobler, der berühmteste klassische Schriftsteller Zamoniens. Odenhobler, der legendäre Verfasser des Romans „Ritter Hempel“, des größten Klassikers der Lindwurmfeste-Dichtung.

Fans dürften ihre Freude haben an vielen Querverweisen in die Zamonienmythologie, die Walter Moers geschaffen hat. Immer wieder gibt es auch Fußnoten, die auf andere Bücher der Reihe verweisen. Als klassische Fortsetzung würde er es nicht bezeichnen, schreibt Moers.

Auch wenn die Zamonienwelt aufgrund gewisser wiederkehrender Figuren und Motive nach einer Romanserie aussieht, wage ich zu behaupten, dass es keine im herkömmlichen Sinne ist. Meine wichtigste Motivation für jedes Buch ist immer, dass sich darin etwas vollkommen Neues entfaltet.“

Viel Sprachspiel: vielleicht nichts für jeden, aber für die Moers-Fans

Der Kreativität sind auch im neuen Roman keine Grenzen gesetzt. Und doch: Dieses Buch dürfte nichts für jeden sein. So schön die Beschreibungen von Hummdudeln, Leuchttürmen oder Eyderdornischen Speisemenüs sind: dem einen oder anderen dürfte das als reine sprachliche Spielerei vorkommen. Für die Fans wiederum dürfte es große Kunst sein. Der Ton ist durchweg amüsant.

Der Tag fing jedenfalls großartig an! Ich hatte noch nichts gegessen, aber wahrscheinlich schon eine erhebliche Menge Blut verloren. Ich fühlte mich schwach, verletzlich und zum Kotzen. (…) Dennoch: Dies war der historische Moment, in dem ich meinen ersten Eydernorner Leuchtturm erblickte!

Das ganze Buch läuft auf einen ziemlich spektakulären Höhepunkt am Ende hinaus. Die 650 Seiten dahin sind, je nachdem, ob man diesen Stil nun liebt oder nicht, sehr lang oder sehr kurzweilig. Mit 42 Euro ist dies zudem ein ziemlich teures Buch. Auf die Frage, ob er nicht manchmal geneigt sei, sich zu erkennen zu geben, wenn er Menschen mit seinen Büchern in der Öffentlichkeit sieht, antwortet Walter Moers:

Zu riskant. Es könnte ja sein, dass ihnen das Buch nicht gefällt und sie die Gelegenheit ergreifen, ihr Geld zurückzuverlangen.“

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