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Drag Race Germany: Eine Show, die Stereotypen durchbrechen kann

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INTERVIEW
Christian Batzlen

Die Reality-Show „Drag Race Germany“, die auf Paramount+ startet, könne einem breiten Publikum queeres Leben näherbringen, sagt der Soziologe Jeff Mannes in SWR2. Das Format, in dem Dragqueens gegeneinander antreten, ist seit 15 Jahren in den USA erfolgreich und wurde bereits in sieben andere Ländern exportiert.

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Auch Diskriminierungserfahrungen sind Thema

Soziologe Jeff Mannes bewertet „Drag Race“ positiv. Es gehe in dem Format nicht nur um Tanz, Musik und Performance. Die Zuschauer*innen erhielten auch Einblick in die persönlichen Geschichten der teilnehmenden Drags.

„Sie erzählen von den eigenen Kämpfen gegen Diskriminierung und Stigmatisierung”, sagt Mannes. Die dadurch geschaffene Empathie könne Stereotypen durchbrechen.

Amerikanisierung der Drag-Kultur?

Der einzige kritische Punkt, so Mannes, sei die Möglichkeit einer „Amerikanisierung der Drag-Kultur“, denn die sei in Europa und auch Südamerika wesentlich diverser.

Die Drag-Kultur sei in Deutschland immer schon sehr politisch geprägt gewesen. Das passe nicht in dieses Bild. „Man denke dabei an die Trümmertunten”, sagt Mannes – eine Selbstbezeichnung innerhalb der Homosexuellen-Bewegung der 70er Jahre für jene, die für Anerkennung und Befreiung kämpften.

Die jetzt erscheinende Show ist geprägt von der amerikanischen Dragqueen Ru Paul und wurde aus den USA weltweit exportiert. „Drag Race Germany“ hostet die Berliner Dragqueen Barbie Breakout gemeinsam mit Gianni Jovanovic.

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Glamourös, provokant, anzüglich und auch politisch: Drag hat viele Formen und Gesichter. Drag-Künstlerinnen und Künstler erschaffen mit Hilfe von Make-Up und Kostüm überlebensgroße Kunstfiguren. Nicht nur in der Clubszene gehören Drag Queens zu den sichtbarsten Wortführer*innen für queere Rechte. Mit „Drags of Monnem“ porträtiert nun eine fünfteilige Doku-Reihe die Mannheimer Drag-Szene.

Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur. Dragqueens erobern die Popkultur: Mehr Mainstream, weniger Hass?

Erst haben sich Dragqueens über ihr Make-Up amüsiert, dann hat die Schauspielerin Melissa McCarthy doch noch weltweit die Fans von sich überzeugt: als Meereshexe Ursula im Kinofilm “Arielle, die Meerjungfrau”. Ihre Figur soll von der Dragqueen-Ikone Divine inspiriert sein. Aber wie so oft bei Disney: Die queeren Rollen sind Bösewichte.
Was immer noch besser sei als gar keine queeren Menschen in der Popkultur zu haben, meint der Soziologe Jeff Manners. Dass die Dragkultur längst auch positiv den Mainstream prägt, betont die Dragqueen Betty BBQ aus Freiburg. Ihr Markenzeichen ist der Schwarzwald-Bollenhut. „Angekommen sind wir definitiv“, sagt sie. Was nicht gleichzusetzen sei mit sozial akzeptiert.
Drag-Kultur im Mainstream bedeutet nicht automatisch weniger Hass und Hetze gegen queere Menschen. Besonders in den USA tobt ein Kulturkampf: Ein Dutzend republikanisch geführter Bundesstaaten wollen Drag-Shows gesetzlich verbieten. Und in München platzt die CSU vor Wut über eine Kinderbuchlesung mit einer Dragqueen. “Populisten haben erkannt, dass man aus queeren Themen politisches Kapital schlagen kann, indem man Minderheiten zu Sündenböcken macht“, sagt Jeff Mannes. Für Betty BBQ eine beängstigende Entwicklung: „Ich habe mich die letzten 20 Jahre nie in einem Kulturkampf gesehen. Auf einen Schlag ist das anders, das belastet mich sehr.“
Diese Gleichzeitigkeit von Emanzipation und Repression - sie ist nicht neu, wie der Blick in die Geschichte zeigt. Der Historiker Benno Gammerl zieht mit uns Parallelen zum Deutschland der 1920er Jahre.
Habt ihr auch schon alle Staffeln der Serie „Pose“ über die Ballroom-Szene gesehen, irgendwann mal zu Madonnas „Vogue“ getanzt und sucht noch mehr Inspiration zum Thema? Mailt uns, auch mit Feedback und Themenvorschlägen, an kulturpodcast@swr.de!
Hosts: Kristine Harthauer und Philine Sauvageot
Showrunner: Stephanie Metzger
Benno Gammerls Buch “Queer. Eine deutsche Geschichte vom Kaiserreich bis heute”: https://www.hanser-literaturverlage.de/buch/queer/978-3-446-27607-9/
Die fünfteilige SWR-Dokuserie “Drags of Monnem”: https://www.ardmediathek.de/serie/drags-of-monnem/staffel-1/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9zZGIvc3RJZC8xNTMw/1

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Das Aussehen würde nicht reichen, um eine Drag Queen zu sein, sagt Markus Beisel, der seit 24 Jahren als Drag Queen in Mannheim unter dem Namen Céline Bouvier auftrifft. Beisel ist Protagonist der 5-teiligen SWR-Dokuserie „Drags of Monnem: Mannheims König:innen ungeschminkt“.

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