Drags of Monnem in der Maske (Foto: SWR, Alexander Münch)

Drag-Queens im Südwesten

Drags of Monnem: Drag Queens zwischen Bühne und Politik

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Dominic Konrad
Dominic Konrad, Autor und Redakteur bei SWR Kultur und SWR Musik (Foto: SWR, Foto: Dominic Konrad)

Glamourös, provokant, anzüglich und auch politisch: Drag hat viele Formen und Gesichter. Drag-Künstlerinnen und Künstler erschaffen mit Hilfe von Make-Up und Kostüm überlebensgroße Kunstfiguren. Nicht nur in der Clubszene gehören Drag Queens zu den sichtbarsten Wortführer*innen für queere Rechte. Die Reihe „Drags of Monnem“ porträtiert Mannheims Drag-Szene.

Vier Dragqueens und ein Dragking aus Mannheim laufen nebeneinander auf der Straße (Foto: SWR)
Glamour, Make-up, Pomp und Party – und der normale Alltag dahinter: Vier Drag Queens und ein Drag King aus Mannheim zeigen ihre zwei Leben zwischen großer Maskerade und Mensch sein.

Männer bei Tag, Diven bei Nacht

Schaumstoff-Polster, üppige Perücken, falsche Wimpern ... einem Männerkörper die Silhouette einer Frau zu geben ist nicht immer leicht. Neben einer Menge Make-Up braucht es vor allem noch deutlich mehr Selbstbewusstsein. „Vieles ist erlaubt oder einfacher“, meint Jonas Müller, der als Drag Queen Macy M. Meyers auftritt. „Sich schön zu fühlen, und sich zu präsentieren, Komplimente anzunehmen und so weiter. Männer kriegen nicht oft Komplimente.“

In der LGBTQ+ Szene sind Drag Queens schon immer feste Größen. In Mannheim trifft man die Königinnen bei Szenepartys wie der Himbeerparty, im Rhein-Neckar-Theater, wo Intendant Markus Beisel regelmäßig als Céline Bouvier auftritt, oder eben einmal im Jahr beim Mannheimer CSD.

Markus Beisel alias Drag Queen Céline Bouvier im Gespräch bei SWR2:

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Die fünfteilige Doku-Reihe „Drags of Monnem“, die derzeit in der ARD-Mediathek verfügbar ist, begleitet vier Drag Queens und einen Drag King aus Mannheim zwischen Alltag und Auftritten.

„Ein Mann in Frauenklamotten und 20 Zentimeter-Stripper-Schuhen, der irgendwie durch die Gegend torkelt und gute Laune verbreitet – das ist besonders! Und das ist ein gutes Gefühl.“

Trailer: „Drags of Monnem – Mannheims König:innen ungeschminkt“

Männer in Frauenrollen: So alt wie das Theater selbst

Männer, die Frauenrollen spielen, gibt es so lange, wie das Theater selbst: Im England zu Shakespeares Zeiten spielten Männer sämtliche Frauenrollen auf der Bühne. In seiner heutigen Form entstand Drag im Vaudeville-Theater des 19. Jahrhunderts. Hier gehörten Frauenimitatoren zu den beliebtesten (und bestbezahlten) Unterhaltungskünstlern.

Das Spiel mit den Geschlechternormen zog dabei natürlich auch immer Menschen an, die sich in ihrer Sexualität oder Gender-Identität nicht der Hetero- und Cis-Norm zugehörig fühlten. In der Pride-Bewegung waren Drag Queens immer Zielscheibe für Anfeindungen, von außerhalb ebenso wie innerhalb der Community – und sind es leider noch bis heute.

Sie sind aber auch mithin die sichtbarsten Vertreter*innen der queeren Gleichberechtigungsbewegung: Berühmt wurde etwa Marsha P. Johnson, die 1969 an vorderster Front bei den Aufständen in der New Yorker Christopher Street gegen Polizeigewalt ankämpfte, um für die Rechte von Schwulen und Lesben einzutreten.

RUPAUL'S DRAG RACE HOLI-SLAY SPECTACULAR (2018) (Foto: IMAGO, IMAGO / Everett Collection)
Start Your Engines: Seit 2009 moderiert Ru Paul (Mitte) die US-Reality-Show „Ru Paul’s Drag Race“. Insgesamt 24 Emmys gewann die Show bisher. Es existieren unzählige internationale Ableger und Bühnenshows. Viele Kandidat*innen sind heute selbst international gefeierte Stars.

MIt „Ru Paul’s Drag Race“ erobert Drag das Wohnzimmer

Drag als Kunstform ist in den letzten Jahren auch in der breiten Masse immer populärer geworden. Maßgeblich verantwortlich für diesen Erfolg ist die amerikanische Reality-Show „Ru Paul’s Drag Race“. Vom heimischen Sofa verfolgen Millionen Zuschauer*innen, wie Drag Queens in Näh-, Schauspiel- und Tanz-Wettbewerben und bei thematischen Runways um den Titel „Amerikas nächster Drag-Superstar“ und ein Preisgeld von 200.000 US-Dollar kämpfen.

Die Teilnehmer*innen der US-Show haben eine internationale Fangemeinde und füllen auch in Deutschland große Hallen und Arenen. Ein deutscher Ableger der Sendung war lange im Gespräch, nun soll die erste Staffel am 5. September über den Streamingdienst Paramount Plus erscheinen. Die Moderation übernehmen die Berliner Drag-Ikone Barbie Breakout und der schwule Moderator und Autor Gianni Jovanovic.

Anouk Ehreiser als Dragking Gordon Bleu in der Verkleidung von Prinz Calaf aus der Puccini-Oper Turandot. Gordon Blue mit aufgeklebtem schwarzen geschwungenen Schnauzbart trägt einen Turban mit Federbusch und ein mit Ornamenten besticktes Oberteil in den Farben Schwarz, Silber und Rot sowie eine goldfarbene hochgeschlossene Bluse. (Foto: SWR)
Drag King Gordon Bleu (Anouk Ehreiser) inszeniert eine eigene Version von Puccinis Oper „Turandot“ für das Drag & Opera Online Festival.

Im Fadenkreuz konservativer Politiker

Mit der steigenden Popularität gerät die queere Kunstform dabei immer mehr ins Fadenkreuz der konservativen Politik, die in ihr den Inbegriff einer „woken Agenda“ zu erkennen glaubt. Der republikanisch regierte US-Bundestaat Tennessee verbot im März die Darstellung von Drag in der Öffentlichkeit, unter dem Deckmantel des Jugendschutzes. Der Bann wurde Anfang Juni durch einen Bundesrichter als „nicht verfassungskonform“ zurückgewiesen und aufgehoben.

Auch in Deutschland haben Konservative das Thema jüngst für sich entdeckt, vor allem im bayerischen Landtagswahlkampf: Anfang Mai kritisierten konservative Politiker eine geplante Kinderlesung einer Drag Queen und eines Drag Kings an der Münchner Stadtbibliothek.

Bayerns Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) schrieb auf Twitter: „Kinder mit sowas zu konfrontieren ist Kindeswohlgefährdung, nicht 'Weltoffenheit'“. Die CSU-Fraktion im Münchner Bezirksausschuss Bogenhausen sprach sich für ein Verbot aus. Auch die AfD Bayern nutzte die öffentliche Debatte für ihren Wahlkampf und veröffentlichte ein Plakat, das einen Zusammenhang zwischen queeren Menschen und Kindesmissbrauch nahelegt.

Die bekannte Mannheimer Dragqueen Celine Bouvier trägt eine üppige aubergine-farbene Perücke und eine farblich passendes Dirndl. Sie hält ein Mikrofon und ist auf einer Open-Air-Bühne, im Hintergrund ein Plakat einem Regenbogen, dem Symbol der Lesben- und Schwulenbewegung. (Foto: SWR)
Die bekannte Drag Queen Céline Bouvier (Markus Beisel) liebt die Bühne und tritt mit Kabarettprogrammen, auf Konzerten und in Musicals auf.

„Man spürt einfach den lebendigen Vibe der Community.“

Alle Kritik scheint der Beliebtheit von Drag aber keinen Abbruch zu tun. Den Wandel merken auch die Mannheimer Drag-Performer*innen: „Wie jung die Leute geworden sind, das ist unglaublich für mich“, meint Jonas in der SWR-Doku. „Man spürt einfach den lebendigen Vibe der Community. Es pulsiert. Und darum will ich hier sein.“

„Andere Menschen lieben einfach alles, was außergewöhnlich ist, was verrückt ist, was sie irgendwie wachrüttelt in ihrem Alltag, ja. Die sehen uns auf der Straße vorbeilaufen und sind schockiert und manchmal sind sie sofort verliebt.“

Die Geschichten der Queens in „Drags of Monnem“ ähneln sich alle: Sie erzählen von Hänseleien in der Kindheit, vom Wissen irgendwie „anders“ zu sein als die anderen Jungs. Noch lange, bevor sie wussten, was „schwul“ oder „queer“ überhaupt bedeutete. Drag gab und gibt ihnen die Möglichkeit, ihr Anderssein zu feiern und damit sich selbst und anderen Menschen Kraft, Freude und Selbstvertrauen zu schenken.

„Wir hoffen, dass ein Gefühl von Stärke zurückbleibt und Verstandensein“, sagt Jonas. „Der Krieg, der uns und unsere Identität am meisten betrifft, ist immer relevant und wird auch immer relevant sein.“

Mannheim

Doku-Serie „Drags of Monnem – Mannheims König:innen ungeschminkt“

Glamour, Make-up, Pomp und Party – und der normale Alltag dahinter: Fünf Dragqueens und ein Dragking zeigen ihre zwei Leben zwischen großer Maskerade und Menschsein.

SWR2 Tandem Schillerndes Fantasiewesen - Drag-Queen Jonas Müller alias Macy M. Meyers

Jonas Müller gehört zu den Protagonisten und Protagonistinnen der SWR-Doku „Drags of Monnem“. In seiner Freizeit verwandelt er sich in die Fantasie-Figur „Macy M. Meyers“

SWR2 Tandem SWR2

Mehr queere Themen

Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur. Dragqueens erobern die Popkultur: Mehr Mainstream, weniger Hass?

Erst haben sich Dragqueens über ihr Make-Up amüsiert, dann hat die Schauspielerin Melissa McCarthy doch noch weltweit die Fans von sich überzeugt: als Meereshexe Ursula im Kinofilm “Arielle, die Meerjungfrau”. Ihre Figur soll von der Dragqueen-Ikone Divine inspiriert sein. Aber wie so oft bei Disney: Die queeren Rollen sind Bösewichte.
Was immer noch besser sei als gar keine queeren Menschen in der Popkultur zu haben, meint der Soziologe Jeff Manners. Dass die Dragkultur längst auch positiv den Mainstream prägt, betont die Dragqueen Betty BBQ aus Freiburg. Ihr Markenzeichen ist der Schwarzwald-Bollenhut. „Angekommen sind wir definitiv“, sagt sie. Was nicht gleichzusetzen sei mit sozial akzeptiert.
Drag-Kultur im Mainstream bedeutet nicht automatisch weniger Hass und Hetze gegen queere Menschen. Besonders in den USA tobt ein Kulturkampf: Ein Dutzend republikanisch geführter Bundesstaaten wollen Drag-Shows gesetzlich verbieten. Und in München platzt die CSU vor Wut über eine Kinderbuchlesung mit einer Dragqueen. “Populisten haben erkannt, dass man aus queeren Themen politisches Kapital schlagen kann, indem man Minderheiten zu Sündenböcken macht“, sagt Jeff Mannes. Für Betty BBQ eine beängstigende Entwicklung: „Ich habe mich die letzten 20 Jahre nie in einem Kulturkampf gesehen. Auf einen Schlag ist das anders, das belastet mich sehr.“
Diese Gleichzeitigkeit von Emanzipation und Repression - sie ist nicht neu, wie der Blick in die Geschichte zeigt. Der Historiker Benno Gammerl zieht mit uns Parallelen zum Deutschland der 1920er Jahre.
Habt ihr auch schon alle Staffeln der Serie „Pose“ über die Ballroom-Szene gesehen, irgendwann mal zu Madonnas „Vogue“ getanzt und sucht noch mehr Inspiration zum Thema? Mailt uns, auch mit Feedback und Themenvorschlägen, an kulturpodcast@swr.de!
Hosts: Kristine Harthauer und Philine Sauvageot
Showrunner: Stephanie Metzger
Benno Gammerls Buch “Queer. Eine deutsche Geschichte vom Kaiserreich bis heute”: https://www.hanser-literaturverlage.de/buch/queer/978-3-446-27607-9/
Die fünfteilige SWR-Dokuserie “Drags of Monnem”: https://www.ardmediathek.de/serie/drags-of-monnem/staffel-1/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9zZGIvc3RJZC8xNTMw/1

Posterboy eines neuen Männerbildes Harry Styles wird 30: Konzerte als Safe Space der Queerness

Harry Styles ist der Pop-Star der Stunde. Wie kaum ein anderer Sänger seiner Generation spielt er mit Geschlechterrollen, für queere Fans sind die Konzerte ein „geschützter Raum“.

LGBTQ+-Rechte Internationaler Tag gegen Trans- und Homophobie: Deutschland zeigt Willen zur Besserung

Beleidigungen, Verunglimpfungen, auch physische Gewalt – leider allzu häufige Erfahrungen queerer Menschen, fast überall. Auch hierzulande ist die Mehrheitsgesellschaft noch weit von einem tatsächlich toleranten Umgang mit diesen Personen entfernt. Daran erinnert der Internationale Tag gegen Homo-, Bi- und Transphobie.

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Dominic Konrad, Autor und Redakteur bei SWR Kultur und SWR Musik (Foto: SWR, Foto: Dominic Konrad)