David Fincher hat weltweit viele Fans. Jeder neue Film weckt höchste Erwartungen. In „The Killer“ erledigt ein Auftragsmörder seine Arbeit: In sechs Kapiteln und großartig choreografierten Sequenzen erzählt David Fincher mit Hauptdarsteller Michael Fassbender von einem Killer ohne Skrupel und Gnade. Ein eindringliches Kino-Erlebnis – mit gewissen Schwächen.
Der Mord aus der Sicht des Mörders
Ein Auftragsmörder erzählt die Geschichte dieses Films selbst, er steht ganz im Mittelpunkt. Wobei dieser innere Monolog nicht nur als ein Mechanismus für Spannung und Suspense dient, sondern auch als eine sehr effiziente Methode, den Ton und das Tempo des Films zu bestimmen.
Stumme Auftragskiller, die an die klösterliche Lebensweise und das Schießen ohne Fehlschuss gewöhnt sind, kennt jeder Kinofan - vor allem die Franzosen erzählen von ihnen, von „Samurai" von Jean-Pierre Melville bis Luc Bessons „Leon". Bei Fincher ist der Held allerdings kein Zyniker, sondern ein Pragmatiker, er ist frei von Gier und Prinzipien.
Für den Zuschauer bleibt die Story im Dunkeln
Im Wesentlichen ist der Film eine Ansammlung von atmosphärischen Sequenzen, die durch eine düstere Kameraführung und einen pulsierenden Soundtrack außerordentlich geschickt aufgebaut werden. Regisseur David Fincher verschwendet keine Zeit damit, dem Zuschauer die Gründe der Auftragsmorde zu erklären. Damit verzichtet die Regie bewusst auf jegliche emotionale Komponente, auf Nebenstränge oder Charakterbögen.
Dem Film fehlt jegliche Verbindung zur Hauptfigur, zu seinen Zielen und Ängsten, sowie Antworten auf die vielen Fragen, die aufgeworfen werden, über die Organisation von Attentätern, die zur Verfügung stehenden Mittel oder sogar greifbare Gründe für den Ursprung der Missionen.
Sechs singuläre Kapitel
„The Killer" ist in sechs Kapitel und einen Epilog unterteilt. Das hat Vor- und Nachteile. Jedes Kapitel fühlt sich wie wie eine Art Kurzfilm an, dessen Prämisse die Ermordung einer bestimmten Person ist.
Vor allem zwei Kapitel enthalten großartig choreografierte Sequenzen, die ganz für sich lohnen. Hauptdarsteller Michael Fassbender ist beängstigend faszinierend in seiner bedrohlichen und subtilen Darstellung eines Killers ohne Skrupel und Gnade.
Einsame Meuchelmörder im Kino
Fassbinders gelassene Erzählerstimme, die Kamera und der Soundtrack sind ausschlaggebend für die Wirkung des Films. Vor einem Vierteljahrhundert hat Jim Jarmusch in „Ghost Dog: Way of the Samurai" klar formuliert, warum wir uns so sehr zu einsamen Meuchelmördern im Kino hingezogen fühlen.
Sie sind die Erben der mittelalterlichen Ritter mit ihrem Ehrenkodex und ihrem Lehnsdienst. „The Killer" bricht mit diesem Muster. Sein Held mit den unzähligen Pseudonymen und falschen Pässen ist kein wandernder Ritter, sondern der Tod selbst, der mit sich Schach spielt.
Mehr Respekt vor David Fincher als Kino-Vergnügen
„The Killer" ist zweifellos der einfachste und geradlinigste Film in David Finchers Karriere, im Guten wie im Schlechten. Allerdings entfremdet das Fehlen einer emotionalen Ebene in Anbetracht der oberflächlichen, redundanten Handlung und die namenlosen Charaktere zusammen mit einer sich wiederholenden Struktur ohne zweite Handlungsbögen den Zuschauer allmählich von der ebenfalls unterentwickelten fiktiven Welt. Eher ein Fall von Respekt als von Vergnügen.
Trailer „The KIller“, ab 26.10. in ausgewählten Kinos. ab 10.11. auf Netflix
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