Kommentar

Nasen-Diskussion um Leonard Bernstein-Biopic: Darf Bradley Cooper einen jüdischen Dirigenten verkörpern?

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AUTOR/IN
Malte Hemmerich

Ein Biopic über den jüdischen Komponisten Leonard Bernstein sorgt für Diskussionen. Der Trailer zeigt Hauptdarsteller Bradley Cooper mit einer Nasenprotese. Das bediene antisemitische Vorurteile, so die Kritik. Doch die Nase ist kein Identitätsmarker, sie ist ein Individualitätsmarker, meint Malte Hemmerich. Immerhin sei die Familie Bernsteins mit der Darstellung einverstanden.

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 Die Nase von Cooper wirkt übertrieben groß

Im Trailer zum Biopic „Maestro“ über den Dirigenten und Komponisten Leonard Bernstein trägt der Schauspieler Bradley Cooper offensichtlich eine Nasenprothese. Das ist erstmal nichts Ungewöhnliches, Schauspieler werden in biographischen Filmen oft ihrem Original angepasst.

Doch, wie schon damals, als die ersten Bilder des Films veröffentlicht wurden, gibt es jetzt bei der Veröffentlichung des Trailers in den sozialen Medien Entrüstung. Wie könne man den jüdischen Bernstein denn mit so einer stereotypen großen Nase darstellen?

Eine Art „Jew-Facing“?

Coopers Nase fällt tatsächlich schon im Trailer prominent auf. Auf Bildern wirkt sie im Vergleich zum originalen Bernstein-Riechorgan fast übertrieben groß.

Den Vorwurf einer nicht ganz gelungenen Maske muss sich der Film vielleicht gefallen lassen. Aber: Ist die große Nase von Cooper für Bernstein auf einer Stufe mit Blackfacing zu sehen – also so, als wenn sich weiße Menschen schwarz schminken um schwarze Menschen zu spielen?

Einige Kommentare gehen sogar noch weiter und finden: Die Rolle hätte mit einem jüdischen Schauspieler besetzt werden sollen.

Jüdische Schauspielende sind nicht marginalisiert

Doch große Nasen kommen in allen Kulturen, Regionen und Religionen vor. Und somit ist auch der Vorschlag, Bernstein hätte unbedingt mit einem jüdischen Schauspieler besetzt werden sollen, problematisch.

Impliziert er nicht, dass hier dann automatisch eine große Nase vorhanden wäre? Und wenn nicht, wie hätte erst der Shitstorm ausgesehen, wenn der jüdische Schauspieler eine Prothese bekommen hätte?

Zum anderen gehören jüdische Schauspieler*innen nicht unbedingt zur marginalisierteren Gruppe in Hollywood. Der Vergleich mit anderen diskriminierten Gruppen, mit People of Color oder mit queeren Menschen hinkt also – zumindest in diesem ganz konkreten Fall.

 Bernsteins Erben kritisieren die Darstellung nicht

Aber natürlich sehen manche Kritiker*innen das Problem eher in den historisch gewachsenen Vorurteilen, der sogenannten Hakennase. Sofort ist die „Völkerkunde“ der Nazis präsent.

Bedient Cooper mit seiner Prothese denn nicht antisemitische Stereotype? Hier ist es interessant zu schauen, woher die Kritik an Coopers Darstellung kommt – oder eher woher sie nicht kommt.

Es sind weder jüdische Interessensverbände noch die Bernstein Erben. Im Gegenteil: Dass Cooper, der im Film auch Regie führt, Bernstein möglichst optisch originalgetreu darstellen wollte, eben als einen Menschen mit auffälliger Nase, war auch ein Wunsch der Kinder Bernsteins.

 Die Nase ist ein Individualitätsmarker

Die fühlten sich nun gestern genötigt, Cooper mit einem Statement-Satz beizuspringen: „Es ist wahr dass unser Vater eine schöne, große Nase hatte.“ Will sagen: Die Nase ist kein Identitätsmarker, sie ist ein Individualitätsmarker.

Und mal ganz nebenbei, denn das könnte in dieser auf Äußerlichkeiten sensibilisierten Debatte fast untergehen, war Bernstein übrigens auch einer der wichtigsten Musiker des letzten Jahrhunderts. Seine Nase hat jetzt unsere Aufmerksamkeit, seine Musik dann hoffentlich beim Filmrelease im Winter.

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