Film

John Malkovich brilliert als „Seneca“ – Bitterböse filmische Satire über Macht und Opportunismus

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AUTOR/IN
Rüdiger Suchsland

Die Rolle des Seneca, römischer Philosoph und Erzieher des Kaisers Nero, hat der deutsche Autorenfilmer Robert Schwentke seinem Hauptdarsteller John Malkovich in seinem aktuellen auf den Leib geschrieben. „Seneca“ ist eine tiefschwarze Satire über Gewalt und Macht voller Anspielungen auf das aktuelle Politikgeschehen.

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Opportunistischer Philosoph als Coach der Politik

Seneca, der römische Philosoph, den manche heute nur noch für einen Manager-Trainer halten, war eine jener Geistesgrößen, die zu Lebzeiten ganz nah an der Seite der Macht machen. Erzieher des Kaisers Nero, Redenschreiber, Politiker-Coach, ein Denker, der der Elite des römischen Reiches um 50 nach Christus angehörte. Dieser Seneca steht nun im Zentrum eines sehr besonderen Films. Der nimmt auf der einen Seite den Philosophen in seiner historischen Größe weitgehend ernst, auf der anderen erzählt er von ihm aber in Form einer Analogie auf heutige Politik und im Stil einer Theater-Inszenierung.

Selbstmord als Akt der Gnade Neros

Es geht los mit dem Ende. Seneca soll sterben. Ihn erreicht – in der Form höflich, im Inhalt gnadenlos – die Erlaubnis des römischen Diktator-Kaisers Nero, sich umzubringen. Selbstmord war in diesen Zeiten eine Gnade, denn sie bedeutete, dass einen der tyrannische Kaiser nicht einfach massakrierte.

Sterben ist nicht leicht, besonders, wenn man das gefordert hat

Der Film konzentriert sich auf die letzten 24 Stunden im Leben des Philosophen. Der lässt sein Leben Revue passieren, verabschiedet sich von seiner Frau, seinen Freunden. Er muss auch vor sich selbst beweisen, dass seine philosophischen Theorien, nach denen man den Tod verachten soll, auch in der Praxis Bestand haben. Das ist nicht leicht, denn das Sterben, erst recht das von eigener Hand, ist schwer.

Nero als „Mr. President“ – Donald Trump lässt grüßen

Der Seneca, den uns Robert Schwentke in einer abgründige Beinahe-Satire über Gewalt und Macht zeigt, ist eine weitgehend verachtenswerte Gestalt. Ein Opportunist, ein korrupter Diener der Macht, einer der vieles mit sich und vor allem mit anderen geschehen ließ, um selber auf der Sonnenseite des Lebens zu stehen. Kaiser –Nero ein verwöhntes böses Kind – ähnelt ebenfalls Figuren, die wir aus den aktuellen Abendnachrichten kennen. Man kann gar nicht anders als an Donald Trump zu denken, denn Nero wird in diesem Film „Mr. President“ genannt.

Alles andere als eine Geschichtslektion

Dies ist also ganz klar keine historisch korrekte Darstellung – Robert Schwentke tut noch nicht einmal so, als hätte er das hier im Sinn. Sein Film verfremdet und ist verspielt. Ein eigensinniger Film und alles andere als eine Geschichtslektion oder eine stoizistische Alltagsübung a la „Seneca für Manager“.

Trailer „Seneca“, ab 23.3. im Kino

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