Originell, schwarzhumorig und anrührend erzählt

Melancholische Tragikomödie aus Österreich: „Rickerl. Musik is höchstens a Hobby“ von Adrian Goiginger

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AUTOR/IN
Julia Haungs
Julia Haungs, Autorin  und Redakteurin, SWR Kultur (Foto: Julia Haungs)

Der erfolglose Liedermacher Rickerl, gespielt von Musiker Voodoo Jürgens, hangelt sich in Wiens Arbeiterviertel durchs Leben. Adrian Goiginger erzählt von ihm in einer melancholischen Tragikomödie, die direkt ins Herz geht und zugleich dem Austropop ein Denkmal setzt.

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Ein Film am Rand der Gesellschaft

Wenn Erich, genannt „Rickerl“, Bohacek in den verrauchten Eckkneipen von Wiens Arbeiterviertel auftritt, dann wird es den Menschen warm ums Herz. In seinen wehmütigen Liedern geht es um die verkrachten Existenzen, die Abgehängten, um den Rand der Gesellschaft, an dem er sich ebenso bewegt wie sein Publikum.

Die Austropop-Songs, die eng mit der Filmhandlung verwoben sind, stammen vom Singer-Songwriter Vodoo Jürgens, der zugleich die Hauptrolle spielt. Jürgens verkörpert Rickerl mit großer Authentizität als liebenswert-verpeilten Hänger, der sich in eine Vergangenheit ohne Smartphones und soziale Medien zurücksehnt.

Rickerl (Foto: Pressestelle, © Giganten Film / Pandora Film)
Singer-Songwriter Voodoo Jürgens, der bürgerlich David Öllerer heißt, ist mit seinem Austropop mit schwarzhumorigen Texten eine feste musikalische Größe in Österreich.

Deprimierendes Sozialdrama? Mitnichten!

Anders als der im realen Leben sehr erfolgreiche Voodoo Jürgens verdient Rickerl mit seiner Musik fast nichts. Seine Songtexte kritzelt er auf verknitterte Zettel und trägt sie in seinem Gitarrenkoffer mit sich herum. Für den Karriere-Durchbruch mangelt es dem Enddreißiger sowohl an Selbstorganisation als auch an Selbstvertrauen. Stattdessen ist er Stammgast beim Arbeitsamt, das ihn mal als Totengräber vermittelt, mal als Aushilfe in einem Sexshop.

Rickerl (Foto: Pressestelle, © Giganten Film / Pandora Film)
Rickerl versucht sich mit allen Mitteln über Wasser zu halten, was ihm nicht immer gut gelingt.

 „Rickerl. Musik is höchstens a Hobby“ könnte ein deprimierendes Sozialdrama sein über die von der Leistungsgesellschaft Aussortierten. Aber Regisseur Adrian Goiginger macht daraus eine melancholische Tragikomödie über einen, der sich stoisch den Zumutungen der Moderne verweigert.

Große Menschlichkeit

Wie ein Dokumentarfilmer taucht Giginger ein in die Welt und den Sound der rauchgeschwängerten Beisln. Dort lauscht er, wie Rickerl und seine Freunde in improvisiert wirkenden Dialogen über Gott und die Welt palavern – in einem faszinierend urwüchsigen Wiener Dialekt, für den der Film dankenswerterweise Untertitel anbietet.

Besonders anrührend wird es, wenn es um Rickerls Beziehung zu seinem sechsjährigen Sohn geht. Nach der Trennung von seiner Freundin sieht Rickerl Dominik nur jedes zweite Wochenende.

Rickerl (Foto: Pressestelle, © Giganten Film / Pandora Film)
Geld für Unternehmungen wie einen Kinobesuch hat Rickerl nicht immer übrig. Er versucht den Kleinen dennoch zu unterhalten und nimmt ihn zur Not auch mit in die Kneipe.

Mit großer Menschlichkeit erzählt Adrian Goiginger von dieser Vater-Sohn-Beziehung. Aufgrund von Rickerls Lebensumständen stößt sie zwar immer wieder an ihre Grenzen, lässt ihn aber auch wachsen. Denn er erkennt: nur, wenn er endlich Verantwortung für sein Leben übernimmt, kann er auch der Vater sein, den Dominik braucht.

Das Lebensgefühl des Austropop

Mit „Rickerl. Musik is höchstens a Hobby“ ist Adrian Goiginger ein ungewöhnlicher Film gelungen. Originell, schwarzhumorig und anrührend erzählt er über Familie und über ein Wiener Milieu, das mehr und mehr verschwindet. Gleichzeitig ist es ein wunderschöner Musikfilm, der das Lebensgefühl des Austropop in Bilder fasst: melancholisch, bitter und hoffnungsvoll zugleich.

Rickerl (Foto: Pressestelle, © Giganten Film / Pandora Film)
Mit Rickerls Ex, Viki, ist es lange aus. Sie lebt jetzt ein spießbürgerliches Leben in der Wiener Vorstadt mit einem anderen Mann, fühlt sich jedoch immer noch zu Rickerl hingezogen.

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