Zwischen Nordic Noir und antikem Drama

Arte-Serie „Hafen ohne Gnade“: Alte Familiengeheimnisse ans Licht gezerrt

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Karsten Umlauf

Le Havre ist die zweitgrößte französische Hafenstadt. Und als solche ein immer beliebterer Umschlagplatz für Drogen. Die arte-Serie „Hafen ohne Gnade“ spielt im Milieu von Hafenarbeitern. Sie erzählt von einem Patriarchen, der versucht, sich gegen die Drogenkartelle zu stemmen. Dabei wird die gewerkschaftliche Solidarität auf die Probe gestellt. Und durch seine Familie geht ein Riss, als seine alten Geheimnisse zu Tage treten.

Einsamer Kampf gegen die Drogen

Pierre Leprieur erhält an seinem 60. Geburtstag unangenehme Nachrichten. Seine erwachsenen Söhne sind in Schwierigkeiten. Der eine, Simon, rast bei einer Probefahrt in eine Polizeikontrolle. Im Auto finden sie eine große Menge Drogen versteckt, für die der andere, Jean, als Autohausbesitzer, verantwortlich gemacht wird. Pierre vermutet, dass es sich um ein Komplott gegen ihn handelt. Er ist Hafenarbeiter und von ganzem Herzen Gewerkschafter. Gegen Drogenhandel am Hafen hat er sein Leben lang angekämpft und sich dabei nicht nur Freunde gemacht. 

Filmstill (Foto: Arte/ © Alexandra Fleurantin)
Einst wurde der französische Hafen Le Havre als „Hafen der Gnade“ gegründet. Doch heutzutage werden die Docks beherrscht von Drogenhandel, Gewalt und Racheakten. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: Arte/ © Alexandra Fleurantin)
Der Gewerkschafter Pierre Leprieur (Olivier Gourmet, Mi) erfährt an seinem 60. Geburtstag, dass seine beiden Söhne in Drogengeschäfte verwickelt sind. Jean (li, Pierre Lottin) wird verhaftet. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: Arte/ © Alexandra Fleurantin)
Pierre wird ermordet, sein Tod löst ein gewaltiges Beben in der Familie Leprieur aus. Seine Frau Laurence erfährt, dass ihr Mann kurz vor seinem Tod alle Konten leergeräumt hat. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: Arte/ © Alexandra Fleurantin)
Die Hoffnung der Familie ruht auf Tochter Emma. Als Anwältin übernimmt sie die Verteidigung ihrer beiden Brüder. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: Arte/ © Alexandra Fleurantin)
Ihsan Bayar (Gringe) ist Polizeikommissar und kennt Emma Leprieur noch aus Schulzeiten. Er leitet die Ermittlung in dem Fall, in den Pierre und seine Söhne verwickelt sind. Der gewissenhafte Polizist weiß ganz genau, welche Gesetze am Hafen gelten und seine Arbeit erschweren. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: Arte/ © Alexandra Fleurantin)
Simon (Panayotis Pascot) ist der jüngste, rebellischste und behütetste Leprieur-Spross. Auch er ging seinen eigenen Weg, ließ sich mit Kleinkriminellen ein. Doch die Ereignisse führen ihn zurück ins Dockarbeiter-Milieu: Simon will den Mord an seinem Vater aufdecken. Bild in Detailansicht öffnen

Der Hafen als symbolische Festung

Die Serie von Vincent Cardona erzählt von der Gemeinschaft unter den Arbeitern, ihrem Selbstbewusstsein, das den Hafen mit seinem Ölgeruch und der surrealen Container-Architektur zu einer Art Festung macht. Die Geschichte wird aus Pierres Perspektive erzählt, seine Kommentare am Anfang und Ende jeder Folge sind manchmal etwas zu betulich, vermitteln andererseits aber schon fast biblisches Pathos.

Filmstill (Foto: Arte/ © Alexandra Fleurantin)
Der Gewerkschafter Pierre Leprieur (Olivier Gourmet, Mi) erfährt an seinem 60. Geburtstag, dass seine beiden Söhne in Drogengeschäfte verwickelt sind. Jean (li, Pierre Lottin) wird verhaftet.

Im Mittelalter hieß Le Havre noch „Hafen der Gnade“ und tatsächlich ist auch Pierre auf der Suche nach Vergebung. Denn auch er hat offensichtlich Schuld auf sich geladen und die Geschichte seiner Familie ist die seiner Geheimnisse. Da ist zum Beispiel eine afrikanische Prostituierte, die Pierre heimlich in seinem alten Elternhaus wohnen lässt. Oder sein Bruder Christophe, der nach 30 Jahren plötzlich wieder auftaucht.

Zwischen Sozialkitsch, skandinavischer Melancholie und Tarantino

Dass das alles nicht in Sozialkitsch abgleitet, liegt an sehr guten Schauspielern wie Olivier Gourmet als Pierre oder Panayotis Pascot und Pierre Lottin als seine Söhne, die in Frankreich eher durch Komödien bekannt sind.

Vom Look and Feel, der wortkargen Melancholie, erinnert „Hafen ohne Gnade“ an eine skandinavische Serie, andererseits hat sie Elemente von schicksalhaft antiken Dramen und riskiert dann wieder ästhetische Brüche mit Musik oder Zeitlupen, die schon fast an Tarantino erinnern. Das gibt dem bekannten Generationenthema einen sehr lohnenswerten Dreh.

„Hafen ohne Gnade“ bis 15.3.auf arte tv

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