Als Jessica Thijs ihren Laden in Gerolstein eröffnet hat, hatte sie einen Traum. Sie wollte nicht nur ihre eigene Chefin sein, sondern auch dem Verpackungsmüll den Kampf ansagen.
Im "Füll Mal" in der Fußgängerzone verkauft sie unverpackte Ware. Kunden können sich eigene Behälter mit Nudeln, Reis, Linsen oder Haferflocken voll machen. Es gibt Obst ohne Plastikfolie, Wurst, Käse und Joghurt aus der Region und selbst gebackene Nussecken.
Viel Liebe hat Thijs in das Sortiment gesteckt: "Und mein Herz sagt auch immer noch, dass das hier das Einkaufen der Zukunft ist." Doch ihr Kopf hat Zweifel. Denn die Geschäfte laufen schlecht - und das nicht nur bei ihr.
Mehrere Unverpackt-Läden mussten schließen
Die Unverpackt-Branche steckt in der Krise. Das geht aus den Angaben des Unverpackt-Verbandes hervor. Im Jahr 2022 allein hätten in Deutschland 41 Läden geschlossen, schreibt ein Pressesprecher.
Ende Juni hat etwa der Unverpackt-Laden in Koblenz dicht gemacht. Die Betreiber des Trierer Geschäftes haben ebenfalls Insolvenz angemeldet. "Es hat sich nicht mehr gelohnt", heißt es vom früheren Betreiber Sebastian Wirth. Der Insolvenzverwalter Alexander Kinn sucht nach eigenen Angaben einen Nachfolger für Trier.
Betreiberin: Nach der Eröffnung hat Laden "geboomt"
Auch Thijs weiß noch nicht, wie es weitergeht. Bis Ende Dezember bleibe ihr Laden auf jeden Fall offen, "aber wenn das Jahr aber so mies endet, wie es angefangen hat, starten wir im Januar mit dem Abverkauf."
Ihren Laden zu schließen, würde der jungen Unternehmerin nicht leicht fallen. Nach der Eröffnung habe der Betrieb ja noch "geboomt", sagt sie: "Doch mittlerweile sind wir irgendwie in Vergessenheit geraten. Wir haben Umsatzeinbußen von 50 Prozent."
Branche ist zu Anfang stark gewachsen
Auch diese Erfahrung macht die Eifelerin nicht alleine. Zunächst schien die Unverpackt-Idee einen regelrechten Hype auszulösen. In den Großstädten ging es los, bald eröffneten auch auf dem Land immer mehr Läden.
Corona und Inflation trüben das Geschäft
Dann verhagelten eine Reihe von Krisen das Geschäft, die man auch beim Unverpackt-Verband verantwortlich für die schlechte Lage macht. Viele Menschen bestellten lieber online als sie in den Innenstädten zu kaufen. Ein Trend, der durch die Pandemie verstärkt wurde.
Hohe Energiekosten und steigende Lebensmittelpreise Inflationsrate in Rheinland-Pfalz auf Rekordniveau
Die Inflationsrate in Rheinland-Pfalz steht auf einem neuen Höchststand. Die Verbraucherpreise sind im Vergleich zum Vorjahresmonat um acht Prozent gestiegen, so die Statistiker.
Hinzukommen die die hohen Preise. Viele Haushalte kaufen derzeit lieber im Discounter, um Geld zu sparen. Eine Entwicklung, die die gesamte Biobranche zu spüren bekommt.
"Die Leute haben weniger Geld in der Tasche", sagt Thijs. Das Thema "plastikfrei einkaufen" stehe da nicht mehr so im Vordergrund. Dennoch betont die Eifelerin: "Viele Produkte sind hier nicht teurer als im Supermarkt."
Verband weiterhin überzeugt von der Idee
Beim Unverpackt-Verband glaubt man trotz der Schwierigkeiten weiter an die Idee. "Unabhängig von der derzeitigen Situation sind wir davon überzeugt, dass das Konzept Unverpackt funktioniert, langfristig nachhaltig und zukunftsweisend ist", schreibt ein Pressesprecher.
Thijs ist inzwischen weniger optimistisch." Wir versuchen uns gerade gegenseitig in der Branche Mut zu machen", sagt die Eifelerin. Ihr bleibt nun nur noch zu hoffen, dass ihr Laden und ihr Konzept die Krisen übersteht.