Vor zehn Jahren übernahm Malu Dreyer das Amt von Kurt Beck und wurde damit die erste Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz. Bei den Wählerinnen und Wählern ist die heute 61-Jährige offenbar beliebt - zwei gewonnene Wahlen zeigen das.
Ministerpräsidentin Dreyer in Umfragen stets beliebt
"Was man aus den Daten herauslesen kann, die in Rheinland-Pfalz erhoben wurden: Dass man sich gut und sicher und verlässlich regiert fühlt von Malu Dreyer", so die Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach von der Freien Universität Berlin. Das zeige sich daran, dass Dreyer trotz aller Krisen, die das Land erlebt habe - insbesondere der Pandemie -, das Gefühl vermitteln konnte, die Lage im Griff zu haben.
Selbst die Opposition zollt ihr Respekt und bezeichnet Dreyer als sympathische Frau, wie der CDU-Parteivorsitzende in Rheinland-Pfalz, Christian Baldauf, im Interview mit dem SWR sagte.
Sympathisch - das dachten wohl auch die Wähler bei der ersten Landtagswahl mit Dreyer als Spitzenkandidatin 2016: Lange lag die SPD hinter der CDU-Herausfordererin Julia Klöckner. Malu Dreyer drehte die Stimmung in den letzten Wochen vor der Wahl und gewann.
Verkauf des Flughafens Hahn 2016: Dreyers erste Krise
Über ihr Erfolgsrezept sagt Dreyer im SWR-Interview: "Das wahre Geheimnis ist vielleicht auch, dass ich ja selbst dieses Motto geprägt habe: 'Die Zukunft ist meine Freundin.' Und ich glaube, dass das bei vielen Menschen auch ankommt, dass ich da ehrlich, fleißig und vor allem auch vorausschauend agiere - mit sehr viel Gestaltungslust und -wille gemeinsam mit den Menschen."
Doch schon kurz nach der Wahl 2016 geriet Dreyer erstmals in Bedrängnis: Der Verkauf der Flughafen Hahns an zwei chinesische Käufer, die sich als windige Aufschneider entpuppten, war ihre erste Krise. "Sie hat da damals eine sehr unglückliche Figur gemacht. Schon wenn man überlegt, an wen da verkauft wurde - nämlich Reifenhändler in China", erinnert sich Baldauf.
Dreyer muss einen Misstrauensantrag der Opposition im Landtag überstehen. "Das war auf jeden Fall eine sehr schwere Situation für mich, weil ich unmittelbar nach der Wahl ja gerade das Vertrauen der Bürger und Bürgerinnen gewonnen hatte", blickt Dreyer im SWR-Interview zurück.
Zehn Jahre Ministerpräsidentin Malu Dreyer "Die Verunsicherung ist einfach riesig, auch in der Bevölkerung."
Malu Dreyer (SPD) feiert heute ihre zehnjährige Amtszeit als Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz. Über ihre Erfolge, Krisen ihrer Regierungszeit und ihre Nachfolge spricht sie im Interview mit SWR Aktuell.
Wofür steht die Politik von Malu Dreyer?
Zwei Ampel-Koalitionen mit Grünen und FDP schafft sie danach weitgehend geräuschlos zu führen. Aber für welches politisches Thema steht Malu Dreyer eigentlich? Sie selbst sagt: "Eigentlich für ganz konkreten Wandel. Nämlich, dass durch Digitalisierung, durch Demografie, durch Klimawandel, das Leben und das Arbeiten sich vollkommen verändern."
Sie ist davon überzeugt, dafür die Weichen richtig gestellt zu haben und sagt: "Zukunft zu gestalten und dabei den Zusammenhalt und die Menschen im Blick zu haben. Das ist die Handschrift meiner Politik."
Gutes Krisenmanagement während Corona, und dann kam die Flut
Die SPD setzt fortan ganz auf Dreyers Popularität und gewinnt auch die Landtagswahl 2021. Die Koalition mit FDP und Grünen im Land bleibt an der Macht.
Aber wie schlägt sich Dreyer eigentlich in Krisen? In der Zeit der Corona-Pandemie hat man ihr ein sehr gutes Krisenmanagement über lange Monate hinweg attestiert, erklärt Politikwissenschaftlerin Reuschenbach. Doch die Zufriedenheitswerte und auch das Gefühl, dass man sich wenig Sorgen machen müsse, hätten sich nach der Flutkatastrophe im Ahrtal verändert.
Flutkatastrophe im Ahrtal - Dreyers schwerste Krise
Es ist wohl die schwerste Krise ihrer Amtszeit: die Flutkatastrophe im Ahrtal. Ein Untersuchungsausschuss fragt nach Fehlern und Versäumnissen. Zwei Minister mussten schon zurücktreten: die ehemalige Umweltministerin Anne Spiegel (Grüne) und Innenminister Roger Lewentz (SPD) - er war lange Vertrauter und Parteifreund von Malu Dreyer.
Nun steht sie selbst im Fokus der Opposition. Denn Malu Dreyer wusste früh in der Flutnacht, dass Spiegel und Lewentz, die beiden entscheidenden Minister, nicht miteinander kommunizierten. Das sei verheerend gewesen, so Baldauf: "Sie ist Chefin einer Regierung und damit auch Chefin eines Kabinetts. Sie hätte sich proaktiv einschalten müssen, hätte einen Krisenstab zusammenrufen müssen und dafür sorgen müssen, dass die beiden Häuser miteinander kommunizieren", erklärt Baldauf.
Man hätte die Katastrophe nie ganz vermeiden können, aber man hätte Menschen warnen können, bevor sie beispielsweise im Schlaf ertrunken sind, so der Oppositionsführer der CDU im SWR.
Warum entschuldigt sich Dreyer nicht bei Menschen im Ahrtal?
Im Ahrtal warten viele Menschen seit Langem auf eine Entschuldigung der Ministerpräsidentin, doch mag sie die nicht geben. Auf Nachfrage des SWR sagt sie: "Ich habe den Menschen auch schon sehr häufig gesagt, dass diese Katastrophe und vor allem das Leid für die Menschen mich wirklich bis ins Innerste trifft und mir tut das wahnsinnig leid, was Menschen da erleiden mussten und bis zum heutigen Tage an Folgen zu tragen haben."
Politikwissenschaftlerin Reuschenbach vermutet eine Strategie hinter der Weigerung einer Entschuldigung: "Eine persönliche Entschuldigung von Frau Dreyer würde sicherlich auch dazu führen, dass eine neue Debatte entbrennt über die Verantwortung, also die Frage, ob wer sich entschuldigt, auch die Konsequenzen daraus ziehen muss." Daran könne sie kein Interesse haben.
Doch Malu Dreyer hat nicht vor, sich allzubald zu verabschieden: "Nein, im Moment ist es so: Ich habe Kraft, ich habe Lust, ich hab Energie, ich freue mich auf die nächsten zehn Jahre." 61 Jahre ist Dreyer mittlerweile - über Nachfolger will sie noch nicht sprechen.