In Gomaringen (Kreis Tübingen) sorgt eine Solaranlage im Wohngebiet für Ärger. Der 82-Jährige Willi Kemmler hat sich gleich zehn Suntracker in den Garten seiner Mietshäuser gestellt. Das sind Solaranlagen, die sich nach der Sonne richten, um möglichst viel Strom zu erzeugen. Seit Juli 2023 stehen sie, dürfen aber nicht ans Netz. Denn Kemmler braucht eine Baugenehmigung für seinen Solarpark. Er interpretiert die Rechtslage allerdings anders. Die Bauarbeiten gemeldet haben die Nachbarn.
Nachbarn in Gomaringen haben Bau der Anlage gemeldet
"Ich war geschockt, als ich ein Telefonat bekam", beschreibt Kemmler den Moment, als er von der fehlenden Baugenehmigung erfährt. Am 4. Juli um 12:30 Uhr seien seine Handwerker dann nach Hause gegangen.
Was war passiert? Kemmler rodete seinen Garten, um die zehn bewegliche Solaranlagen aufzustellen, um möglichst viel eigenen Strom für seine Mieter zu produzieren. Der 82-Jährige war und ist sich sicher, dafür braucht er keine Baugenehmigung. Der Nachbarschaft blieb das auffällige Vorhaben natürlich nicht verborgen. Sie machte die zuständigen Behörden auf die Bauarbeiten aufmerksam.
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Landratsamt Tübingen: Solaranlage ist genehmigungspflichtig
Tatsächlich fallen "Anlagen zur photovoltaischen und thermischen Solarnutzung", wie sie in der Landesbauordnung bezeichnet werden, bis zu einer Höhe von drei Metern unter die Kategorie "verfahrensfreie Vorhaben".
Kemmlers Anlagen jedoch überragen diese Höhe je nach Winkel, in dem sie zur Sonne stehen, um bis zu 50 Zentimeter. Schon allein deshalb sei der kleine Solarpark genehmigungspflichtig, argumentiert das Landratsamt Tübingen. Hinzu komme, dass gleich zehn dieser Suntracker aufgestellt wurden und die Anlage damit als gewerblich einzustufen sei.
Bauherr vermutet Verschwörung gegen ihn
Der Bauherr möchte diese Argumente nicht gelten lassen. Er vermutet, dass Gomaringens Bürgermeister Steffen Heß (parteilos) und Landrat Joachim Walter (CDU) persönlich die Baugenehmigung verhindern, um ihm zu schaden.
Nach eigenen Angaben hat er einen sechsstelligen Betrag in die Solaranlage gesteckt. Einen Bauantrag reicht Kemmler im August nach, im November ist das Formular vollständig. Daraufhin fordert das Landratsamt einen Nachweis von ihm, dass sein Solarpark niemanden blendet.
Hersteller von PV-Anlage: Module blenden nicht
In einem Schreiben an Kemmler, das dem SWR vorliegt, hat Landrat Joachim Walter vorgeschlagen, dass der 82-Jährige eine Skizze anfertigt, wie die Sonne morgens und abends von seinen Suntrackern reflektiert wird. Dies reiche als Nachweis. "Wir müssen es bei einer gewerblichen Anlage prüfen - schlicht und ergreifend", sagt Joachim Walter auf Nachfrage.
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Der Hersteller der Solaranlagen bewirbt sie als "blendfrei". Da sich die PV-Module nach der Sonne ausrichten und im Optimalfall senkrecht zu ihr stehen, um möglichst viel Strom zu produzieren, könnten sie gar niemanden blenden. So sieht es Kemmler. Walter sagt, es geht darum, Einwände gegen die Anlage abzuweisen und dafür brauche es ein bisschen mehr.
Nachbar: PV-Anlage passt nicht ins Wohngebiet
Die Einwände gegen Kemmlers Solaranlage kommen aus der Nachbarschaft. Viele Nachbarn ärgern sich im Gespräch mit dem SWR über die mediale Berichterstattung über die Anlage. "Mit uns hat bisher keiner gesprochen", heißt es. "Wenn die Anlage jemand anderes gebaut hätte, wäre die längst weg", lautet eine Vermutung. Öffentlich wollen die meisten Nachbarn ihren Namen jedoch nirgends lesen.
Außer Dieter Walker, er ist bereit, sich öffentlich zu äußern. Walker hat vom Aufbau der Solaranlagen erst erfahren, als sie vom Lkw abgeliefert wurden. "Finde ich nicht korrekt sowas. Am liebsten wäre es mir natürlich, wenn das wieder abgebaut wird", sagt der Nachbar von Gegenüber. Walker sagt, er hat eine Wohnung im Wohngebiet gekauft und nicht im Industrie-Mischgebiet.
Der Solarstreit von Gomaringen strahlt mittlerweile bis ans Verwaltungsgericht Sigmaringen aus. Dort klagt Kemmler gegen das Landratsamt, weil es ihm die Genehmigung verweigert. Als Skizze hat der 82-Jährige eine allgemeine Erklärung des Reflexionsgesetzes von einer Online-Seite für Physik-Lehrkräfte geschickt: Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel. "Das ist Physik und gilt auch in Deutschland im Kreis Tübingen", fügt der Bauherr hinzu.