Regen, Regen, Regen: Der Deutsche Wetterdienst (DWD) erwartet in Teilen Baden-Württembergs unwetterartige Niederschlagsmengen. Für die östlichen Regierungsbezirke Stuttgart und Tübingen rief der DWD am Freitagnachmittag die höchste Warnstufe 4 von 4 ("extrem ergiebiger Dauerregen") bis Sonntag, 24 Uhr aus. "Da fällt quasi eine Monatsmenge Regen innerhalb von zwei Tagen", sagte ein DWD-Meteorologe. "Es ist vergleichbar mit den Regenmengen, die vor Kurzem im Saarland herunterkamen."
Die aktuellen Entwicklungen jetzt in unserem Liveticker:
Das war der Liveticker zu den Überflutungen in Baden-Württemberg Hochwasser in BW: ++ Pegelstände sinken ++ Fäkalien fließen auf Spielplatz ++ Frau aus Baum gerettet ++
In den meisten Hochwasser-Gebieten in Baden-Württemberg entspannt sich die Situation mehr und mehr. In vielen Orten laufen die Aufräumarbeiten. Hier alles Wichtige im Rückblick.
Wie sich diese Regenmengen auswirken, könne man noch nicht sagen. Es komme etwa darauf an, was Flüsse verkraften, ob es Ausweichwiesen gibt und welche Hochwassermaßnahmen es gibt. Für die westlichen Regierungsbezirke Karlsruhe und Freiburg wurde eine Unwetterwarnung der Stufe 3 ("ergiebiger Dauerregen") herausgegeben - für den Regierungsbezirk Freiburg bis Samstag um 15 Uhr, für Karlsruhe bis Sonntag, 24 Uhr.
Menschen in Meckenbeuren sollen die Wohnungen verlassen
Wegen akuter Hochwassergefahr wird rund 1.300 Menschen in Meckenbeuren im Bodenseekreis geraten, ihr Zuhause zu verlassen. Dies gelte unter anderem für die Ortsteile Brochenzell, Kehlen, Gunzenhaus sowie Sammletshofen und Furtesch. Es handele sich um keine Evakuierung, sondern um eine Empfehlung, sagte eine Sprecherin der Gemeinde in Oberschwaben am Freitagabend. Es wird laut Mitteilung damit gerechnet, dass die anhaltend starken Regenfälle insbesondere zu extremem Hochwasser im Fluss Schussen führen, auch das Risiko für weitere Flüsse im Gemeindegebiet steige. Die Feuerwehr informiert den Angaben zufolge mit Durchsagen die betroffenen Anwohner, die für die kommenden Nächte bei Angehörigen oder Freunden unterkommen sollen. Alternativ gibt es einen Schutzraum in einem Bildungszentrum, weitere Unterkünfte etwa in der Schule seien in Vorbereitung.
"Wir hoffen immer noch, dass sich die Wetterlage etwas entspannt und die Hochwasserpegel weniger dramatisch ausfallen als vorhergesagt», so Bürgermeister Georg Schellinger laut Mitteilung. "eute Nacht überschreiten wir möglicherweise den Höchststand früherer Schussen-Hochwasser. Deshalb haben wir schon heute mit der Evakuierung begonnen. Wir möchten, dass sich die Menschen in Ruhe auf die herausfordernde Lage einstellen, ihre Sachen packen und vielleicht bei Freunden unterkommen können -und nicht in der Nacht aus den Betten gerissen werden."
Rettungskräfte weiter im Einsatz Weiterhin angespannte Hochwassersituation in Meckenbeuren
Am Bodensee, in Oberschwaben und im Allgäu hält der Dauerregen an. In Meckenbeuren (Bodenseekreis) und Ochsenhausen (Kreis Biberach) ist die Lage besonders angespannt.
Anwohner in Weingarten sollen Untergeschosse meiden
Viele Bewohner der Stadt Weingarten bei Ravensburg sollen die Untergeschosse meiden und auf keinen Fall im Keller schlafen. Diese Empfehlung gab die Feuerwehr am Freitagabend heraus. Wer bei Verwandten und Freunden außerhalb der von steigenden Pegelständen gefährdeten Gebiete übernachten könne, solle dorthin ausweichen. "Vorsorglich können Sie noch versuchen, wertvolle Gegenstände aus Keller oder Erdgeschoss nach oben zu bringen", hieß es auf der Seite der Einsatzkräfte. "Es ist leider zur Zeit unklar, wie schnell die Pegel im weiteren Verlauf steigen werden. Daher gilt besondere Vorsicht!" Bettlägrige und betreuungsbedürftige Menschen sollten sich bei einer Hotline melden. Wie ein Reporter vor Ort berichtete, machte die Feuerwehr am späten Abend in den betroffenen Straßen auch entsprechende Durchsagen. Die Stadtverwaltung war zunächst nicht erreichbar.
Bürger sollen NINA-Warnapp installieren und Smartphone nicht ausschalten
Der Landkreis Ravensburg teilte am Freitagabend mit, es sei nicht auszuschließen, dass einzelne Städte oder Gemeinden möglicherweise Evakuierungsentscheidungen treffen könnten. Er bat "Bürgerinnen und Bürger noch einmal nachdrücklich, sich die NINA-Warnapp auf das Handy zu laden und diese so einzustellen, dass bei einer Evakuierungsmeldung ein Alarm ertönt. Dazu muss das Handy angeschaltet sein und darf sich nicht im Flugmodus befinden."
Regenmengen bis zu 150 Litern pro Quadratmeter erwartet
Am stärksten sind dem Meteorologen zufolge die Regionen Oberschwaben und Ostalb betroffen. So werden in Ravensburg etwa Niederschlagsmengen zwischen 60 und 100 Liter pro Quadratmeter erwartet. Im südlichen Oberschwaben sowie auf der Ostalb können demnach sogar extreme Regensummen von bis zu 150 Liter pro Quadratmeter erreicht werden. Starker Dauerregen wird auch in der Region Heilbronn-Franken sowie der Bodenseeregion und im Allgäu erwartet.
Deutscher Wetterdienst Unwetterwarnung für Baden-Württemberg
In Teilen Baden-Württembergs kann es zu Unwettern kommen. Der Deutsche Wetterdienst informiert laufend.
Hochwasser-Warnung für Osten Baden-Württembergs
Entsprechend nimmt für den Osten des Landes die Gefahr von sehr großen Hochwassern und Überschwemmungen zu. Laut Hochwasservorhersagezentrale (HVZ) der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg sind insbesondere in Oberschwaben Hochwasser denkbar, wie sie nur einmal in 50 bis 100 Jahren zu erwarten sind. Dies betreffe beispielsweise die Bodenseezuflüsse Schussen und Argen sowie die Donauzuflüsse Riss und Rot.
Teilweise sind die Pegel schon stark angestiegen, manche um über einen Meter - wie der Pegel der Schussen in Meckenbeuren (Bodenseekreis). In einzelnen Gemeinden der Region wurden Sandsäcke gefüllt.
Die Gefahr von Hochwasser besteht außerdem für die östlichen Neckarzuflüsse wie Erms, Fils, Rems und Kocher sowie den Neckar selbst. In der Region Stuttgart gilt eine Hochwasserwarnung für die Kreise Esslingen und Göppingen. Im Landkreis Esslingen stehen laut Landrat Heinz Eininger (CDU) mehr als 2.000 befüllte Sandsäcke zur Verfügung, weitere könnten in kürzester Zeit befüllt werden. In Künzelsau (Hohenlohekreis) tritt der Kocher bereits fast über das Ufer.
Schiffsverkehr auf Neckar und Rhein betroffen
Die HVZ geht davon aus, dass die Hochwasser im Osten des Landes in der Nacht von Freitag auf Samstag ihr Maximum erreichen. Es sei allerdings damit zu rechnen, dass die Pegelstände danach auf einem sehr hohen Niveau bleiben, so eine Hydrologin der HVZ.
In der Region Stuttgart soll die Schifffahrt auf dem Neckar spätestens in der Nacht von Freitag auf Samstag eingestellt werden, wie das Schifffahrtsamt dem SWR mitteilte. Der Pegelstand in Plochingen steige aufgrund des Dauerregens stark an. Die Schiffe kommen dann nicht mehr unter den Brücken durch und die Strömung wird zu kräftig. Bei weiterem Dauerregen könnte laut Schifffahrtsamt der Verkehr auf dem Neckar erst am Montag wieder aufgenommen werden. Die angeschwemmte Sandmenge am Grund müsse geprüft werden. Zudem könnten sich auch die Markierungstonnen für die Fahrrinnen durch Treibgut stark verschieben.
Im Verlauf von Samstag auf Sonntag können sich laut HVZ große Hochwasser an den Neckarpegeln Gundelsheim und Heidelberg ausbilden. Zudem seien zwei- bis zehnjährliche Hochwasser am Hoch- und Oberrhein möglich. Wegen des Hochwassers könnte der Rhein für die Schifffahrt gesperrt werden. An den Rheinzuflüssen wie Murg und Pfinz wird ebenfalls Hochwasser erwartet.
Katastrophenfall im bayrischen Landkreis Günzburg
Jenseits der Landesgrenze ist im bayerischen Landkreis Günzburg am Freitagabend wegen extremen Dauerregens und der erwarteten Hochwasserlage der Katastrophenfall ausgerufen worden. Es gehe darum, die potenziell betroffenen Städte und Gemeinden besser unterstützen zu können, sagte eine Sprecherin des Landratsamts. Noch am Freitagabend wurden die Campingplätze an den Flüssen Günz, Kammel und Mindel geräumt.
Leipheim im Kreis Günzburg geht nach eigenen Angaben für die kommenden Tage von einem hundertjährigen Hochwasser aus. Das dortige Donau-Wasserwerk sei sicherheitshalber am Freitag abgeschaltet worden, die Wasserversorgung erfolge über ein anderes Wasserwerk, teilte Bürgermeister Christian Konrad mit.
Mehrfamilienhaus in Lindau evakuiert - Straßen überflutet
Nach starkem Regen und Überflutungen ist ein Mehrfamilienhaus in Lindau am Bodensee vorsorglich evakuiert worden. Weil Wasser eingedrungen war, habe die Möglichkeit eines Kurzschlusses bestanden, sagte eine Sprecherin der Stadt am Freitagabend. Die Bewohner des Hauses wurden demnach mit einem Bus zu einer Turnhalle gebracht, in der sie die Nacht verbringen konnten. Einige Straßen und Unterführungen im Stadtgebiet seien überflutet, der Stadtbus-Verkehr sei eingestellt, so die Sprecherin weiter. Feuerwehr und Technisches Hilfswerk seien im Dauereinsatz. Es gebe regelmäßige Lagebesprechungen zwischen Rettungskräften, Feuerwehr, Polizei und Landratsamt.
Die Wettervorhersage vom Freitagabend im Video:
Überschwemmungen auf zwei Arten denkbar
Die Experten erwarten in betroffenen Flüssen und Bächen von Freitag an sehr deutliche und rasche Anstiege, insbesondere an den Donauzuflüssen. Verlässliche Abschätzungen dazu, wie hoch die Pegel steigen könnten und wann Scheitelpunkte erreicht würden, seien aufgrund von Unsicherheiten in der Niederschlagsvorhersage derzeit noch nicht möglich, so die HVZ.
Hochwasser und Überschwemmungen könnten grundsätzlich auf zwei Arten entstehen, sagte die HVZ-Hydrologin. Demnach treten entweder Flüsse durch ergiebigen Niederschlag über die Ufer oder es kommt durch Starkregen oberflächlich an einzelnen Punkten zu großen Wassermassen. Durch die aktuell vorhergesagten Niederschlagsmengen könne beides auftreten, sagte die Expertin.
Wetterdienst warnt: "Gefahr für Leib und Leben"
Einwohnerinnen und Einwohner von Regionen, in denen Hochwasser droht, sollten sich auf die Situation einstellen, indem sie beispielsweise Wertgegenstände vom Keller in höhere Stockwerke bringen.
Der DWD warnt außerdem davor, dass Straßen und Unterführungen bei heftigem Regen schnell überflutet werden können. "Gefahr für Leib und Leben durch Überflutungen", hieß es. Auch Aquaplaning auf Fahrbahnen ist möglich - damit steigt die Gefahr von Verkehrsunfällen. Außerdem könne es zu Erdrutschen kommen. Vor kurzem kam es in Gemmingen (Kreis Heilbronn) innerhalb kürzester Zeit zu einem "Jahrtausend-Unwetter."
Mancherorts bereitet man sich schon auf die Wettersituation vor, zum Beispiel in Eberbach am Neckar (Rhein-Neckar-Kreis). Für den Samstag ist ein Pegelstand von 6,20 Metern am Messpunkt Rockenau vorhergesagt. Das sei noch nicht "sehr kritisch", so Reiner Minges vom Ordnungsamt der Stadt, aber man bereite sich dennoch vor - zum Beispiel entlang der Bundesstraße B37. Die Stadt Heidelberg richtet laut Mitteilung wegen des erwarteten Anstiegs des Neckars Umleitungen ein und gibt Sandsäcke an Anwohner aus.
Auch die Gemeinde Illerkirchberg (Alb-Donau-Kreis) bereitet sich auf die angekündigte mögliche Hochwasserlage vor. Die beiden Ortsteile Ober- und Unterkirchberg sind in der Vergangenheit immer wieder von Überschwemmungen betroffen gewesen. Auch in vielen anderen Orten in der Region bereitet man sich auf Überschwemmungen vor. Die gestiegenen Hochwasserpegel an Donau, Iller, Riss, Brenz und Kocher würden weiter genau beobachtet, heißt es seitens der örtlichen Feuerwehren.
Veranstaltungen wegen Dauerregens abgesagt
Wegen des Dauerregens wurden Veranstaltungen im Land abgesagt, beispielsweise der für Samstag vorgesehene Beginn der Reihe "Kultur in der City" in Heidenheim und der ebenfalls für Samstag geplante Gässlesmarkt in Schorndorf (Rems-Murr-Kreis). Auch die für das Wochenende von Freitag an geplante Living-History-Veranstaltung im Odenwälder Freilandmuseum in Walldürn-Gottersdorf (Neckar-Odenwald-Kreis) findet wetterbedingt nicht statt. Bei Braunsbach (Kreis Schwäbisch Hall) wurde ein Campingplatz geräumt.
Landesturnfest im Schussental abgebrochen
Am späten Freitagabend haben der Schwäbische Turnerbund und die Kommunen im mittleren Schuseental darüber hinaus bekannt gegeben, das Landesturnfest vorzeitig abzubrechen. Die beteiligten Städte und Gemeinden Ravensburg, Weingarten, Baienfurt, Baindt und Berg sowie der Schwäbische Turnerbund hätten "schweren Herzens entschieden, dass aufgrund der anhaltenden Hochwassersituation ab heute, 31. Mai, 24 Uhr, keine weiteren Veranstaltungen, Wettkämpfe und Mitmachangebote des Landesturnfestes mehr stattfinden".
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