Nach knapp zehn Jahren ist Birgitte Nyborg zurück! Die sympathische Politikerin ist in der neuen, inzwischen vierten „Borgen“-Staffel dänische Außenministerin und hat mit einem Ölfund in Grönland zu kämpfen. Dabei geraten Energiepolitik, weltpolitische Interessen und ihre Überzeugungen in Konflikt. Die großartige Fortsetzung ist nah an der politischen Aktualität und die Hauptfigur kämpft mit ungewohnt harten Bandagen.

Die Spitzenpolitikerin ist härter und berechnender geworden
Birgitte Nyborg hat Schweißausbrüche, Hitzewallungen, manchmal hilft der Föhn unter den Achseln, manchmal muss eine neue Bluse her. Birgitte Nyborg ist dänische Außenministerin in einer Koalitionsregierung und sie ist in den Wechseljahren.
Was für sie kein allzu großes Problem ist. Aber es zeigt auch denen, die Borgen bisher noch nicht kannten, wie diese Serie funktioniert: hier ist eine Spitzenpolitikerin, die ein ganz normaler Mensch bleibt: zu Hause ist die geschiedene Mutter von zwei Kindern meist allein, es sei denn ihr Sohn Magnus kommt vorbei.
Sidse Babett Knudsen verkörpert sie vom ersten Moment an als ungemein aufgeräumte Figur, die härter erscheint als früher, berechnender und damit vielleicht sogar noch ein bisschen interessanter

Ein riesiger Ölfund in Grönland bringt Nyborg in Bedrängnis
Ins Schwitzen bringt die Vorsitzende der Neuen Demokraten auch ein riesiger Ölfund in Grönland. Umwelttechnisch hochproblematisch. Aber die Grönländer erhoffen sich, damit die vollständige Unabhängigkeit erlangen zu können.
Die Beteiligung eines russischen Oligarchen an der Ölfirma bringt Nyborg in Bedrängnis. Die überzeugte Klimapolitikerin sitzt plötzlich zwischen vielen Stühlen, wird medial in die Mangel genommen und muss schließlich ihre Politik ändern, um im Amt zubleiben

Erzählerisch so gut wie die Vorgänger-Staffeln
Von der erzählerischen Qualität knüpft de Serie von Drehbuchautor Adam Price nahtlos an die alten Staffeln an. Das liegt vor allem an den lebendigen, nie nur schwarzweiß gezeichneten Figuren: da ist der unerfahrene, aber sympathisch-intelligente Arktisbotschafter Asger; der stolze aber auch etwas naive grönländische Außenpolitiker Hans oder die der Wahrheit, aber auch dem Prestige verpflichtete Journalistin Katrine, die noch mit ihrer neuen Führungsposition fremdelt

Was macht gute politische Führung aus?
Natürlich wird Politik hier auch verkürzt und zugespitzt dargestellt. Aber trotzdem hat man den Eindruck, dass die Frage, was gute politische Führung ausmacht, sehr ernsthaft durchgespielt wird – entlang aktueller politischer Debatten wie Klimapolitik, Postkolonialismus, selbst der Ukrainekrieg spielt mit hinein.
Verderben „Macht und Ruhm“ also doch den Charakter?
Und die Serie kann die Balance aus Geopolitik, Intrigen und zwischenmenschlichen Spannungen gut halten, weil Sidse Babett Knudsen ihre Hauptfigur weiterentwickelt. Nicht mehr nur als nahbares und progressives Gegenbild zu einer vielleicht spröden Angela Merkel, jetzt geht sie auch mal in Gerhard Schröder Nonchalance über Argumente und Menschen hinweg und entwickelt ein erotisches Verhältnis zur Macht.
Verderben „Macht und Ruhm“ also doch den Charakter? In einem Slogan über die dänische Regierung heißt es zu Anfang: „Die Zukunft ist weiblich“. Das mag sein. Aber es macht die Zukunft nicht automatisch sympathisch.
Mehr Serien in SWR2
Erfolgreiche Coming-of-Age-Serie Vierte Staffel „Sex Education“ – Mutmacher für „obenrum“ und „untenrum“
Die vierte und wohl letzte Teil der erfolgreichen britischen „Sex Education“ auf Netflix führt den Otis Milburn und seinen besten Freund Eric an das Cavendish College. Selbstbestimmung und sexuelle Toleranz werden hier ganz groß geschrieben.
Serie Arte-Serie „Cry Wolf“: Ein weiteres Highlight aus Dänemark
Die dänische Autorin Maja Jul Larsen ist mit ihrer Arbeit für die Politserie „Borgen“ bekannt geworden. Auf ARTE läuft jetzt die erste Serie, die sie komplett selbst verantwortet: „Cry Wolf“ handelt von einem Verdacht häuslicher Gewalt. Aber ob die 14-jährige Holly wirklich von ihrem Stiefvater geschlagen wurde, lässt sich nicht beweisen.
ARD-Serie Vergewaltigung oder nicht? Autorin Julia Penner über ihre ARD Serie „37 Sekunden“
Nein heißt nein, das gilt im Sexualstrafrecht. Aber nein sagen und damit respektiert zu werden, ist schwer. Das wissen wir seit #metoo und das zeigt eindrücklich die neue ARD-Serie „37 Sekunden" von Autorin Julia Penner: Nach der Affäre mit dem Rockmusiker Carsten beschuldigt Nachwuchssängerin Leonie ihn der Vergewaltigung.