ARD-Serie zum Kafka-Jahr

Überraschende Seiten einer Literatur-Ikone: ARD-Serie „Kafka“ von Daniel Kehlmann

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Karsten Umlauf
Karsten Umlauf (Foto: SWR, Keine Angabe -)
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Dominic Konrad

Das Kafka-Jahr bietet neue Auseinandersetzungen mit Schriftsteller im Kino und auch im Fernsehen. Die ARD widmet Franz Kafka eine sechsteilige Serie, geschrieben von Besteller-Autor Daniel Kehlmann und inszeniert von David Schalko. Vor allem auf künstlerischer Ebene zeigt die Serie überraschende Seiten des Literaten auf.

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Kafka erleben mit kindlicher Neugier

Die Erzählerstimme von Michael Maertens führt einen heran an die Biografie von Franz Kafka. Allerdings mit der kindlichen Neugier eines Modellbauers, der jedesmal versucht, sein Objekt von einer anderen Seite aufzubauen und ihm vielleicht noch etwas näher zu kommen

Kafka - Die Serie: Max Brod (David Kross) küsst Franz Kafka (Joel Basman) am Bahnhof auf die Stirn (Foto: ard-foto s2-intern/extern, NDR / Superfilm)
Franz Kafka (Joel Basman, rechts) ist gefangen in seinem Arbeistalltag und wird von seinem herrischen Vater gegängelt. Max Brod (David Kross) erkennt sein Talent und wird zu seinem großen Förderer und Herausgeber seiner Werke.

Jede der sechs Folgen zeigt Franz Kafka aus einer anderen Perspektive: Sein Freund Max Brod, der ihn fördert, seine Familie, sein Arbeitsplatz bei der Prager Arbeiter und Unfallversicherung, der ihm das Schreiben nur in der Nacht erlaubt. Und dann die Frauen seines Lebens: Felice Bauer, Dora Diamant oder Milena Jesenska, mit der er sogar einen Anflug von Romantik erlebt.

Kein Interesse an Doku-Drama

Kafka in einem quasi dokumentarischen Biopic abzubilden, sagt Regisseur David Schalko, hat ihn und den Autor Daniel Kehlmann nicht interessiert. Die Serie fußt auf der Biografie des Literaturwissenschaftlers Rainer Stach, der unter anderem recherchiert hat, was und wie Kafka gegessen oder welche Dienstreisen er unternommen hat.

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Und wie dieses Leben seinen Niederschlag gefunden hat in Kafkas Werk. In der Serie sind die Übergänge zwischen Realität und Fiktion fließend. Nach einem schrecklichen Abendessen mit den Eltern stellt sich Kafka etwa vor, als Käfer aufzuwachen. Das Postamt, in dem Max Brod arbeitet, ist ein Spiegelkabinett, eine unendliche Flucht von Schreibtischen.

Kafka - Die Serie: Franz Kafka (Joel Basman) am Tisch zwischen mehreren Kollegen (Foto: ard-foto s2-intern/extern, NDR / Superfilm)
Kein Glück im Beruf: Kafka (Joel Basman) scheitert am Druck und der Eintönigkeit seiner Arbeit bei einem Versicherungsunternehmen.

Kafkas Welt, wie man sie aus der Literatur kennt – verschroben, erratisch, bürokratisch – dringt in den Szenen immer wieder durch. Die Dialoge stammen teilweise aus seinen Erzählungen und Briefen. Und das ergibt insgesamt einen fast schon theaterhaften Rahmen, eine faszinierende Bühne für große Schauspielkunst.

Lesenswert auf Kafkas Spuren mit Daniel Kehlmann und David Schalko

Altersfreigabe: ab 0 (verfügbar von 0 Uhr bis 24 Uhr)

Joel Basman brilliert als Franz Kafka

Allen voran muss man den Hut ziehen vor Joel Basmann, der sich Franz Kafka mit leicht gedehnter Sprechweise, einem meckernden Lachen und pedantischer Naivität nähert. Verklemmt und blitzgescheit. Ein Mann, der innerlich von Gesetzen, Verboten und Ängsten gefangen ist, aber mit seiner einzigartigen literarischen Stimme viel Sinn für absurde Komik entwickelt.

Kafka - Die Serie: Kafka (Joel Basman), sein Vater Hermann Kafka (Nicholas Ofczarek) lauert hinter ihm. (Foto: ard-foto s2-intern/extern, NDR / Superfilm)
Den Druck der väterlichen Strenge im Nacken: Die Beziehung zum herrischen Vater Herrmann (Nicholas Ofczarek) ist für Kafka sehr schwierig.

Währenddessen pendelt Nicolas Ofczarek als tyrannischer Vater virtuos zwischen Verachtung und Weltschmerz und kann seinen inneren Vulkan nur schwer unter Kontrolle halten.

Überraschende Seiten des berühmten Schriftstellers

Die Serie vermittelt bei allem Kunst-Charakter überraschende Seiten von Franz Kafka wie seine Hinwendung zum Judentum, seinen Sinn für den jiddischen Witz oder auch sein hohes Ansehen als Versicherungsexperte. Vor allem aber versprüht sie auf kongeniale Art die Atmosphäre von Kafkas literarischer Welt.

Kafka - Die Serie: Kafka (Joel Basman) und Felice Bauer (Lia von Blarer) vor einer gedeckten Festtafel mit Gästen. (Foto: ard-foto s2-intern/extern, NDR / Superfilm)
Kafkas Beziehung zu Felice Bauer (Lia von Blarer) konzentriert sich auf leidenschaftliche Liebesbriefe. Bis zu seinem Tod bleibt der Schriftsteller ohne Beziehung.

Es ist nicht hoch genug einzuschätzen, dass diese Koproduktion aller ARD-Anstalten so augenscheinlich kompromisslos dem Dichter Franz Kafka gerecht werden durfte. Als biografisches Fragment eines Künstlers, mit dessen Werken man im Leben nicht fertig wird.

ARD-Serie „Kafka“, seit dem 20. März in der ARD Mediathek

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Henriette Confurius und Sabin Tambrea – zwei der aufregendsten deutschen Gegenwartsschauspieler – überzeugen in der Verfilmung des Romans über Kafkas letzte Liebe von Michael Kumpfmüller: Der schon kranke 40-jährige Kafka lernt im Sommer 1923 die 25-jährige Dora an der Ostsee kennen.

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