Dokumentation

Doku „Vergiss Meyn nicht“ – Vor fünf Jahren verunglückte ein Filmemacher bei Protesten im Hambacher Forst

Stand
INTERVIEW
Julian Burmeister

Der Filmstudent Steffen Meyn stürzte vor fünf Jahren im besetzten Hambacher Forst von einer Hängebrücke und starb. Drei ehemalige Mitstudierende haben jetzt die Dokumenation „Vergiss Meyn nicht“ über die Proteste erstellt. „Steffen Meyn wollte, dass sein Filmmaterial an die Öffentlichkeit kommt“, so Kilian Kuhlendahl, einer der drei Regisseure, in SWR2. Die Aktivistinnen hatten versucht, die Rodung des Forstes zugunsten des Braunkohleabbaus zu verhindern.

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Filmemacher Meyn begab für seinen Film in Lebensgefahr

„Vergiss Meyn nicht“ gehe nicht um der Kohlekonflikt oder um Umweltschutz, sagt Kilian Kuhlendahl. Vielmehr gehe es um die Frage, was mache es mit Menschen, wenn sie sich diese Verantwortung aufbürden, „dass sie jetzt die Gesellschaft verändern“.

Obwohl die Macher*innen eine klare Meinung zum Thema haben, sagt Kuhlendahl, war es ihnen wichtig, „dass das Publikum sich selbst positionieren kann und muss“. Immer wieder sieht der Zuschauer wie Meyn sich für seinen Film in Lebensgefahr begibt, um die Perspektive der Aktivisten auf den Baumhäusern einzufangen.

Filmstill (Foto: W-Film)
2018 besetzten Klimaaktivist*innen mit Leib und Seele den Hambacher Wald, der rasch zum Symbol des Widerstands gegen Politik und Wirtschaft wurde. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: W-Film)
Als die Polizei den Forst räumte, verunglückte ein junger Filmstudent tödlich: Steffen Meyn. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: W-Film)
Mit journalistischer Absicht hatte er die Protestaktion samt 360° Kamera begleitet – solidarisch, aber keinesfalls unkritisch. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: W-Film)
Aus seinen hinterlassenen Aufnahmen setzt sich dieser außergewöhnliche Dokumentarfilm zusammen. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: W-Film)
Er liefert nie gesehene Bilder und unmittelbare Einblicke in eine Protestbewegung, die um ihre Haltung und geeignete Mittel ringt. Wie weit kann und darf Aktivismus gehen? Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill (Foto: W-Film)
„Vergiss Meyn nicht“ stellt genau diese Frage, die angesichts blockierter Straßen und Razzien brennender denn je ist. Bild in Detailansicht öffnen

Meyn kletterte Meyn auf die Bäumhäuser, um besser drehen zu können

Durch Absperrungen der Polizei im Spätsommer 2018 konnte Meyn das Geschehen immer schlechter filmen. Daher kletterte er in der akuten Räumungsphase vermehrt auf die Bäumhäuser. und er entschied sich bewusst dafür, erklärt Kuhlendahl, sich in diese riskante Position zu versetzen, „um weiter die Mission, die er sich auferlegt hatte, nachgehen zu können.“

Die Dokumentation spielt ausschließlich im Wald bei den Aktivistinnen. Polizisten, Politikerinnen oder RWE-Sprecher kommen nicht zu Wort, es geht um die Perspektive von Steffen Meyn: „Weil er in den Wald reinging“, sagt Kuhlendahl, wollten wir „so nah wir können die Gemeinschaft im Wald beleuchten und da genau hinschauen“.

Trailer „Vergiss Meyn nicht“, ab 21.9. im Kino

Weitere Dokus

Gespräch Doku „Ernstfall – Regieren am Limit“ zeigt eine Politik der Atemlosigkeit

„Ich konnte die Regierung dabei beobachten, wie sie über Jahrzehnte feststehende Grundsätze über Bord geworfen hat“, sagt der Dokumentarfilmer Stephan Lamby, der die Bundesregierung fast zwei Jahre mit der Kamera begleitet hat. Seine ARD-Doku „Ernstfall – Regieren am Limit“ zeigt, wie sehr der russische Angriffskrieg auf die Ukraine die Koalition belastet hat.
Körperliche und geistige Belastungsproben
Stephan Lamby wollte eigentlich einen ganz anderen Film machen, als er im Dezember 2021 anfing, die neue Bundesregierung mit der Kamera zu begleiten. Nämlich darüber, wie diese das Land in Richtung Klimaneutralität umbauen würde.
Stattdessen passierte der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Im Moment der vielbeschworenen Zeitenwende beobachtete Lamby, wie die Regierung über Jahrzehnte feststehende Grundsätze über Bord geworfen hat. Waffen wurden in ein Kriegsgebiet geliefert, Kohlekraftwerke am Leben erhalten, Schulden aufgenommen.
Lambys Film zeige, mit welcher Atemlosigkeit in dieser Zeit Politik gemacht werden müsse. „Ich war innerhalb weniger Tage mit dem Kanzler in Peking, mit dem Vizekanzler in Singapur, das sind ewig lange Flüge. Man ist kurz zuhause, dann geht’s wieder los“, sagt Lamby. Sowohl körperlich als auch geistig sei das eine Herausforderung.
Im zweiten Regierungsjahr brach Streit aus
„Insbesondere das erste Jahr war eine unglaubliche Herausforderung für die Regierung“, sagt Larmy, denn innerhalb weniger Tage habe eine neue Außen-, Sicherheits- und Energiepolitik entworfen werden müssen. Das habe die Regierung insgesamt gut hinbekommen. Im Gegensatz dazu habe man sich im zweiten Jahr vor allem mit sich selbst beschäftigt. Dann brachen die großen Streitereien aus. Somit fällt Lambys Bilanz zur Halbzeit durchwachsen aus.
Ein verlorenes Jahrzehnt
Neben seinem Dokumentarfilm hat Stephan Lamby auch ein Buch mit dem gleichen Namen veröffentlicht, in dem er die Frage stellt, wie wir in Zukunft auf unsere Zeit zurückblicken werden. Lambys These: Wir werden nicht von den Goldenen Zwanzigern, sondern von den Verlorenen Zwanzigern sprechen.
Das Wissen über die globalen Herausforderungen durch den Klimawandel sei vorhanden. Die wichtigen Akteure handeln aber nicht konsequent genug, um das Ruder herum zu reißen.“

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