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„Alles Licht, das wir nicht sehen“: Netflix-Serie mit Staraufgebot und viel Kitsch

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Karsten Umlauf

Die Geschichte von einem blinden Mädchen, das im Zweiten Weltkrieg in St- Malo im Radio spricht und mit verschlüsselten Botschaften die Resistance unterstützt hat dem Autor Anthony Doerr vor knapp zehn Jahren den Pulitzerpreis eingebracht. Netflix hat den Roman „Alles Licht, das wir nicht sehen“ als Serie mit großem Staraufgebot und einer vollkommen unerfahrenen blinden Darstellerin in der Hauptrolle verfilmt.

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Literatur vermischt mit Botschaften der Resistance

Aus dem Radio klingt ein Ausschnitt aus Jules Vernes „20.000 Meilen unter dem Meer“ - ein bisschen Literatur für kriegsgeplagte Franzosen. Aber auch, wie sich später herausstellt, verschlüsselte Botschaften an die amerikanischen Bomber zu den deutschen Stellungen in der Stadt St. Malo.

Die in sich ruhende Präsenz und die natürliche Ausstrahlung von Aria Mia Loberti als Marie-Laure LeBlanc vermittelt sich nicht nur in diesen Szenen am Radio, sondern über alle vier Folgen. Dass sie selbst eine blinde Darstellerin ohne jede Erfahrung ist, spielt im besten Sinn keine Rolle, denn sie wirkt nicht nur authentisch, sondern schauspielerisch sehr überzeugend.

Filmstill (Foto: Netflix)
Marie-Laure Leblanc (Aria Mia Loberti) ist ein blindes Mädchen, das bei ihrem Onkel in Frankreich Zuflucht sucht, als der Krieg ihre Heimat unbewohnbar werden lässt

Meterdicker Streicherschwulst trennt uns vom Kern der Geschichte

Und das ist vielleicht das Bemerkenswerteste an dieser Serie, bei der man sich durch viel Schwarz-Weiß-Malerei und meterdicken Streicherschwulst zum Kern der Geschichte durcharbeiten muss.

Lars Eidinger spielt einen durchgeknallten Nazi, und damit die Rolle, für die er immer wieder gerne gebucht wird: hier ist es ein todgeweihter Diamantenjäger, der sich von einem Stein mit dem Namen „Das Meer der Flammen“ Heilung erhofft. Was es mit dem Stein auf sich hat und wie Marie mit ihrem Vater und dem Stein vor den Nazis geflohen ist, erfährt man in einer der zahlreichen Rückblenden.

Filmstill (Foto: Netflix)
Lars Eidinger sucht als hoher SS-Mann Reinhold von Rumpe den magischen Diamanten.

Auf der anderen Seite geht es um den jungen Soldaten Werner Pfennig, gespielt von Louis Hofmann, der ein begnadeter Funker ist und im Krieg heimlich den Ausführungen von Marie lauscht und sich damit selbst in Gefahr bringt. So hat er schon früher heimlich und illegalerweise auf der gleichen Frequenz einem älteren Herrn zugehört, der sich „der Professor“ nannte und der ihm später in der Person von Hugh Laurie leibhaftig begegnet.

Filmstill (Foto: Netflix)
Werner Pfennig (Louis Hofmann) ist ein deutscher Teenager aus dem Ruhrgebiet, dessen herausragende technische Begabung schon bald Aufsehen erregt. Niemand kann ein Radio so schnell reparieren wie er. Die Wehrmacht macht sich dieses Talent zunutze.

Mit innerem Leuchten und Liebe gegen die böse Macht

„Das Licht, das man nicht sehen kann“ - man könnte mit dem „Kleinen Prinzen des französischen Kriegsfliegers Antoine de Saint-Exupéry übersetzen „Man sieht nur mit dem Herzen gut“. Inneres Leuchten und Liebe auf der einen Seite, während der böse Scherge auf der anderen Seite wie auf der Suche nach dem Heiligen Gral die Welt in Brand setzt.

Damit ist das Feld von gut und böse klar abgegrenzt - mit französischer Poesie auf der einen und Richard Wagner auf der anderen Seite auch mit rechts- und linksrheinischer Nationalkultur.

Viel amerikanisierte Kitsch History

Und man kann sich bei der Serie noch mehr als bei dem Buch zurecht ärgern über viel amerikanisierte Kitsch History. Andererseits feiert „Alles Licht, das wir nicht sehen“ quasi pünktlich zum 100. Geburtstag den Zauber und die Macht des Radios, die Kraft des Zuhörens, die Bedeutung von Kultur und Bildung für den liebevollen Umgang mit Kindern, von Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit des Lebens in kriegerischen Zeiten. Und das wird einen in der gegenwärtigen Weltlage eventuell doch nicht ganz kalt lassen. 

Trailer „Alles Licht, das wir nicht sehen“ ab 2.11. auf Netflix

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