Plautilla Bricci, 1616 in Rom geboren, war die erste Architektin Europas, vielleicht sogar der Welt. Um sie dreht sich der Roman von Melania G. Mazzucco „Die Villa der Architektin“: ein Buch über den Kampf einer Frau, sich in einem Fach zu behaupten, das ihre Epoche den Männern vorbehielt.
Plautilla Bricci wurde 1616 in Rom in die Familie eines autodidaktischen Künstlers hineingeboren, der sie in Zeichnen und Malen unterwies und später die Akademie eines berühmten Malers besuchen ließ – zu der Zeit ein seltenes Privileg für eine Frau.
Dass diese Künstlertochter dann nicht nur als Malerin tätig wurde, sondern auch eine Villa und eine Kapelle entwerfen und realisieren durfte, war hingegen unerhört: Plautilla Bricci war die erste Architektin Europas, womöglich die erste der Welt.
… sinniert die Romanheldin beim feierlichen Spatenstich der Villa, die sie im Auftrag des Abtes Elpidio Benedetti entworfen hatte. Dass dieser später behaupten wird, die Villa sei ein Werk von Plautillas Bruder gewesen, konnte sie zu dem Zeitpunkt nicht ahnen.
Im Roman figuriert Elpidio auch als ihr heimlicher Geliebter und macht dabei eine ziemlich schäbige Figur. Aber nicht nur von ihm wird die Künstlerin zurückgesetzt, weil sie eine Frau ist.
Der Fluch der Herkunft und des Frauseins
Mit welchen Entbehrungen, Rückschlägen und Demütigungen die Laufbahn der realen Plautilla Bricci verbunden war – das können wird uns nur vorstellen. Genau diese Grauzone zwischen Einbildung und Wahrscheinlichkeit lotet Melania Mazzucco aus – offenbar auch auf der Grundlage eingehender Studien über die römische Gesellschaft im 17. Jahrhundert.
Ihre Plautilla ist schon als Kind ein zartfühlendes und neugieriges Wesen, das die Welt um sich genau beäugt. Als sie einmal der Aufsicht der Eltern entkommt und sich in den Gassen Roms verirrt, stellt sie fest:
Ihr Lebtag lang wird Plautilla unter einer doppelten Ungerechtigkeit leiden: jener der niederen Herkunft und jener des Frauseins in einer Welt, die für Frauen nur die Rollen der Gebärerin oder der Nonne vorsieht.
Für die Männer, die ihre Zuneigung erwecken, kommt sie als Braut nicht infrage, weil sie keine Mitgift zu bieten hat. Zugleich scheint ihre künstlerische Berufung ein Eheleben auszuschließen.
So umweht diese Romanheldin eine zutiefst melancholische Aura: Ihre Zeit verdammt sie dazu, weder ihre Ambitionen noch ihr Gefühlsleben vollends zu verwirklichen.
Eine Hommage an das barocke Rom
Dennoch: Was wäre Rom ohne jenes Jahrhundert? Ohne Bernini, Borromini und all die anderen Künstler, in deren Umfeld Plautilla Bricci lebte und wirkte? Dieser Umstand gibt der Autorin Gelegenheit, Seitenblicke auf das Leben jener Meister zu werfen, auf den Alltag in Werkstätten, wo Kunstwerke für die Ewigkeit entstanden, auf höfische Intrigen und päpstliche Launen, von denen Aufstieg und Fall eines jeden Künstlers abhingen.
So erschafft sie aus Worten ein vielschichtiges, farbenfrohes Gemälde: eine Hommage an den Barock, seine Genies und an Rom, dessen Schönheit zu einem nicht unbeträchtlichen Teil ihr Werk ist.
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