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Schöne leere Social Media-Welt: Doku „Girl Gang“ über die Teen-Influencerin Leoobalys

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AUTOR/IN
Julia Haungs

Die Jugendliche Leo aus Berlin ist Influencerin. Über 1,5 Millionen Menschen, vor allem junge Mädchen, folgen ihr allein auf Instagram. Die deutsch-schweizerische Dokufilmerin Susanne Regina Meures hat Leo und ihre Familie vier Jahre lang begleitet und festgestellt: Das Geschäft mit dem eigenen Leben ist lukrativ, fordert aber einen sehr hohen Preis.

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Im Dienste der Followerschaft

Eine große Menge kreischender Mädchen. Alle haben das Handy gezückt, vielen stehen Tränen in den Augen, die ersten bekommen schon keine Luft mehr. Die Szene spielt nicht bei einem großen Popkonzert, sondern bei der Eröffnung eines Wiener Einkaufszentrums.

Hier tritt Leonie auf, bekannt als Leoobalys – eine jugendliche Influencerin aus Berlin. Die Hysterie, die Leoobalys auslöst, mutet für Zuschauer über 30 bizarr an, scheint sie doch ein ganz normaler Teenie zu sein. Aber offenbar trifft Leo mit ihren kurzen Tanz-, Schmink- und Spaß-Videos genau den richtigen Ton. Auf Instagram hat sie mittlerweile über 1,5 Millionen Follower.

Geschäftsmodell für die ganze Familie

Mit 13 Jahren hat sie angefangen, auf Kanälen wie Youtube, TikTok oder Instagram Videos und Bilder von sich hochzuladen und Produkte zu bewerben. Was als Hobby begonnen hat, ist mittlerweile ein lukratives Geschäftsmodell für die ganze Familie. Die Eltern sind ihre Fahrer, Manager und Kamera-Assistenten in einem. Kein einfacher Job. Schon gar nicht, wenn sich der Star mitten in der Pubertät befindet.

Susanne Regina Meures hat Leo über vier Jahre begleitet. Aus dem quirligen Mädchen vom Anfang wird im Laufe von „Girl Gang“ eine gestresste junge Frau, die neben der Schule im Grunde voll berufstätig ist. Mit eiserner Selbstdisziplin arbeitet sie daran, möglichst authentisch erscheinende Bilder eines perfekten Lebens zu produzieren – immer lachend, immer gut drauf, immer eine verrückte Idee auf Lager.

Die Langeweile hinter dem schönen Schein

Dabei wirkt die ständige Selbstbespiegelung zunehmend wie ein Gefängnis. Je mehr Follower Leo gewinnt, desto garstiger werden die Hasskommentare im Netz. Und mit der Größe der Werbepartner steigt der Druck, ständig neue Postings zu liefern.

Meures wirft mit „Girl Gang“ einen Blick hinter die Kulissen eines höchst profitablen Geschäfts und dokumentiert gleichzeitig, dass das Sein hinter dem schönen Schein an Ödnis kaum zu überbieten ist.

Die Rolle der Eltern wirkt ambivalent. Zwar sind sie überzeugt, nur das Beste für Leos Zukunft zu wollen. Bei der Art, wie sie ihre Tochter antreiben und deren Reichweite für die eigenen Social-Media-Kanäle nutzen, bleibt aber doch ein schaler Beigeschmack.

Schattenseite der Digitalisierung

In Susanne Regina Meures Werk spiegelt sich die Ambivalenz der Digitalisierung. In ihrem letzten Film „Saudi Runaway“ war das Handy ein Vehikel zur Selbstbefreiung. Eine junge Frau aus Saudi-Arabien dokumentierte mit heimlich gefilmten Alltagsvideos das gesellschaftliche Gefängnis, in dem sie dort lebte und aus dem sie schließlich floh. „Girl Gang“ wirkt wie das ironische Gegenstück: Hier werden die alltäglichen Handybilder zu einem goldenen Käfig, aus dem es kaum ein Entkommen gibt.

Trailer „Girl Gang“, ab 20.10. im Kino

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