Kommentar

„Barbie“ spielt mehr als eine Milliarde Dollar ein: Hype um einen Marketing-Film?

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Rüdiger Suchsland

Greta Gerwigs „Barbie“ sprengt die Kinokassen: Bereits jetzt hat der Film mehr als eine Milliarde Dollar eingespielt. Ein Glück für das Kino, das erfolgreiche Blockbuster gut gebrauchen kann. Aber liegt das wirklich daran, dass „Barbie“ ein Meisterwerk ist? SWR2 Filmkritiker Rüdiger Suchsland hat da Zweifel.

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Millionen Zuschauer können nicht irren, oder?

Die Zahlen scheinen für sich zu sprechen: Mehr als eine Milliarde Dollar hat der Film über die berühmte Spielzeugpuppe bisher weltweit eingespielt. Damit hat „Barbie“ von Warner Brothers selbst die optimistischsten Prognosen übertroffen und gehört zu den nur insgesamt etwa 50 Filmen, die mehr als eine Milliarde Dollar in Kinos eingespielt haben. 

Das muss ein Meisterwerk sein. Und auch die bisher drei Millionen Zuschauer in Deutschland können nicht irren – oder?

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Im Barbie-Land zu leben bedeutet, ein perfektes Dasein an einem perfekten Ort zu führen. Alles an seinem Platz, wer hier leben will, muss sich nämlich ausnahmslos an die aufgestellten Normen halten. Bild in Detailansicht öffnen
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Hausherrin ist die blonde Barbie (Margot Robbie). Bild in Detailansicht öffnen
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An ihrer Seite wie immer der platinblonde Schönling Ken (Ryan Gosling). Bild in Detailansicht öffnen
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Als Barbie sich für den Geschmack der Gemeinde jedoch viel zu exzentrisch verhält, wird sie gnadenlos aus Barbieland verbannt. Bild in Detailansicht öffnen
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Sie landet daraufhin in der realen Welt und entdeckt, dass es dort noch viele andere Abenteuer zu erleben gibt. Bild in Detailansicht öffnen

Filmsongs und Mattel-Merchandising gehen durch die Decke

Schon vor dem Filmstart hat sich „Barbie“ als Popkultur-Phänomen selbstständig gemacht – und es sogar in die ARD-Satire-Sendung „extra 3“ geschafft: Dort musste sich plötzlich Friedrich Merz als Ken ins Barbieland versetzt sehen.

 Ernüchterung bei der professionellen Filmkritik

Nur bei der Filmkritik ist es etwas anders. Nachdem die ersten Rezensionen bis auf wenige Renegaten schnell unisono positiv und überraschend unkritisch ausfielen, und das Publikum mitzog, hat sich bei den professionellen Beobachtern mittlerweile eine gewisse Ernüchterung eingestellt. 

 „Barbie lässt uns nie vergessen, wie clever sie sein will, in jeder anstrengenden Minute.“

Johanna Adorjans gewohnt sehr kluge Betrachtungen in der „Süddeutschen“ sind der einzige Text, der klarmacht: Lasst den ganzen Unsinn. Egal, was man tut: Es hilft nur dem Marketing von Mattel.

 „Herzlichen Glückwunsch an die Marketingabteilung von Mattel, besser hätte das alles wirklich nicht laufen können.“

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Regie bei „Barbie“ führte die Oscar-nominierte Autorin und Regisseurin Greta Gerwig („Little Women“, „Lady Bird“).

  Aber woher kommt dieser Riesenerfolg, und was erzählt er uns? 

Verteidigerinnen und Verteidiger von „Barbie“ werden nicht müde zu betonen, was für eine tolle Regisseurin Greta Gerwig ist und dass sie vorher Independent-Filme gemacht hat, auch Kino abseits von Hollywood, „Mumblecore“-Kino. Sie erklären auch, wie intelligent dieser Filme ist. Und dass er ja sooo feministisch sei.

Warum gehen auch so viele Leute rein? Warum ist dieser Film jetzt einer von den 50 Filmen in der Welt, die das größte Budget eingespielt haben? Weil er so intelligent ist? Weil er so feministisch ist? Weil Greta Gerbig vorher Mumblecore gemacht hat? 

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Selbstverstärkender Medienhype und Kindheitserinnerungen

Ich möchte hier leise Zweifel anmelden: Ich glaube, dass viele Menschen in den „Barbie-Film“ reingehen, weil er gerade ein Medienthema ist, weil sie oder ihre Geschwister als Kind mit Barbie-Puppen gespielt haben Weil irgendjemand den sie kennen mit ihnen reingeht, weil Sie einfach wissen wollen, was an dem Hype dran ist, denn er ist ja ein Medienthema. 

Sehnsucht nach dem Kino

Und weil - und das ist die schönste Nachricht: Weil sie sich danach sehnen, wieder ins Kino zu gehen und die Erfahrung zu machen, mit vielen fremden Menschen in einem dunklen Saal zusammen einen Film zu sehen.

Guilty Pleasure und Aufmerksamkeitskapitalismus

Tatsächlich ist dieser Film auch ganz schön infantil, und in dem Sinn eine Guilty Pleasure, eine erlaubte Sünde, weil er uns auf legitime Weise in die Kindheit zurückbeamt.

So etwa wie Donald Trump. Und wie für Trump gilt. Das ist Kapitalismus. Aufmerksamkeitskapitalismus. Die Leute wissen, dass das für sie nicht gut ist, gucken es aber trotzdem. Identifikation mit dem Aggressor. 

So ist das Leben. Schönreden muss man es aber nicht. 

 

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