Andrew Scott als Tom Ripley. Er sitzt auf einer Treppe, mit einer Zeitung in der Hand. (Foto: IMAGO, IMAGO / Landmark Media)

Netflix-Neuverfilmung „Ripley“

Der talentierte Andrew Scott: Von „Sherlock“ zum Mister Ripley

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Dominic Konrad
Dominic Konrad, Autor und Redakteur bei SWR Kultur und SWR Musik (Foto: SWR, Foto: Dominic Konrad)

Es sind nicht die strahlenden Heldenrollen, die Andrew Scott berühmt machten: Als Sherlock Holmes' Widersacher Moriarty wurde er bekannt, Kultstatus erreichte seine Darstellung des „heißen Priesters“ in „Fleabag“. Nun begeistert Scott das Publikum in der Netflix-Neuverfilmung „Ripley“ nach dem Roman von Patricia Highsmith.

Andrew Scott als Tom Ripley. Er lehnt im Rahmen des Schaufensters einer Bar. (Foto: IMAGO, IMAGO / Landmark Media)
Einer der einfühlsamsten Schauspieler des europäischen Kinos: Andrew Scott spielt die Hauptrolle in der Netflix-Serie nach Patricia Highsmiths Kultroman.

Auf die Bühne statt ins Atelier

Das Künstlerische liegt dem Iren Andrew Scott im Blut. Dabei wäre er um Haaresbreite gar nicht Schauspieler geworden, sondern Maler. Das Stipendium für die Kunsthochschule hatte er bereits ergattert, dann entschloss er sich aber doch für das Theaterwissenschaftsstudium am renommierten Trinity College in seiner Heimatstadt Dublin.

Zum Theater kam er, um sich als Kind das Lispeln abzugewöhnen. Die logopädischen Übungen fand er schlimm, doch das Spielen gefiel ihm, er habe schon immer eine „gesunde Obsession“ für das Schauspiel gehabt, erinnert sich Andrew Scott 2014 im Gespräch mit dem Evening Standard. In seiner Jugend besucht er am Wochenende Schauspielkurse und gibt 1995 im Spielfilm „Korea“ sein Leinwand-Debüt.

Doch an der Universität hält es den Schauspieler nicht lange. Andrew Scott sehnt sich nach der Praxis. Nach nur sechs Monaten verlässt er das College und geht ans irische Nationaltheater, das Abbey Theatre. Von dort zieht der 23-Jährige 1999 nach London, um in der boomenden britischen Theater- und Filmmetropole sein Glück zu versuchen.

Andrew Scott auf der Bühne. Mit erhobenen Händen blickt er in Richtung Publikum. (Foto: IMAGO, IMAGO / ZUMA Press)
Erste große Erfolge feiert Andrew Scott auf der Bühne in den Theatern von Dublin und London. 2009 schreibt Dramatiker Simon Stephens für ihn das Ein-Personen-Stück „Sea Wall“.

Erste Erfolge unter Steven Spielberg

Große Projekte lassen nicht lange auf sich warten: 2000 spielt er neben Michael Gambon und Jeremy Irons im TV-Historiendrama „Longitude“, ein Jahr später folgt eine Nebenrolle in Steven Spielbergs Kriegs-Miniserie „Band of Brothers“.

Erfolge feiert Andrew Scott zu dieser Zeit vornehmlich auf der Bühne. Für seine schauspielerische Leistung im Theaterstück „A Girl in a Car with a Man” („Ein Mädchen in einem Auto mit einem Mann”) erhält er 2005 den ersten von bislang zwei Laurence Olivier Awards. Es ist einer der prestigeträchtigsten Theaterpreise der englischsprachigen Welt.

Andrew Scott als James Moriarty. Er blickt am Treppenabsatz hinab auf das Geschehen. (Foto: IMAGO, IMAGO / ZUMA Wire)
Durchbruch im Fernsehen. 2010 begeistert Andrew Scott das Publikum in der Rolle des Soziopathen James „Jim“ Moriarty, frei nach Sir Arthur Conan Doyle.

Der Durchbruch kommt als Widersacher von Sherlock Holmes

Das große Publikum wird 2010 auf Andrew Scott aufmerksam: Am Ende der ersten Staffel der BBC-Serie „Sherlock“ tritt Scott als Jim Moriarty in Erscheinung, Erzrivale und Nemesis von Sherlock Holmes (gespielt von Benedict Cumberbatch).

Es war überwältigend, in einer TV-Show zu sein, die so beliebt ist. Das hat mich völlig überrascht. Das Publikum hatte eine direkte Zuneigung von der ersten Folge an. Die Reaktion war außerordentlich.

Er habe die Romane rund um Sherlock Holmes nicht allzu sehr gekannt, verrät Scott später im Interview mit dem GQ Magazine. Für ihn sei das ein Vorteil gewesen, denn er habe nicht viel über die Interpretationen der Rolle vor ihm nachgedacht. „Ich wollte nur Spaß haben“, so Scott. „Alle anderen sind verängstigt, aber er (Moriarty) hat die Zeit seines Lebens. Ich denke, er ist ziemlich entspannt damit, die Erde zu zerstören.“

Das Zusammenspiel zwischen Scotts Moriarty und Cumberbatchs Sherlock hat die Serie selbst zu einem modernen Klassiker gemacht. Andrew Scott wurde seither in großen Produktionen gerne auf zwielichtige Charaktere besetzt: etwa als Doppelagent „C“ im James-Bond-Film „Spectre“ oder als verzweifelter Fahrdienst-Entführer in der Netflix-Anthologieserie „Black Mirror“.

Andrew Scott als "heißer Priester" aus "Fleabag". Der Priester steht in seiner Kirche inmitten der Kirchenbänke. (Foto: IMAGO, IMAGO / Everett Collection)
Einen Namen hat Scotts Rolle in der Comedy-Serie „Fleabag“ nicht. Das Internet tauft die Figur aber einhellig auf den Namen „Hot Priest“, scharfer Priester.

Weit mehr als nur Schurkenrollen

Doch Andrew Scott lässt sich nicht auf das Düstere festnageln. Meisterhaft beherrscht er es, über seine Figuren tiefgehende Gefühle zu vermitteln – mit einer seltenen Kombination aus Ehrlichkeit und Verwundbarkeit.

Andrew Scott in "All of Us Strangers". Scott und sein Filmpartner Paul Mescal blicken sich innig in die Augen. (Foto: IMAGO, IMAGO / Landmark Media)
Einer der gefühlvollsten Filme des vergangenen Winters: Andrew Scott und Filmpartner Paul Mescal überzeugen in „All of Us Strangers“ mit dem intimen Porträt einer aufkeimenden Beziehung.

So spielt er 2014 in „Pride“ – einem Film über eine schwule Protestbewegung, die sich 1984 mit den gegen Thatchers Politik streikenden Bergleuten solidarisierte – einen Mann, der sich nach den traumatischen Erlebnissen seiner Jugend wieder mit den Vorurteilen der walisischen Dörfer konfrontiert sieht.

Eine große Fangemeinde erreicht Scott auch in der Rolle des „heißen Priesters“ in der Comedy-Serie „Fleabag“. Die Rolle des für die Hauptfigur unerreichbaren Gottesmannes mit Alkoholproblemen schreibt ihm Serienschöpferin und Hauptdarstellerin Phoebe Waller-Bridge auf den Leib.

Je mehr ich schauspielere, desto mehr glaube ich, dass es nicht darum geht, so zu tun als ob man jemand anderes ist, es geht darum, diese Person in dir zu finden.

Von Kritik und Publikum begeistert aufgenommen wird auch Scotts Darbietung in „All of Us Strangers“. Hier spielt er einen schwulen Mann am Beginn einer neuen Beziehung, der über Visionen eine Verbindung zu seinen tödlich verunglückten Eltern aufbaut.

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Tom Ripley: Die Verbindung aus Verletzlichkeit und Grausamkeit

Scotts neueste Rolle verbindet nun die Aspekte seines schauspielerischen Schaffens: das Sinistre und das Verletzliche. In der neuen Netflix-Serie „Ripley“ nach Patricia Highsmiths Kultroman „Der talentierte Mr. Ripley“ schlüpft Andrew Scott in die Rolle von Tom Ripley, der nach dem Mord an einem Freund dessen Identität übernimmt.

Andrew Scott als Tom Ripley. Er steht in einem Wohnzimmer und blickt konzentriert über die Schulter. (Foto: IMAGO, IMAGO / Landmark Media)
Immer in Furcht, dass ihm jemand auf die Schliche kommt: Tom Ripley lebt unter dem Namen seines verstorbenen Freundes.

Ripley sei ein Betrüger und zugleich ein Künstler. Er drifte in die Kriminalität ab, als sich vor ihm eine Welt auftut, die für ihn eigentlich unerreichbar ist. Dabei bleibe Ripley verletzlich und charmant, meint Scott. Deshalb, so glaubt er, könne sich das Publikum gut mit der Figur identifizieren.

Häufig wurde die Geschichte des Tom Ripley im Film erzählt, unter anderem mit Alain Delon und Matt Damon. Die neue Fassung stammt aus der Feder von Steven Zaillian (Oscar-Gewinner 1994 für das Buch von „Schindlers Liste“) und erzählt die Geschichte in eindrucksvollen Schwarz-Weiß-Bildern neu: atmosphärisch, unheilvoll und tiefgründig.

Andrew Scott als Tom Ripley. Er sitzt lauernd auf dem Rücksitz eines Autos (Foto: IMAGO, IMAGO / ZUMA Press)
In seiner neuesten Rolle glänzt Andrew Scott mit der ganzen Bandbreite seines schauspielerischen Könnens.

Auch in seiner neuesten Rolle überzeugt Scott die Kritiker*innen: Ihm gelinge das Kunststück, „selbst mit einem Lächeln großes Unwohlsein bei uns Zuschauenden auszulösen“, urteilt etwa der NDR. Es ist eine weitere Paraderolle im Portfolio eines begnadeten Schauspiel-Künstlers.

„Ripley“ , seit 4. April auf Netflix

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Rezension von Brigitte Neumann.
Aus dem Amerikanischen von Melanie Walz, Dirk van Gunsteren und pocacio
Diogenes Verlag, 320 Seiten, 24 Euro
ISBN 978-3-257-07152-8

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Dominic Konrad, Autor und Redakteur bei SWR Kultur und SWR Musik (Foto: SWR, Foto: Dominic Konrad)