4.900 Erstdiagnosen bei jugendlichen Mädchen
Häufige Diagnosen: Depressionen, Angst- und Essstörungen
Gründe für eine psychische Erkrankung
Unterschiede zwischen Arm und Reich
Tendenz: weniger psychische Erkrankungen
Wie ist die Lage bei Jungen?
So können Eltern ihren Kindern helfen
4.900 Erstdiagnosen bei jugendlichen Mädchen in Rheinland-Pfalz
Fehlende Energie, Niedergeschlagenheit, Zittern - mögliche Anzeichen dafür, dass Jugendliche psychische Probleme haben. Die Zahl der Erkrankungen hat in den vergangenen Jahren in Rheinland-Pfalz zugenommen. Der aktuelle Kinder- und Jugendreport der DAK-Gesundheit zeigt, dass vor allem 15- bis 17-jährige Mädchen betroffen sind.
Insgesamt erhielten demnach 2022 rund 4.900 Mädchen, die bei der Krankenkasse versichert sind, die Neudiagnose einer psychischen Erkrankung oder Verhaltensstörung. Das sind laut DAK 600 Mädchen mehr als noch 2019. Bei ihnen wurden am häufigsten Depressionen diagnostiziert. Dabei leidet die Hälfte der Mädchen, die Depressionen haben, auch an Angststörungen.
Mädchen leiden vor allem an Depressionen, Angst- und Essstörungen
Nach Angaben der DAK erhielten 2022 etwa 2.500 jugendliche Mädchen die Neudiagnose Depression. Im Vergleich zum Jahr 2019 entspricht das einem Plus von 29 Prozent. Die Neudiagnose von Angststörungen ist um 52 Prozent gestiegen. Betroffen waren rund 2.100 Mädchen. An Essstörungen litten etwa 600, das sind 83 Prozent mehr als 2019.
Jugendarzt: "Wesentlicher Faktor sind soziale Medien"
Die Gründe für eine psychische Erkrankung sind vielfältig. Die Corona-Pandemie spielt ebenso eine Rolle wie die Klimakrise, der Krieg in der Ukraine und die Flutkatastrophe im Ahrtal.
Der Kinder- und Jugendarzt Stephan Buchner aus Mainz sagt: "Ein wesentlicher Faktor sind auch soziale Medien". Schon im frühen Alter würden durch Apps wie Instagram und TikTok falsche Rollenbilder von vermeintlich perfekten Menschen vermittelt. Die Folge seien gerade bei Mädchen häufig Essstörungen: Magersucht, Bulimie oder Binge-Eating - eine Störung, bei der das Essverhalten außer Kontrolle gerät.
Neue Station eröffnet Klinik in Mainz kann jetzt mehr jungen Menschen mit Essstörung helfen
Bulimie, Magersucht, Binge Eating - wer daran erkrankt, braucht Hilfe. Die Rheinhessen-Fachklinik Mainz hat jetzt eine neue Station eröffnet, um mehr Kinder und Jugendliche unterstützen zu können.
Hohe Dunkelziffer in unteren sozialen Schichten
Gerade bei Essstörungen zeigt sich, dass es Unterschiede zwischen Arm und Reich gibt. Laut DAK nehmen Kinder und Jugendliche aus sozial höheren Schichten ärztliche Behandlungen öfter in Anspruch. Eine Erklärung der Krankenkasse ist, dass sie mehr Unterstützung durch die Eltern erfahren. Die Schwelle, Hilfen in Anspruch zu nehmen, sei niedriger als in Familien mit wenig Einkommen und geringem sozialem Status. Dort sei die Dunkelziffer hoch.
Tendenz: weniger psychische Erkrankungen
Insgesamt zeigt der DAK-Kinder- und Jugendreport, dass 2022 die Neudiagnosen bei Mädchen im Vergleich zu 2020, dem Beginn der Corona-Pandemie, leicht rückläufig waren. Sie haben zudem weniger ärztliche und therapeutische Leistungen in Anspruch genommen. Für den Mainzer Mediziner Stephan Buchner gibt es eine einfache Erklärung: Zu Beginn der Corona-Pandemie seien viele Betroffene nicht zu Ärztinnen und Ärzten gegangen. "Die Diagnosen wurden monatelang verschleppt."
Während der Pandemie seien viele Kinder und Jugendliche allein zu Hause gewesen. Sie hätten einen erhöhten Medienkonsum gehabt, aber weniger "gesunde Kommunikation". Entsprechend viele Diagnosen habe es erst gegeben, als Kinder und Jugendliche wieder in die Praxen kamen.
Wie ist die Lage bei Jungen?
Im Gegensatz zu den Mädchen hält der Aufwärtsstrend bei den Jungen zwischen 15 und 17 Jahren an. Sie nehmen laut der DAK das Gesundheitssystem trotzdem deutlich seltener in Anspruch als Mädchen. Prof. Christoph Correll von der Charité - Universitätsmedizin Berlin, der am Kinder- und Jugendreport beteiligt war, befürchtet, dass Jungen deswegen durchs Raster fallen.
Kinder- und Jugendarzt Buchner sagt hingegen: Mädchen kompensierten psychische Probleme schon immer anders als Jungen. "Sie suchen das Gespräch", erzählt Buchner. "Jungen verfallen eher in Aggressivität." Seine Beobachtung ist, dass Jungen inzwischen aber "tendenziell offener" seien als noch vor einigen Jahren. Sein Fazit aus der DAK-Studie ist: "Wir als Kinderärzte müssen weiter hellhörig sein."
So können Eltern ihren Kindern bei psychischen Problemen helfen
Stephan Buchner rät Eltern, früh auf Warnzeichen zu achten: Gewichtsverlust, verändertes Schlafverhalten, erhöhter Medienkonsum - all das könnten Hinweise auf eine psychische Erkrankung sein. "Bitte nicht selbst therapieren!", betont Buchner.
Viele Eltern versuchten, ihre Kinder zu Gesprächen zu drängen. Diese würden daraufhin oft blockieren. "Suchen Sie stattdessen professionelle Hilfe", rät Buchner. Zuerst niedrigschwellig, beim Kinder- und Jugendarzt.