Das Amt für Vermögen und Bau in Ulm steht seit Monaten leer. Testmessungen haben im Sommer eine überhöhte Belastung durch das radioaktive Gas Radon ergeben. Jetzt läuft eine Messreihe, die Monate dauern kann. Die Messungen sollen klären, ob es sich um ein lokal begrenztes Phänomen handelt. Denn das Gebäude steht auf dem Gebiet einer ehemaligen Mülldeponie aus der Nachkriegszeit.
Radon ist unsichtbar, geschmacklos und gefährlich für die Gesundheit. Nach dem Rauchen ist es die zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs. Der Leiter des Amts für Vermögen und Bau in Ulm, Tilmann Häcker, wollte nach den ersten Testmessungen dieses Risiko für die Gesundheit seiner Mitarbeitenden nicht mehr verantworten. Ende Juli sperrte er die Behörde, die zum Finanzministerium Stuttgart gehört. Quasi über Nacht durften die etwa 100 Mitarbeitenden nicht mehr an ihren Arbeitsplatz. Sie durften nur das Nötigste mitnehmen.
Das Amt für Vermögen und Bau in Ulm fristet sein Dasein seither als "Lost Place". Die gemessene Radonbelastung lag bis zu fünffach über dem erlaubten Wert von 300 Becquerel pro Kubikmeter. Lüften hilft angeblich gegen die Radonbelastung im Raum, doch die Testmessungen seien gemacht worden, gleich nachdem ausgiebig gelüftet worden war.
Und das im Sommer. Im Winter seien die Werte meist höher, so Tilmann Häcker: "Und ich musste abwägen, was zu tun ist, und habe mich dann entschieden und entschlossen, das Dienstgebäude zumindest temporär - bis alles untersucht und klar ist - aufzugeben."
Die Radon-Messungen mit so genannten Dosimetern dauern mehrere Monate. Sie stehen in 22 Zimmern, verteilt über das gesamte Gebäude. Im Frühsommer 2025 liegen voraussichtlich die Ergebnisse vor.
Ergebnisse könnten gravierende Auswirkungen auf die Region haben
Die Messergebnisse werden mit Spannung erwartet. Liegen sie über dem Referenzwert, könnte es eine Prüfung geben, ob ganz Ulm zu einem Radon-Vorsorgegebiet erklärt werden muss. Das hat Auswirkungen: In Vorsorgegebieten ist der Bodenrichtwert meist niedriger, was sich auch auf Immobilienbewertung, Grundsteuern und Grundstückspreis auswirkt.
Außerdem gelten in Vorsorgegebieten andere Pflichten für Arbeitgeber: Sie müssen dort regelmäßig Radon-Messungen durchführen. Ein Gebiet mit erhöhter Radonbelastung ist in Baden-Württemberg der Südschwarzwald.
Klare Kriterien für Definition als Radon-Vorsorgegebiet
Es gibt klare Kriterien vom Bundesamt für Strahlenschutz in Berlin, wann ein Gebiet zum Vorsorgegebiet erklärt werden kann. Neben bestimmten geologischen Voraussetzungen sind viele Messungen in Gebäuden nötig. Dazu sagte Bernd Hoffmann vom Bundesamt für Strahlenschutz im SWR-Interview: "Radon-Vorsorgegebiete sind definiert im Strahlenschutz als Regionen, in denen etwa zehn Prozent der Gebäude eine Radon-Konzentration aufweisen, die über dem Referenzwert von 300 Becquerel pro Kubikmeter liegen."
WHO-Richtwert bei 100 Becquerel pro Kubikmeter
Die Weltgesundheitsorganisation WHO definiert ihren Richtwert sogar deutlich niedriger. Ihrer Ansicht nach erhöhen schon 100 Becquerel pro Kubikmeter Raumluft das Lungenkrebsrisiko um 16 Prozent, wenn man diesem Wert über mehrere Jahre ausgesetzt ist. Tatsächlich räumt Tilmann Häcker ein, dass es Krankheitsfälle in seinem Team gibt. Inwieweit es Zusammenhänge mit der Belastung im Gebäude gibt, könne er nicht beurteilen. Frühere Messungen seien unbedenklich gewesen.
Mit Radon belastete Behörde steht auf ehemaliger Deponie
Außerdem gebe es neben Radon noch andere Schadstoff-Thematiken in dem verlassenen Amt. Die Belastung durch den Schadstoff PCB sei hoch. Früher hat man PCB zum Beispiel als Dichtmittel in Fugen eingesetzt, heute ist es am Bau verboten. Eine Erklärung für die Schadstoffbelastungen im Amt für Vermögen und Bau ist mittlerweile gefunden. Das Gebäude steht auf einem Grundstück, auf dem es in der Nachkriegszeit eine Mülldeponie gab. Unter dem Haus könnte außerdem auch uranhaltige Munition der Amerikaner liegen.
Das betroffene Amt in Ulm mit seinen 100 Mitarbeitern ist mittlerweile umgezogen – ins Obergeschoss eines Forschungsgebäudes an der Universität. "Ein Kraftakt innerhalb von drei Monaten", sagt Tilmann Häcker. Er ist dankbar, dass sein Team beim Umzug so aktiv mitgearbeitet hat.