Die Fernwärme im Schwäbisch Gmünder Stadtteil Bettringen (Ostalbkreis) birgt offenbar einiges an Konfliktpotential. Zunächst gab es im Herbst vergangenen Jahres eine heftige Diskussion um stark gestiegene Preise. Dann kam eine Einigung. Doch das Regelwerk für die Fernwärme bietet noch mehr Zündstoff, dieses Mal an anderer Stelle: dem Ausstieg aus der Fernwärme.
Photovoltaikanlage in Bettringen nur für Strom
Thomas Kuchinke wohnt seit rund 20 Jahren in Bettringen. Auf seinem Dach hat er eine Photovoltaikanlage, die sein Haus mit Strom versorgt. Er würde sie auch gern zum Heizen nutzen, doch das darf er nicht. Dabei dürfte er durchaus seinen Vertrag für die Fernwärme kündigen. Nur: Eine andere Heizart darf er nicht installieren. Würde er kündigen, bliebe sein Haus kalt.
Interessengemeinschaft fordert Überprüfung Heizkosten bei Fernwärme in Bettringen mehr als verdoppelt
Die Heizkosten für Fernwärme in Schwäbisch Gmünd-Bettringen sind auf mehr als das Doppelte gestiegen. Eine Interessengemeinschaft fürchtet auch weiterhin hohe Preise.
Grundbucheintrag aus den 60er-Jahren gilt noch heute
Dass das so ist, liegt an einem Beschluss des Schwäbisch Gmünder Gemeinderats aus den 60er-Jahren. Die Räte sahen damals in der Fernwärme eine sinnvolle und kostengünstige Einrichtung - wenn alle solidarisch mitmachen. Damit es auch für alle günstig bleibt, wurde im Grundbuch vermerkt, dass nur so geheizt werden darf. Der Name dafür in bestem Behördendeutsch: "Grunddienstbarkeit".
Seitdem wurde Deutschland wiedervereinigt, die Sowjetunion brach auseinander, Großbritannien stieg aus der EU aus, nur ein Exit aus der Fernwärme Bettringen, der geht nicht. Ganz allein sind die rund 3.000 betroffenen Menschen in Bettringen damit nicht. Die Vorgabe findet sich häufig in Grundbüchern, die Wohngebiete an die Fernwärme binden.
Klage gegen zeitlich unbegrenzte "Grunddienstbarkeit"?
Thomas Kuchinke geht diese zeitliche Unbegrenztheit gegen den Strich. Illegal heizen will er aber auch nicht. Deswegen erwägt er, zu klagen. Ein erster Anlauf in einem vorgerichtlichen Verfahren sei allerdings erfolglos verlaufen, berichtet der 63-jährige Ingenieur. Im Moment ist er sich noch nicht sicher, ob er klagen soll.
Die Kosten und die mögliche Verfahrensdauer schrecken ihn ab. "Wenn ich vor dem Landgericht Ellwangen Erfolg habe, geht die Gegenseite in Revision. Auch Fernwärmeverbände werden dann aufmerksam. Es ist ein Kampf David gegen Goliath", so der Bettringer. Möglicherweise lande der Fall vor dem Bundesgerichtshof. Das alles könnte Jahre dauern.
Fernwärmenetz müsste saniert werden
Er hofft deswegen auf eine ganz andere Möglichkeit. Eine, über die es schon in den kommenden Monaten Klarheit geben soll und auf die kurioserweise auch die Stadt setzt. Denn auch diese sucht einen Ausweg aus der Situation, wenn auch aus anderen Gründen. Das Fernwärmenetz in Bettringen ist nämlich in die Jahre gekommen - es muss saniert werden. Die Interessengemeinschaft Fernwärme Bettringen Nordwest spricht von 16 Millionen Euro. Würden diese auf die Kunden umgelegt, würde die Fernwärme noch viel teurer.
Drei Vorschläge für eine Lösung
Die Variante der Sanierung gefällt auch der Stadt nicht: "Theoretisch möglich, aber völlig unrealistisch." So bezeichnet Markus Herrmann, Sprecher der Stadt Schwäbisch Gmünd, diese Möglichkeit. Eine zweite Variante wäre, die Fernwärme einzustellen und alle Anwohner "in die Freiheit zu entlassen", so Herrmann weiter. Doch die Variante hat einen großen Haken: Junge und finanzstarke Eigentümer könnten dann eine neue Heizung installieren, doch wer alt ist und wenig Geld hat, der nicht. Diese Menschen hätten dann keine Heizung mehr.
Stadtbild wird sich verändern Warum ein neuer Wärmespeicher in Ulm über 80 Meter hoch werden soll
Das Ulmer Stadtbild wird in zwei Jahren voraussichtlich um einen Koloss reicher: Die Fernwärme Ulm (FUG) will in der Weststadt einen Warmwasserturm mit stattlichen Ausmaßen bauen.
Die dritte Variante und Lieblingslösung der Stadtverwaltung heißt: Fernwärme Ost. Direkt neben dem Gebiet Nordwest entsteht nämlich ein neues Fernwärmenetz mit einem modernen und nachhaltigen System. Der Bau wird aufgrund des Anteils erneuerbarer Energien vom Bund gefördert. Und dieses könne das Gebiet Nordwest mitversorgen, so Markus Herrmann.
Das Schöne: Die Anwohnerschaft in Bettringen Nordwest könnte entscheiden, ob sie weiter Fernwärme möchte oder eine eigene Heizung. Die Stadt geht davon aus, dass sich genügend Menschen finden, die bei der Fernwärme mitmachen, so dass sie sich lohnt.
Kurios und favorisiert: Fernwärme ersetzt Fernwärme
Die Grunddienstbarkeit im Grundbuch würde dann gelöscht. Bei der neuen Fernwärme werden Verträge geschlossen, die üblicherweise im ersten Turnus auf zehn Jahre angelegt und dann kündbar sind - ohne Grundbucheinträge. Doch auch diese Variante hat einen Haken. Bis das neue Netz steht, was durchaus fünf bis sieben Jahre dauern kann, müssen allen Anwohner in Bettringen Nordwest beim bisherigen Konstrukt bleiben. Würden jetzt schon Menschen aussteigen, würde die Wärmeversorgung für die anderen einfach zu teuer.