"Es ist eine ganz besondere Stimmung"

Hebamme auf Nachtschicht: Was nachts im Kreißsaal passiert

Stand

Von Autor/in Nathalie Waldenspuhl

Pauline Brückner arbeitet, wenn andere schlafen. Sie ist Hebamme in der Tuttlinger Klinik. Wir haben sie bei einer Nachtschicht begleitet.

Im Klinikum Landkreis Tuttlingen kommen jedes Jahr zwischen 800 und 1.000 Kinder zur Welt. Die Hebammen im Kreißsaal arbeiten rund um die Uhr und sorgen dafür, dass die Geburten gut laufen. Eine von ihnen ist Pauline Brückner.

Als Pauline Brückner ihren Dienst antritt, ist der kleine Mats gerade mal zwei Stunden alt. Ganz behutsam wickelt die Hebamme ihn aus seiner Decke und legt das Maßband an, um ihn zu messen: "Ganze 55 Zentimeter", sagt sie zum frischgebackenen Vater. Der ist beeindruckt, denn Mats ist ein großes Baby.

Nach der Untersuchung gehts zurück in den Ruheraum. Dort nimmt die Mutter ihr Kind wieder in die Arme. "Dann dürft ihr noch 'ne Runde kuscheln", sagt Hebamme Brückner zu der kleinen Familie, "ich mach' soweit alle Papiere fertig und dann bring ich euch gleich rüber." Später verlegt sie Mats und seine Eltern auf die Mutter-Kind-Station.

Hebamme Pauline Brückner untersucht den kleinen Mats. Das Baby ist in der Tuttlinger Klinik zur Welt gekommen.
Für sein Alter ziemlich groß: Baby Mats ist mit 55 Zentimetern zur Welt gekommen.

Nachtschicht läuft nicht immer gleich ab

Pauline Brückner hat heute Nachtschicht im Kreißsaal. Von 20:30 Uhr bis sechs Uhr morgens ist sie da - für Schwangere, die in den Wehen liegen, für Kinder, die gerade erst zur Welt gekommen sind und für gynäkologische Notfälle. Das ist eine anstrengende Aufgabe, aber Brückner übernimmt sie gerne. Am liebsten habe sie es, wenn nachts viel los sei, sagt sie. Auch, wenn sie dann morgens "todmüde ins Bett" falle.

Es erfüllt mich total, wenn ich nach Hause komme und weiß, ich hab' heute Nacht zwei, drei coole Geburten gehabt [...]. Dann bin ich immer total glücklich und beseelt.

Bei Müdigkeit: Einfach durchziehen

In dieser Nacht kommt in der Tuttlinger Klinik kein Kind mehr auf die Welt. Es ist ein ruhiger Dienst. Eine Frau, bei der die Geburt eingeleitet werden muss, kommt vor dem Schlafengehen nochmal zum CTG. Brückner legt ihr das Gerät an, das die Herztöne des ungeborenen Babys aufzeichnet.

Eine halbe Stunde lang bleibt die Frau zur Überwachung im Kreißsaal. Gegen 22 Uhr nimmt Brückner das Messgerät wieder ab. Die Herztöne sähen gut aus, sagt die Hebamme. Und weiter: "Wenn heute Nacht was ist oder wenn Sie einfach nicht zur Ruhe kommen, melden Sie sich bei uns, ja?"

Hebamme Pauline Brückner steht an einem CTG-Gerät, an das eine schwangere Frau angeschlossen ist. Sie hört die Herztöne des Babys ab.
Einmal noch die Herztöne des Babys abhören, dann darf die schwangere Frau ins Bett. Auch gehört zur Nachtschicht der Hebamme.

Gerade in den ruhigen Nächten muss man aufpassen, dass man nicht müde wird. "Zwischen zwei und vier Uhr morgens kommt das Tief", sagt Brückner. Da müsse man dann einfach durchziehen und sich eine Aufgabe suchen. Den Kreißsaal putzen, Handtücher und Medikamente nachbestellen, Fortbildungen am PC machen - irgendwas gibt's immer zu tun. Und wenn gar nichts mehr hilft, trinkt Brückner eine kalte Cola. Kaffee ist nicht so ihr Ding.

Hebamme: Geburten sind "Herzensangelegenheit"

Pauline Brückner ist 27 Jahre alt und arbeitet seit sechs Jahren als Hebamme. Den Beruf hat sie sich schon als junges Mädchen ausgesucht. Als Brückner zwölf war, hat ihre Nachbarin ein Kind bekommen. "Ich fand das total faszinierend, wie der Körper sich verändert hat", sagt sie, "und dann wollte ich alles über die Schwangerschaft wissen."

Nach dem Abi folgte die Ausbildung zur Hebamme. Und bis heute ist es ihre große Leidenschaft, Paare beim Elternwerden zu begleiten: Von der Geburtsvorbereitung, über die Entbindung, bis Nachsorge - Brückner steht ihnen zur Seite.

Wenn man es mit dem Paar zusammen geschafft hat, dieses Kind zu entbinden, das macht mich immer wahnsinnig glücklich. Und da muss ich manchmal auch ein Tränchen verdrücken.

Nachts herrscht in der Klinik eine besondere Stimmung

Es ist mittlerweile halb zwei. Brückner und ihre Kollegin Petra Sieber haben den Kreißsaal geputzt, aufgefüllt und einen Neuzugang aufgenommen. Brückner arbeitet heute als Bereitschaft. Das heißt, sie darf sich jetzt erst einmal schlafen legen. Wenn etwas passiert, etwa weil spontan mehrere Frauen mit Wehen eingeliefert werden, muss sie aber wieder raus. Ihre Kollegin Petra Sieber hält die Stellung, muss die ganze Nacht wach bleiben.

Hebamme Pauline Brückner und ihre Kollegin packen Desinfektionstücher aus. In ihrer Nachtschicht putzen sie auch den Kreißsaal.
Auch das muss gemacht werden: Pauline Brückner und Kollegin Petra Sieber putzen und desinfizieren den Kreißsaal.

Es ist nicht immer einfach, die Arbeitszeiten mit dem privaten Leben zu vereinen. Pauline Brückner wird am nächsten Morgen direkt von der Klinik zu ihren Hausbesuchen fahren, die sie als freiberufliche Hebamme macht. Ihren kleinen Sohn kann sie dann nicht in den Kindergarten bringen. Da brauche sie oft Unterstützung von Oma und Opa - und natürlich ihren Mann. "Ich sag immer, er ist 'Hebammen-Mann'. Aber das hat er sich so ausgesucht und da macht er auch mit. Denn er weiß, was der Beruf für mich bedeutet."

Und trotzdem: Die Nachtschicht ist für Brückner eine schöne Arbeit. "Es ist einfach eine ganz besondere Stimmung nachts", sagt sie, "das ganze Alltagsgewusel fällt weg." Die leeren Gänge und das gedimmte Licht auf den Stationen würden es gemütlicher machen und auch die Paare seien entspannter. "Das machts aus. Deswegen machen wir's so gerne."

Entwicklung der Geburtshilfe Hebammen in der Geschichte: Kampf um Anerkennung und Eigenständigkeit

Seit jeher helfen sich Frauen gegenseitig bei der Geburt und geben ihr Wissen weiter. Der Beruf der Hebamme gilt als einer der ältesten. Doch ebenso lange werden Geburtshelferinnen und Hebammen auch mit Herausforderungen konfrontiert: von strikten Verordnungen über den Kampf um Selbstbestimmung bis hin zur Anerkennung ihrer Fachkompetenz.

Backnang

Vorsitzende Landeshebammenverband Jutta Eichenauer | 5.7.2022 Hebamme: Darum ist der Beruf mehr eine Berufung

Sie werden schlecht bezahlt, aber dringend benötigt. Jutta Eichenauer erzählt wieso Hebamme trotzdem mehr Berufung als Beruf ist und wie eine Versorgung sichergestellt werden kann.

Ulm

Von Hebammen geführter Kreißsaal Geburten ohne Arzt: Erste Erfahrungen an der Uniklinik Ulm

Jeden zweiten bis dritten Tag kommt an der Uniklinik in Ulm ein Kind zur Welt, ohne dass ein Arzt dabei ist. Die Hebammen machen das alleine. Erfahrungen mit einem neuen Konzept.

Reportagen, Shorts und Erklärvideos SWR Aktuell nun mit eigenem YouTube-Kanal am Start

Ab sofort ist SWR Aktuell auch bei YouTube mit einem eigenen Kanal zu finden. Damit ist die Nachrichtenmarke des SWR künftig neben Instagram und Facebook auch auf der wichtigsten Nachrichtenplattform präsent. 

Südwesten

Aktuell, regional, multimedial Die SWR Aktuell-App - Nachrichten auf Handy und Tablet

Die SWR Aktuell-App bringt aktuelle und regionale Nachrichten aus dem Südwesten aufs Smartphone und Tablet. Alle Details zur App und die Links zum Download gibt es hier.

Baden-Württemberg

Die wichtigsten News direkt aufs Handy SWR Aktuell Baden-Württemberg ist jetzt auch auf WhatsApp

Der WhatsApp-Kanal von SWR Aktuell bietet die wichtigsten Nachrichten aus Baden-Württemberg, kompakt und abwechslungsreich. So funktioniert er - und so können Sie ihn abonnieren.

Baden-Württemberg

SWR Aktuell - der Morgen in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren: Newsletter mit BW-Nachrichten am Morgen!

Sie wollen morgens auf dem neuesten Stand sein? Dann abonnieren Sie "SWR Aktuell - der Morgen in BW". Die News aus Ihrem Bundesland ganz bequem in Ihrem Mailpostfach.