Die Verantwortung, die Hebammen tragen, ist groß. Während der Schwangerschaft, bei der Geburt und im Wochenbett.
Das Berufsbild Hebamme hat sich verändert
Mutter und Kind werden heute sehr früh aus der Klinik entlassen. Hebammen müssen mehr präsent sein, auch in der Schwangerschaftsvorsorge, da viele Frauen verunsichert sind - auch wegen der vielen Informationen im Internet. Und: Hebammen bekommen mehr Anfragen, als sie erfüllen können. Frauen müssen mitunter 20 bis 40 Hebammen anfragen, bis sie eine Hebamme zur Betreuung finden.
»Ich hatte einmal einen - gottseidank humorvollen - Mann am Telefon, der sagte: "Wissen Sie was? Das nächste Mal suchen wir uns erst eine Hebamme und dann werden wir schwanger".«
Zum Vergleich: früher war die Regel, dass sich Schwangere spätestens in der 16sten Woche melden sollen. Mittlerweile, so die Erfahrung von Jutta Eichenauer, rufen die Frauen sie schon an, wenn sie einen positiven Schwangerschaftstest haben - teils noch bevor der Mann erfährt, dass er Vater wird. Ihr Rat: es trotz der - durchaus häufigen - Absagen immer wieder zu versuchen und auch auf gängigen Hebammen-Portalen wie dem für Baden-Württemberg nach einer Hebamme suchen.
Hebammen Mangel kein neues Problem
Die Bezahlung von Hebammen ist schlecht, beklagt Jutta Eichenauer, viele Ihrer Kolleginnen arbeiten zudem an oder über der Burnout-Grenze. Auch, weil sie die ihnen anvertrauten Frauen im derzeitig überfordernden System trotzdem gut und verantwortungsbewusst begleiten wollen. Es scheint, so vermutet sie, dass aktuell die Zahl der Hebammen zwar leicht steigt, aber das würde erst einmal nichts bedeuten:
»Wir müssen uns aber fragen: steigt die Zahl der Hebammen-Leistungen? [Oder] sind das [nur] mehr Hebammen, die [aber] ihre Leistungen in einem geringen Umfang anbieten, denn kaum eine Kollegin bietet ihre Leistung zu 100 Prozent an.«
"Gebärende, Kind und Familie muss wieder im Mittelpunkt stehen"
Ein Großteil der angestellten Hebammen seien, so Eichenauer, zusätzlich noch freiberuflich tätig. Deren Hebammen-Leistungen fehlten dann, um den Bedarf zu decken. Und: Hebammen hätten immer noch zu viele Aufgaben zu erledigen, die nicht in ihrem Bereich liegen. Da wünscht sich Jutta Eichenauer Assistenz-Personal, damit sich die Hebammen wieder ganz auf Mutter, Kind und die Familie konzentrieren kann.
Erlebnisse der SWR1 Hörerinnen zeigen Bedarf und Unterschiede
Geht eine Gebärende heute in eine Klinik, dann unterschreibt sie damit, dass der Arzt zur Geburt kommt - egal, ob es notwendig ist oder nicht. So beschreibt Jutta Eichenauer unser heutiges System. Eine Erfahrung, die auch SWR1 Hörerin Doro in einer Mail ins Leute-Studio schilderte.
»Bei meinem dritten Kind musste ich die Presswehen so lange aushecheln, bis der Arzt da war. Unsere Tochter wohnt im Norden, hat dort ihre vier Kinder bekommen: dort kommt der Arzt erst, wenn es Komplikationen gibt. Sonst werden die Mütter nur von Hebammen betreut.«
Auf die Erfahrung der Tochter von SWR1 Hörerin Doro reagiert Eichenauer klar und deutlich - das sei das System, das wir mehr bräuchten: einen Hebammen-geleiteten Kreißsaal oder ein Belegsystem, das Ärzt:innen nur auf Zuruf hinzuzieht.
»Ich möchte meine Kolleginnen alle loben für das Durchhaltevermögen und die Leidenschaft, mit der sie bei der Arbeit sind.«