Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich am Dienstag beim Kommando Spezialkräfte (KSK) in Calw über die Aufgaben und Fähigkeiten der Bundeswehr-Eliteeinheit informiert. Zuvor besuchte er einen Bürgerdialog in Nagold (Kreis Calw). Es war der zweite Tag seiner Reise durch Teile Baden-Württembergs.
Beim KSK betonte Scholz die Notwendigkeit weiterer Anstrengungen für die Sicherheit Deutschlands. Der Besuch des Bundeskanzlers stand unter der Überschrift "KSK goes NATO".
Olaf Scholz: KSK in Calw soll an NATO-Einsätzen teilnehmen
Die Calwer Elitesoldaten sollen in Zukunft auch verstärkt im Rahmen von NATO-Aufträgen zum Einsatz kommen. "Damit wir gewährleisten können, dass niemand unser Land, dass niemand unser Bündnisgebiet angreift", so der Kanzler zum Abschluss seines Besuchs beim KSK. Das bedeute, dass vieles geändert werden müsse. Es müsse dafür gesorgt werden, dass die hervorragende Arbeit bei der Bundeswehr unter guten Bedingungen auch gelingen könne.
Das KSK konzentriert sich auch wegen des Angriffs Russlands auf die Ukraine verstärkt auf die Landes- und Bündnisverteidigung. Das Kommando stellt sogenannte Special Operations Groups zur Verfügung. Das sind Einsatzgruppen mit Spezialkräften, die bei der Verteidigung des NATO-Territoriums zum Einsatz kommen können. Die Landes- und Bündnisverteidigung habe "Priorität 1", sagte KSK-Kommandeur Ansgar Meyer. Der Besuch von Olaf Scholz sei "ein wichtiges Zeichen" und eine Form von Wertschätzung.
Scholz lobt Verlässlichkeit des KSK
Das KSK zeigte dem Kanzler bei seinem Besuch eine Auswahl der Einsatzfahrzeuge und Waffen. Zudem wurde im Multifunktionstrainingszentrum (MFTZ) des KSK ein Einsatz im Wasser simuliert. Im Wellenbecken des Trainingszentrums führten Soldaten einen Einsatz mit Diensthund und Schlauchboot und die Festnahme eines Verdächtigen vor.
Weiteres Thema beim Besuch des Kanzlers war der Austausch mit der Führung der Einheit und den Soldaten. Das KSK stand in der Vergangenheit wegen rechtsextremistischer Vorfälle in der Kritik. Am Dienstag lobte Scholz die Verlässlichkeit des KSK.
Bürgerdialog in Nagold: Warum wird nicht mit Putin verhandelt?
Am Vormittag sprach Olaf Scholz in Nagold mit rund 200 Bürgerinnen und Bürgern. Deren Fragen beantwortete er mitten im Publikum. Ein Besucher fragte den Kanzler: "Warum wird der russische Angriffskrieg in der Ukraine nicht mit Verhandlungen beendet?" Scholz betonte, dass man sich vor, seit und während des Kriegsbeginns um Friedensverhandlungen bemüht habe. Diese seien aber gescheitert. Putin beharre darauf, dass die Ukraine zu Russland gehört, so Scholz.
Russland habe unterschrieben, dass es geltende Grenzen nicht mit Gewalt verschieben werde. Dagegen habe Putin konkret verstoßen, so Scholz. Noch kurz vor Kriegsbeginn hatte Scholz den russischen Präsidenten Wladimir Putin besucht. An einem sechs Meter langen Tisch sprach er mit ihm stundenlang über eine gewaltfreie Lösung im Ukraine-Konflikt - ohne Erfolg. Auch danach habe er regelmäßig mit dem russischen Präsidenten telefoniert, so Scholz.
Landrat fordert Entlastung bei der Unterbringung Geflüchteter
Scholz betonte zudem, dass der Sozialstaat nicht unter höheren Verteidigungsausgaben leiden dürfe. "Ich bin dagegen, dass das finanziert wird, indem wir bei der Rente kürzen oder die soziale Sicherung infrage stellen. Das wäre eine unangemessene Reaktion." Hohe Verteidigungsausgaben seien aber nötig. Wegen des russischen Angriffskrieges könne man sich nicht mehr darauf verlassen, dass Grenzen in Europa nicht mehr mit Gewalt verschoben würden. "Wir wollen verhindern, dass es zu einem Krieg kommt und dafür müssen wir genügend Kraft haben, was unsere Verteidigung angeht", sagte der Kanzler.
Der Landrat des Kreises Calw, Helmut Riegger (CDU), sprach die herausfordernde Situation der Landkreise und Kommunen bei der Unterbringung Geflüchteter an. Der finanzielle und personelle Aufwand sei groß, jedoch würden Wohnraum und Kapazitäten immer knapper. "Die Unterbringung ist kaum mehr leistbar. Die Kommunen stehen kurz vor einem Kollaps in Bezug auf die Unterbringung der Geflüchteten." Zudem fehlten in den Städten und Gemeinden Kindergarten- und Schulplätze für die geflüchteten Kinder. "Es braucht eine bundesweite Strategie, um für Entlastung zu sorgen", sagte Riegger.
Angekündigter Protest in Nagold war kleiner als gedacht
Draußen, knapp 200 Meter vom Bürgerdialog entfernt, wurde auch am Dienstag protestiert. Der Bauernverband hatte eine Versammlung mit etwa 100 Teilnehmenden angemeldet, um mit Bannern und Schleppern auf die Unzufriedenheit der Landwirte aufmerksam zu machen - wie am Montag in Glatten (Kreis Freudenstadt). Laut Polizei kamen aber nur 30 Landwirtinnen und Landwirte zur Demonstration. "Das verlief geordnet und störungsfrei", sagte eine Polizeisprecherin.
Scholz wurde bei seiner Ankunft vor der Halle von wenigen Demonstranten mit Pfiffen begrüßt. Einige von ihnen hatten sich auch am Zaun versammelt und den Bundeskanzler angeschrien. Die SPD-Kreisverbände Calw und Freudenstadt hatten zu dem Bürgerdialog mit dem Motto "Miteinander - ins Gespräch kommen, im Gespräch bleiben!" eingeladen. Auch die SPD-Bundesvorsitzende und Wahlkreisabgeordnete von Calw/Freudenstadt, Saskia Esken, war dabei.
Scholz besucht Häfele in Nagold
Dem Bürgerdialog voraus ging ein Besuch bei Häfele in Nagold. Das Unternehmen ist ein Spezialist unter anderem für Schließsysteme und Beleuchtungstechnik und beschäftigt rund 1.800 Menschen in Nagold. Der Besuch war für die Beschäftigten herausfordernd: Bereits am Morgen kontrollierte die Polizei das Firmengelände engmaschig.
Scholz sah sich bei Häfele die Produkte an und tauschte sich mit Beschäftigten aus. Bei extra gesenkter Raumtemperatur übrigens - der Bundeskanzler mag es nicht so warm.
So hat SWR Aktuell am Montag um 19:30 Uhr über den Besuch des Kanzlers berichtet:
Kanzler-Besuch am Montag zwischen Willkommen und Protest
Am Montag hatte der zweitägige Besuch des Bundeskanzlers in Baden-Württemberg begonnen. Dabei wurde Scholz weitgehend herzlich empfangen. Bei einem Schulbesuch in Sindelfingen (Kreis Böblingen) wurde Scholz von vielen Schülerinnen und Schülern mit "Olaf, Olaf"-Rufen begrüßt, als der Kanzler aus seinem Wagen stieg. Auch beim anschließenden Termin im Sindelfinger Werk des Autobauers Mercedes-Benz freuten sich die Mitarbeitenden über den Besuch des Regierungschefs.
Erst am Nachmittag - bei Scholz' letzten Tagestermin - war der SPD-Politiker mit Demonstranten konfrontiert: Bei der Besichtigung des Vakuumtechnik-Herstellers Schmalz in Glatten (Kreis Freudenstadt) protestierten abseits des Firmengeländes Landwirte lautstark mit Tröten und Hupen.