SWR: Fridays for Future war über Monate hinweg wöchentlich auf der Straße. Inzwischen steht die Organisation kaum noch in der Öffentlichkeit. Was ist aus der Klimabewegung geworden?
Nisha Toussaint-Teachout: Fridays for Future existiert nach wie vor, aber natürlich ändern sich die Zeiten. 2019 war das Klimajahr schlechthin. Dann kam Corona, dann der Ukraine-Krieg, die Energiekrise: Wir leben in einer Zeit von vielfältigen Krisen, und darunter leidet auch das Klima-Thema. Wir setzen inzwischen darauf, punktuellen Druck auszuüben, beispielsweise mit einzelnen Kampagnen und Demonstrationen. Unser Eindruck war leider auch, dass der massenhafte Protest nicht sehr erfolgreich war.
Sind die Leute, die jetzt noch dabei sind, mit Leib und Seele dabei?
Ich würde gar nicht davon sprechen, dass die Leute "noch" dabei sind. Viele sind wieder dabei oder neu dazugekommen. Klar sind vor allem die Menschen, die über lange Zeit bei Fridays for Future aktiv waren, besonders interessiert an Klimaschutz. Bei uns beteiligen sich aber Menschen mit ganz unterschiedlichen Motivationen.
Unser Kernziel ist die Klimagerechtigkeit. Manchen ist besonders der Klimaschutz wichtig. Andere legen besonders viel Wert auf soziale Aspekte. Wieder andere darauf, Unterstützung in Ländern zu bieten, die von der Klimakrise stärker betroffen sind als Deutschland.
Jetzt haben Sie gesagt, dass Sie viel Zulauf bekommen, aber wie drückt sich das denn in Zahlen aus? Hat sich Ihre Bewegung vergrößert in den vergangenen Jahren?
Wir sehen auf jeden Fall an den Zahlen, dass es weniger Menschen sind, die sich für Klima-Demos mobilisieren lassen. Dass sich grundsätzlich aber viele Menschen mobilisieren lassen, sehen wir beispielsweise aktuell an den Demonstrationen gegen Rechtsextremismus.
Auch unser Organisationsteam ist inzwischen kleiner, als es noch 2019 war, aber wir sind immer noch zehn bis 20 Menschen, die regelmäßig ins Plenum kommen. Ich finde, dass das nicht wenig ist. Immerhin sind wir nur eine Gruppe von vielen, die sich für soziale Gerechtigkeit einsetzen. Wir bemerken aber durchaus immer wieder eine Fluktuation. Gerade wenn große Veranstaltungen anstehen und es viele Demonstrationen gibt, kommen wieder mehr Menschen dazu. Teilweise verläuft sich das dann auch wieder, wenn es keine großen Events gibt. Der harte Kern bleibt aber bestehen.
"Haltung zeigen" gegen rechte Gesinnung Mehrere Zehntausend demonstrierten in Stuttgart gegen Rechtsextremismus
Am Samstag und Sonntag haben zahlreiche Menschen friedlich in der Stuttgarter Innenstadt gegen Rechtsextremismus und Faschismus demonstriert.
Glauben Sie, dass da eine gewisse Verdrossenheit in der Gruppe eingesetzt hat?
Ich würde nicht sagen, dass es Verdrossenheit ist. Wir wurden politisch stark ignoriert. Wenn Schüler streiken, dann tut das wirtschaftlich nicht so weh. Wenn aber die Beschäftigten im Nahverkehr streiken und wir sie unterstützen - diese Streiks tun weh, weil etwas Wichtiges wegfällt. Deshalb haben wir uns auch mit ver.di zusammengeschlossen, um stärker zu sein und nicht so leicht ignoriert werden zu können.
Bekommt Fridays for Future selbst nicht mehr genug Menschen auf die Straße?
Auf den ersten Blick kann das verwunderlich wirken, allerdings ist das eigentlich gar nichts Neues. Ich kann mich erinnern, dass wir und ver.di 2019 Grußworte auf Demos füreinander gehalten haben. Schon 2019 habe ich mich mit Beschäftigten der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) getroffen, um über den Nahverkehr zu sprechen und darüber, was uns verbindet.
Mehr Geld für den öffentlichen Personennahverkehr ist ein Interesse, das sowohl ver.di als auch Fridays for Future hat, und gemeinsam sind wir stärker. Wir brauchen beides: Klimaschutz und Soziales. Solche Zusammenschlüsse von Gewerkschaften, Kitas, Pflegepersonal und auch Aktivistinnen und Aktivisten - das sind die Zusammenschlüsse, die wir brauchen, um breite Mehrheiten aufzubauen und beispielsweise durch Streiks Veränderung zu erreichen.