Nach erneutem Haftprüfungsverfahren

Stuttgart: "Querdenken"-Gründer Ballweg aus U-Haft entlassen

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Verena Neuhausen
Verena Neuhausen
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Kerstin Rudat
Kerstin Rudat

Neun Monate saß der Gründer der "Querdenken"-Initiative Michael Ballweg in Untersuchungshaft. Am Dienstag kam er aus der JVA Stuttgart-Stammheim frei.

"Querdenken"-Gründer Michael Ballweg ist am Dienstagnachmittag aus der Untersuchungshaft in Stuttgart-Stammheim entlassen worden. Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hatte zunächst den Haftbefehl gegen eine Auflage aufgehoben. Das OLG hat die Aufhebung des Haftbefehls mit der Verhältnismäßigkeit begründet. Der "Fluchtanreiz" sei im Hinblick auf die zu erwartende Strafe im Falle einer Verurteilung geringer. Das Landgericht Stuttgart erteilte dann noch die Freilassung Ballwegs aus der Untersuchungshaft.

Die Auflage beinhaltet, dass Ballweg dem Landgericht Stuttgart die Adresse von zwei Personen mitteilen musste, über die er zuverlässig zu Prozessbeginn geladen werden kann. Das OLG hatte eine nach neun Monaten U-Haft regulär vorgesehene Haftprüfung vorgenommen.

Die Anwälte von Ballweg, Reinhard Löffler (rechts), Rechtsanwalt und Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg (CDU), und Rechtsanwalt Ralf Ludwig vor dem Eingang der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim
Die Anwälte von Ballweg, Reinhard Löffler (rechts), Rechtsanwalt und Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg (CDU), und Rechtsanwalt Ralf Ludwig unterhalten sich mit einem Antrag auf Haftentlassung für den "Querdenken"-Initiator Michael Ballweg in Händen vor dem Eingang der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim.

Prozessbeginn noch unklar

Ende März war Anklage gegen den Gründer von "Querdenken 711" erhoben worden. Wann das Landgericht nach der Anklage durch die Staatsanwaltschaft wegen versuchten Betrugs, Geldwäsche und Steuerstraftaten gegen Ballweg verhandelt, steht noch nicht fest. Ballweg saß seit dem 29. Juni 2022 wegen des Verdachts auf Geldwäsche und Betrug in Untersuchungshaft.

Vorwurf versuchter Betrug

Michael Ballweg wird zum einen versuchter Betrug vorgeworfen. Dieser soll sich offenbar so abgespielt haben: Ballweg hatte viel Geld seiner Firma und aus seinem Privatvermögen für "Querdenken 711" ausgegeben. Das sollen angeblich mehr als 800.000 Euro gewesen sein. Als Ballweg dann das Geld ausgegangen sei, habe er seine Unterstützer um Hilfe gebeten. Die hätten ihm insgesamt mehr als eine Million Euro überwiesen. Auf der Website von "Querdenken 711" hatte es lange Zeit die Möglichkeit gegeben, Geld über verschiedene Kryptowährungen sowie über PayPal zu schicken - bei den Aktionen sollte nur unbedingt das Wort "Schenkung" im Betreff verwendet werden und nicht "Spende".

Laut Verteidigung haben 9.450 Personen dem "Querdenken"-Gründer Geld überwiesen. Von diesem Geld soll Ballweg dann, so die Staatsanwaltschaft, mindestens eine halbe Million Euro in sein Privatvermögen umgeleitet haben. Juristisch gesehen sei es versuchter Betrug, weil den Geldgebern vorgegaukelt worden sei, Ballweg habe sich darum bemüht, dass "Querdenken 711" als gemeinnützig anerkannt wird. Zudem habe er sich nicht um den Aufbau einer gemeinnützigen Stiftung oder eines Vereins bemüht.

Viele Ballweg-Unterstützer sehen vermutlich keinen Betrug

Eine strittige Frage wird im Prozess sein, ob wirklich ein Schaden entstanden ist. Es kann gut sein, dass eine Vielzahl derjenigen, die Ballweg Geld überwiesen haben, kein Problem (und damit auch keinen Schaden) sehen, dass Ballweg das Geld privat verwendet haben könnte. Die Geldgeber haben Ballweg als Menschen mit seinem Anliegen unterstützen wollen, argumentiert die Verteidigung. Ist das dann Betrug?

Ob die Zuwender wirklich getäuscht worden sind, ist rechtlich eine knifflige Frage: Letztlich kommt es allerdings darauf an, ob die Geldgeber tatsächlich getäuscht worden sind, nicht ob sie sich getäuscht fühlen oder nicht. Vor Gericht wird es vermutlich auch um die von Ballweg gegründete Stiftung gehen, bei der es sich um eine Familienstiftung handelt und dass diese im Regierungsbezirk Darmstadt (also in einem anderen Bundesland) gegründet wurde, wo ein anderes Stiftungsrecht gilt.

Der Gründer der "Querdenken"-Bewegung Michael Ballweg wurde am Dienstag aus der U-Haft entlassen.
Der Gründer der "Querdenken"-Bewegung Michael Ballweg wurde am Dienstag aus der U-Haft entlassen.

Vorwurf Geldwäsche

Außerdem wird Ballweg Geldwäsche vorgeworfen - also, dass er das illegal erworbene Geld dann in bar abgehoben hat oder in andere Geldanlagen, etwa Kryptowährungen, umgewandelt hat - um die Herkunft des Geldes zu verschleiern. Dem Bargeld kann man dann, anders als bei einem Betrag auf einem Konto, nicht mehr zuordnen, wo es herkommt.

Vorwurf Steuerhinterziehung

Der dritte Vorwurf ist Steuerhinterziehung. Wegen des Steuergeheimnisses äußert sich die Staatsanwaltschaft dazu nicht. Die Verteidigung sagt aber, dass auch hier ein Anklagepunkt vorliege. Konkret geht es demnach um die Steuererklärungen des Privatmanns Ballweg und seines Unternehmens für das Jahr 2020, die im August 2022 fällig waren, aber nicht fristgerecht eingereicht worden seien. Die Verteidigung argumentiert, dass diese Erklärungen gar nicht fristgerecht eingereicht werden konnten, da Ballweg schon vor Ablauf der Frist in Untersuchungshaft gelandet sei.

Was sagt die Verteidigung zu den Vorwürfen?

Das Anwaltsteam sagt, es sei nie zu Betrug gekommen. Dieses besteht derzeit aus drei Wahlverteidigern (MdL Reinhard Löffler, CDU, Alexander Christ aus Berlin und Ralf Ludwig) sowie einem Pflichtverteidiger (Ralf Dalla Fini). Ballweg habe nachweisbar über 800.000 Euro für "Querdenken 711" ausgegeben und zunächst Zahlungen seiner Sympathisanten dafür verwendet. Darüber hinaus habe er weiteres Geld der Unterstützer auf seinen privaten Konten (oder in Kryptowährungen) geparkt, um es auch künftig für "Querdenken" auszugeben.

Die Verteidiger meinen, die Staatsanwaltschaft müsse im Prozess beweisen, wofür Ballweg das Geld privat verwendet haben soll. Die Staatsanwaltschaft spricht von mindestens einer halben Million Euro, die Ballweg in sein Privatvermögen übernommen haben soll. Den Vorwurf der Geldwäsche weisen die Verteidiger ebenfalls zurück. Das Geld sei nicht illegal erworben worden, deshalb sei es auch keine Geldwäsche.

Warum so lange U-Haft?

Bisher hatten die Gerichte beim Fall Ballweg immer die Fluchtgefahr bestätigt. Deswegen hat die Untersuchungshaft so lange angedauert. Laut Verteidigung wurde die Fluchtgefahr mit dem Hausverkauf Ballwegs und der Einlagerung seines Hausstandes in einem Container am Hamburger Hafen begründet.

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Weltreise statt Absetzung ins Ausland?

Aus Hausverkauf und Einlagerung hätten die Ermittler offenbar geschlossen, dass sich Ballweg ins Ausland absetzen wolle, so einer der Verteidiger. Das sei aber nicht der Fall, so der Anwalt gegenüber dem SWR. Vielmehr sei das Haus im Zuge einer mittlerweile vollzogenen Scheidung verkauft worden. Die Möbel seien in Norddeutschland eingelagert worden, da dort Ballwegs Freundin lebe. Zudem plane Ballweg schon lange eine Weltreise. Einen dauerhaften Umzug ins Ausland habe Ballweg aber nie vorgehabt, so seine Anwälte.

Verteidigung: Ballweg wird wie ein politischer Gefangener behandelt

Die Verteidigung behauptet, Ballweg werde anders behandelt, als das bei anderen Verdächtigen der Fall sei. Als Beispiel werden ein angeblich schleppender oder verzögerter Schriftverkehr angeführt, nur zögerliche Akteneinsicht oder mangelndes rechtliches Gehör von Ballweg und seinen Anwälten. Die Staatsanwaltschaft weist diese Vorwürfe zurück. Gerichte bis zum Bundesverfassungsgericht hätten den Umgang mit Ballweg mehrfach überprüft und keinerlei Grund zur Beanstandung gefunden.

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