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„Rimini“ von Ulrich Seidl: Alles andere als leichte Kost

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AUTOR/IN
Julia Haungs

Richie Bravo, einst ein gefeierter Schlagerstar, jagt im winterlichen Rimini seinem verblichenen Ruhm hinterher. Mit Auftritten vor Bustouristen und Liebesdiensten an weiblichen Fans finanziert er seinen ausschweifenden Lebensstil zwischen Dauerrausch und Spielsucht. Als eines Tages seine erwachsene Tochter vor ihm steht und das Geld einfordert, das er ihr nie gegeben hat, beginnt seine Welt zu kollabieren. Regisseur Ulrich Seidl stand zuletzt in der Kritik wegen des zweiten Teils seiner „filmischen Diptychons über zwei Brüder“: Beim Dreh von „Sparta“ wurde laut Spiegel Recherchen das Wohl der rumänischen Kinderdarsteller gefährdet.

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Schlagerstar Richie Bravo auf dem Weg nach unten

Vermeintliche Urlaubsparadiese haben Ulrich Seidl schon in anderen Filmen angezogen. Dieses Mal also Rimini. Seidl zeigt den Ort nasskalt und nebelverhangen im Winter: geschlossene Hotels, kaum Touristen, an den Stränden nur obdachlose Flüchtlinge. Ein Ort, der seine beste Zeit ebenso hinter sich hat wie die Hauptfigur des Films: der abgehalfterte Schlagerstar Richie Bravo. In Riminis drittklassigen Hotels tritt er vor österreichischen Rentner-Reisegruppen auf.

 

Callboy für ältliche Damen

In den frühen 1990ern muss Richie Bravo ein fescher Herzensbrecher gewesen sein. Heute ist seine Stimme gezeichnet von unzähligen Zigaretten. Der massige Körper zeugt von zu viel Alkohol und wenig Pflege. Um seine Spielsucht zu finanzieren, schläft Bravo neben seinen Auftritten gegen Bezahlung mit älteren Frauen. Einige von ihnen bewundern den Sänger noch immer.

Die Grenze zwischen Spielfilm und Doku verwischt

Ulrich Seidl hat mit dem Schauspieler Michael Thomas die Idealbesetzung für seinen schmierigen, aber doch irgendwie auch sympathischen Verlierer gefunden. Thomas performt die eigens für den Film komponierten Schlager mit überzeugender Inbrunst. Vor allem aber spielt er komplett angstfrei und wirkt dabei so authentisch, dass man – wie oft bei Filmen von Ulrich Seidl – streckenweise das Gefühl hat, einer Doku zuzusehen.

Hoffnungsvolles Ende eines tieftraurigen Films

Schließlich bricht noch eine andere Gegenwart in den Film ein: die Flüchtlinge, die am Strand von Rimini campieren. Bis dahin ist Bravo achtlos an ihnen vorbeigelaufen. Jetzt muss er sich zu ihnen verhalten. Auf den letzten Metern bekommt Seidls Film so eine unerwartete Wendung, die diesem tieftraurigen Film etwas wie eine hoffnungsvolle Note verleiht. Einsam ist Bravo am Ende zumindest nicht mehr. Und Frühling wird es auch endlich.

Trailer „Rimini“, ab 6.10. im Kino

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Julia Haungs