Crashkurs für Kunstbanausen

Bluffen auf der Art Basel: 5 Smalltalk-Tipps für Ahnungslose

Stand
Autor/in
Lydia Huckebrink
Lydia Huckebrink, Autorin SWR Kultur

Am 13. Juni beginnt die Art Basel. Wie jedes Jahr fragen sich tausende Messebesucher, wie man da geistreich über Kunst redet, obwohl man eigentlich keinen Funken Ahnung hat. Wir haben 5 Tipps, wie man beim Messe-Smalltalk jederzeit eloquent rüberkommt.

Ein Besucher betrachtet das Bild 'Unter grossem Hut'  vom Deutsch-Schweizer Maler Paul Klee
Paul Klees Position ist von komplexer visionärer Intensität – die Fachwelt ist sich da einig.

1. Die Wörter „Bild“, „Werk“, „Ding“ oder „Haufen“ aus dem Vokabular streichen

Die einfachste Regel für einen überzeugenden Auftritt im Kunstzirkus lautet: Das Trendwort kennen und inflationär benutzen. Auf der Art Basel sprechen heute alle von „Positionen“. Die Wörter „Bild“, „Werk“, „Ding“ oder „Haufen“ können Sie getrost aus Ihrem Vokabular streichen.

Grundsätzlich alles kann eine „Position“ sein. Es ist so etwas wie die intellektuelle Version von „Dingsbums“ (siehe Punkt 2). Was damit gemeint ist, weiß man nie so genau. Die Künstlerin? Ihr Œuvre? Ihre politische Haltung? Eine Idee oder künstlerische Handschrift? Undurchsichtig genug also, um heißer Luft einen geistreichen Anstrich zu verpassen.

2. Alltagswörter durch umständliche Fremdwörter ersetzen

Es ist eine altbekannte Rechnung: Je aufgemotzter die Fachsprache, desto sachkundiger erscheint die Rednerin. Das gilt nicht nur für die Kunstwelt. Ein paar Beispiele:

Betrachterin = Rezipientin
Komischer Haufen = Installation
Menschen = Subjekte
Geschichte = Historie

Ziel ist es, sich so kompliziert wie möglich auszudrücken.

3. Möglichst viele Adjektive aneinander reihen

Wer möglichst viele schlaue Adjektive aneinanderreiht, verwirrt seinen Gesprächspartner mit vermeintlich intellektuellen Wortgirlanden. Wer den Kunst-Sprech auf fortgeschrittenem Niveau beherrscht, substantiviert diese zusätzlich – das klingt besonders eloquent.

„Ein Werk von komplexer visionärer Intensität!“ „Der hektische Pinselduktus illuminiert fragmentarisch die geometrische Strenge des Bildraums.“ Oder: „Ein Œuvre im Spannungsfeld von ergreifender Emotionalität und rebellisch subversiver Ambition.“ Niemand kann Ihnen mehr folgen? Dann haben Sie alles richtig gemacht.

4. Übertreiben!

Eine Installation ist nicht einfach groß, nein – mindestens „raumgreifend“ ist sie. Sie beobachten eine neue Mode im Kunstzirkus? Blasen Sie diese kurzerhand zum „Paradigmenwechsel“ auf. Nur keine falsche Bescheidenheit. Auch in dünne Werke lässt sich ein „kritischer Diskurs“ hineininterpretieren.

Wichtig: Formulieren Sie nie Meinungen, sondern stets allgemeingültige Aussagen. Statt „Ich habe letztens bei SWR Kultur gehört, dass …“ geht auch: „Kunstexpertinnen diskutieren kontrovers darüber, ob…“. Oder: „Die Fachwelt ist sich darüber einig, dass Künstler XY so tiefgründig über die abendländische Malerei reflektiert hat, wie es in keinem anderen Werk jemals stattgefunden hat.“ Niemand wird an dieser Expertise zweifeln.

5. Entspannt bleiben

Es gibt ständig Werke, mit denen man beim besten Willen nichts anfangen kann – kein Grund zur Panik. Kunst fängt ja erst dann richtig an, wenn wir uns ratlos fragen, was das alles eigentlich soll. „Die Künstlerin fordert hier unsere Sehgewohnheiten heraus.“ Mit diesem Satz ziehen Sie sich jederzeit elegant aus der Affäre.

Schieben Sie dann noch ein bedeutungsschweres „spannend!“ hinterher, sind Sie auf der sicheren Seite – viel angedeutet, aber nichts gesagt. Selbstverständlich ist Ihnen aufgefallen, dass dieses Ding vor Ihnen höchst beachtenswert ist – aus welchen Gründen genau, darüber wird sich dann ihr Gegenüber den Kopf zerbrechen.

Wenn all diese Tipps fehl schlagen, hilft immer noch eins – die Flucht an die Bar. Gönnen Sie sich einen Drink, beobachten Sie das Treiben aus sicherer Distanz und lassen Sie die anderen über Kunst schwadronieren.

Gespräch mit der Messe-Leiterin Maike Cruse:

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