Der Kleine Schlossplatz erzählt ein spannendes Stück Stuttgarter Stadtgeschichte. Und er ist ein Wahrzeichen für Irrtümer in der Stadtplanung. Böse Zungen bezeichnen ihn als einen dieser Un-Orte in einer reichen Stadt, in der es viel um Konsum und Geld geht, aber Begegnungsorte von ganz unterschiedlichen Menschengruppen zu wenig Raum bekommen. Das Künstlerkollektiv „Umschichten“ versucht seit einigen Monaten mit seinem Projekt „Platzprobe“ dem etwas seelenlosen Ort eine neue Bestimmung zu schenken.
Fünf neue Objekte laden zum Verweilen ein
Natursteinboden, Glas, Beton und Stahl: alles Grau in Grau. Es regiert der architektonische Minimalismus.
Und während oben am kleinen Schlossplatz Menschenleere herrscht, tobt unten am großen das Leben: Es ist eigentlich immer ein bisschen zu voll hier. Ein paar Treppenstufen weiter oben herrscht eine ganz andere Atmosphäre. Eine Grasfläche zum Sitzen sucht man vergebens, die Menschen verweilen nicht, sie überqueren den Platz auf ihrem Weg.
Aber seit einigen Monaten finden sich hier auf dem Platz in all dem nüchternen Grau optische Stolperstellen: zum Beispiel eine Art riesiger Tisch aus Holz. Er liegt auf bunt angemalten Latten in leuchtendem Blau und Orange. Platziert hat sie das Künstlerkollektiv „Umschichten“ aus Stuttgart.
Auf dem Tisch essen die Menschen zu Mittag. Ein Element sieht schon aus wie eine Halfpipe für Skater – entsprechen demoliert ist es jetzt nach einigen Monaten – und wird auch als überdimensionales Sofa genutzt.
Eine Art stehende Scheibe wird durch hinzugefügte Stäbe zu einem Tresen, auf dem Menschen ihren Prosecco schlürfen. Ein riesiges amorphes Objekt an der Ecke bietet gemeinsam mit den nicht wirklich einladenden Steinquadern auf dem Platz die Möglichkeit, sich richtig gegenüber zu sitzen und sich zu unterhalten.
Insgesamt gibt es fünf Objekte, die einladen, kreativ bespielt zu werden.
Der Platz hat eine bewegte Vergangenheit
Die Basis von den Objekten sind riesige und schwere Vollholzelemente, die verwendet wurden, um den neuen Stuttgarter Bahnhof in Beton zu gießen. Recycelter Abfall mit Geschichte also.
Apropos Beton: Der Kleine Schlossplatz hat eine bewegte Vergangenheit: Nach dem Krieg entstand hier ein Tunnel. Quer durch das Herz von Stuttgart: der Traum von der autogerechten Stadt der Zukunft mit sechs Fahrbahnen.
Auf dem Betondeckel über den Straßen und Gleisen entstanden Läden. Eine Art Mini City. Aber die Idee auf dem Papier ging nicht auf: Aus dem Traum von der blühenden Zukunft wurde schnell eine Betonwüste. Kalte Platte wurde der Platz im Volksmund genannt.
Ein ranziger, aber hipper Treffpunkt inmitten der Stadt entsteht
Schmutz, Verfall und Kriminalität statt hippem Shopping-Mekka. Schon damals versuchte sich einer daran, den eher menschenfeindlichen Platz mithilfe von Kunst zum Begegnungsort werden zu lassen. „Platzmal“ hieß das Projekt von Otto Herbert Hajek von 1968.
Dafür ließ der Künstler den Platz großflächig mit geometrischen Formen bemalen und stellte Plastiken auf, die zum Sitzen und Verweilen einladen sollten. Auch die Wände der umliegenden Gebäude wurden bespielt. Aber erst in den 90er-Jahren schaffte es der Platz, sein Schmuddel-Image abzulegen.
Die Subkultur hatte sich dort in den verlassenen Flächen breitgemacht und der Platz war ganz anders als geplant zu einem ranzigen, aber hippen Treffpunkt mutiert. Bis er 2002 dem Neubau des Kunstmuseums weichen musste und wieder in den Dornröschenschlaf fiel und seither nach einer neuen Bestimmung sucht.
Warum gibt es eigentlich so viele Orte, die auf dem Papier Sinn ergeben – aber dann in der Realität von den Menschen nicht so angenommen und zu Unorten werden?
„Es ist eigentlich ganz selten gelungen, dass man mit dem ersten Wurf eine richtig gute Stadt oder ein Quartier oder einen Platz entworfen hat. Sondern eigentlich erst mit den Schritten danach – die meist eine Mischung sind aus der sozialen Praxis – also wie wird der Raum genutzt – und dann wird der Raum an die soziale Praxis angepasst“, sagt Stadtplaner Philipp Dechow.
Die Kunstintervention von „Umschichten“ ist vielleicht ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin, dass der Platz sich so wandelt, dass er irgendwann mal wieder ein Ort der Begegnung wird.
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