Lebenswerk und Lebensweg von Emil Nolde stehen im Mittelpunkt einer großen Ausstellung im Museum Würth 2 in Künzelsau. In Kooperation mit der Nolde-Stiftung Seebüll bietet die Schau einen kritischen Blick auf hinreißend schöne Malerei – und stellt am Ende die überraschende Frage: War Nolde postmodern?
Im Urlaub verliebte sich Reinhold Würth in ein Bild Noldes
Als der Unternehmer Reinhold Würth im Sommer 1972 im Tessin Ferien macht, schläft er schlecht. Dabei ist eigentlich alles bestens: Würth urlaubt mit Frau und Freund, daheim in Hohenlohe floriert sein Unternehmen.
Aber die Unruhe bleibt, denn der schwäbische Schaffer hat sich frisch verliebt – und zwar in ein Bild: das Aquarell „Wolkenspiegelung in der Marsch“ von Emil Nolde.

Das Bild passt zu Reinhold Würth
Die „Wolkenspiegelung“ trägt die Inventarnummer drei von heute über 20.000 Kunstwerken der Sammlung Würth – und sie passt noch aus anderem Grund perfekt zum aktuellen runden Geburtstag des Patriarchen.
„Beide werden 90 Jahre alt, Reinhold Würth und die Wolkenspiegelung auch – sie ist 1935 entstanden, und das nahmen wir dann einfach zum Anlass, ihm diese Ausstellung zu widmen, und jetzt eben hier im Museum Würth 2 das Werk Noldes auszubreiten.“ schildert Sylvia Weber, Direktorin des Würth-Museums in Künzelsau.
Fast 150 Exponate
Ausbreiten ist wörtlich zu verstehen: Dank Kooperation mit der Nolde-Stiftung Seebüll erlauben fast 150 Exponate einen umfassenden Blick auf Emil Noldes Leben und Werk einen Künstler, der auch deswegen fasziniert, weil da rätselhafte und immense Spannungen sind, in seinem Werk und in seiner Biografie.









Der norddeutsche Bauernsohn soll nach dem Willen des Vaters was Handfestes lernen, am besten Schlachter. Seine Mutter kennt ihn besser und schenkt Emil einen Farbkasten. Als junger Mann schwimmt er sich schließlich frei, unternimmt Reisen bis auf pazifische Inseln.
In den Bildern lässt sich viel entdecken
Ein Porträt seines dortigen einheimischen Leibdieners gerät beinahe zur Liebeserklärung. Tamara Schneider von der Nolde Stiftung Seebüll:
„In der Südsee hat er dieses Porträt von Jupuallo gemacht mit diesen Hibiskusblüten auf dem Kopf. Sie hatten so ein inniges Verhältnis, dass man, wenn man genauer auf dieses Werk schaut, man unten mit Bleistift auch noch so zwei Herzchen sieht. Das sind so die kleinen Details, die man in so einer Ausstellung dann auch noch mal entdecken kann.“
Expressiver Farbrausch
Die Emotionalität und der expressive Farbrausch sind eine Konstante in Noldes Bildwelt, ob er nun die Sonne der Tropen malt oder das kalte Glitzern von Berliner Nachtclubs, erklärt Ko-Kuratorin Beate Elsen.
„Da hat er hier zum Beispiel so eine Berliner Gesellschaft Nachtszene gezeigt, in diesen leuchtenden gelben und roten Farben. Man kann sagen, da brennt die Luft, man sieht eben, dass er immer auf atmosphärische Dinge sehr geachtet hat, genau wie in seinen Landschaftsdarstellungen auch.“
Nolde war Antisemit
Bald hat Noldes Werk großen Erfolg, und als 1933 die NS-Herrschaft beginnt, ergibt sich daraus eine bizarre Konstellation. Der Künstler ist zutiefst völkisch und antisemitisch gesinnt, und zugleich felsenfest davon überzeugt, dass seine expressive Malweise urdeutsch sei.
Dass die neuen Machthaber seine Bilder als „Entartete Kunst“ verdammen, mag Nolde nicht begreifen, er bleibt seinem Stil treu. Doch nach 1945 ermöglicht ihm das „Entartet“-Etikett, sich als verfolgter Künstler auszugeben – eine Fiktion, die bis vor wenigen Jahren Bestand hatte.
Eine fulminante Schau
Die inneren Widersprüche zwischen Nolde und der biederen Volkstümelei seiner Gesinnungsgenossen zeigen sich auch in den wohl interessantesten Räumen der Ausstellung.
Am Ende des Rundgangs werden Noldes Reise-Souvenirs präsentiert, die er später in Kompositionen von Stillleben einbaute. Nun stehen die Gegenstände neben ihre gemalten Abbildern – und man erkennt die rätselhafte Kluft zwischen dem völkisch tickenden Zeitgenossen und dem frei schweifenden Künstler.
Die fulminante Schau steht unter dem Titel „Welt und Heimat“ - eine treffsichere Analogie für die Spannung zwischen Enge und Weite, Antrieb und Verwurzelung – beim Künstler wie beim Kunst sammelnden Geburtstagskind.
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