Ausstellung zu renommiertem Fotowettbewerb

Der Leica-Award in den Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim

Stand

Von Autor/in Andreas Langen

Der „Leica-Oskar-Barnack-Award“ ist ein weltweiter, renommierter Wettbewerb für aktuelle Fotografie mit Schwerpunkt auf Dokumentation und Bildjournalismus. Eine kleine, aber feine Auswahl des aktuellen Jahrgangs ist jetzt in den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen zu sehen.

Wer derzeit den Bassermann-Bau der Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim betritt, den empfangen direkt im Foyer Bilder des italienischen Fotografen Davide Monteleone. Seine Kompositionen schwelgen in satten Primärfarben, Zitronengelb in schönstem Kontrast zu tiefem Himmelblau. Hach ja, bella Italia, denkt man schon - doch da löst sich beim Näherkommen jedes Idyll auf.

Das hier ist kein Feriengebiet, und diese gelben Farbflächen da sind keine mediterranen Kacheln – sondern Luftaufnahmen von giftig gelben Industrielagunen. Monteleones verführerisch schöne Bilder zeigen die Lithium-Produktion im Hochland von Chile

Davide Monteleone, Luftaufnahme der Lithium-Verdunstungsteiche, Albemarle-Anlage, Chile, April 2023
Davide Monteleone, Luftaufnahme der Lithium-Verdunstungsteiche, Albemarle-Anlage, Chile, April 2023.

Ästhetische Bilder trotz kritischer Aussage

„Man muss sich erst mal mit den Bildern beschäftigen, um zu wissen, was man sieht. Die wirken erst mal wie abstrakte Farbflächenmalerei. Aber das ist intendiert von Davide Monteleone, weil er sagt: Ich lege ganz großen Wert auf eine Ästhetik meiner Bilder, trotz der kritischen Aussage, die dahintersteckt, weil das nachhaltiger ist. Man kann das Bewusstsein der Betrachter mehr dadurch gewinnen, dass man diese ästhetische Komponente mitspielt“, erklärt die Fotografie-Kuratorin Stephanie Herrmann von den Reiss-Engelhorn-Museen.

Davide Monteleone: Arbeiter nehmen Proben aus einem Lithiumbecken, Albemarle-Werk, Chile 2023
Davide Monteleone: Arbeiter nehmen Proben aus einem Lithiumbecken, Albemarle-Werk, Chile 2023.

Kleinbildkamera hat Bildjournalismus ermöglicht

Stephanie Herrmann hat eine kleine, aber äußerst gehaltvolle Auswahl aus den Gewinner-Beiträgen des diesjährigen Leica-Oskar-Barnack-Wettbewerbs getroffen. Das Oberthema ist stets Mensch und Umwelt, daher sieht man hier dokumentarische oder bildjournalistische Fotografie. 

Stephanie Herrmann: „Das ist ja auch sozusagen mit der Kleinbildkamera erst möglich geworden, die wir ja eben Oskar Barnack, dem Namensgeber des Preises, verdanken, der mit der Ur-Leica sozusagen den Bildjournalismus begründet hat.“

Etinosa Yvonne: Hajara Abubakar, Nigeria 2018, aus der Serie It’s All in My Head
Etinosa Yvonne: Hajara Abubakar, Nigeria 2018, aus der Serie „It’s All in My Head“.

Nicht nur konventionelle Fotografie

Einreichungen zum Wettbewerb sind jedoch nicht an die Benutzung der Kamera-Marke gebunden, und schon gar nicht an die Konventionen von Zeitungs- und Magazin-Fotografie.

Einige der sechs von Stephanie Herrmann ausgewählten Beiträge sind eher künstlerische Arbeiten; etwa die doppelt belichteten Portraits der nigerianischen Fotografin Etinosa Yvonne oder die Serie „Un-Aufmerksamkeit“ des Brasilianers Lucas Lenci – beide in schwarz-weiß.

Lencis Thema ist visuelle Reizüberflutung – das mit noch mehr Fotos zu thematisieren, erscheint ziemlich paradox. Seine Lösung: Bilder von großen LED-Displays im öffentlichen Raum, minutenlang belichtet, man sieht nur riesige weiße Leinwände: „Also er karikiert damit quasi diese Überfüllung an Informationen, die jeden Tag auf uns einprasseln, egal, wo wir sind, die verschwinden ins Nichts.“

Lucas Lenci: Der größte LED-Panel-Tunnel der Welt verbindet Geschäftsgebäude in São Paulo, Brasilien 2023
Lucas Lenci: Der größte LED-Panel-Tunnel der Welt verbindet Geschäftsgebäude in São Paulo, Brasilien 2023, aus der Serie Inattention Era.

Leica-Nachwuchspreis an moldawische Fotografin

Das Nichts, aber als schmerzhafte Lücke, beschäftigt auch die junge moldawische Fotografin Maria Gutu, Gewinnerin des Leica-Nachwuchspreises. Gutu ist ohne Eltern aufgewachsen, wie rund ein Fünftel aller Kinder in Moldau, weil die Erwachsenen gezwungen sind, auf der Suche nach Arbeit ins westliche Ausland zu gehen.

„Sie ist hin- und hergerissen, setzt sich eben mit ihrer eigenen Geschichte auseinander, stellt die Frage: Was ist Heimat? Und ist da wirklich ganz ambivalent in ihren Gefühlen, weil sie eine tolle Kindheit bei ihren Großeltern verlebt hat:

Maria Guțu: Moldawien 2022, aus der Serie Homeland
Maria Guțu: Moldawien 2022, aus der Serie „Homeland“.

Freiheit, Unbeschwertheit, draußen spielen, Wälder, Natur, empathische Menschen. Aber natürlich sieht sie auch jetzt als Erwachsene die Probleme, die in dem Land vorherrschen: große Strukturschwächen, keine Gesundheitsversorgung; für die junge Generation eine große Perspektivlosigkeit. Und das beschreibt diese Serie Homeland mit sehr kritischen Bildern, aber auch unglaublich liebevoll empathischen Aufnahmen.“

Meisterhafte Fotografien, bescheiden platziert

Diese Mannheimer Ausstellung ist kunstvolles Understatement: Gerade mal sechs Winkel aus schlichten Stellwänden, ganz bescheiden platziert am Durchgang zu den eigentlichen Ausstellungsräumen. Aber die präzisen und einfühlsamen Sichtweisen dieser meisterhaften Fotografinnen und Fotografen öffnen uns Fenster in die Welt, wie wir sie vorher noch nicht gesehen haben.

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