Frust in Apotheken ist groß - viele fühlen sich von der Politik alleine gelassen.  (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance)

Trierer Apotheker erzählen

Warum der Frust in den Apotheken so groß ist

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Lena Bathge
Lena Bathge ist multimediale Reporterin im SWR Studio Trier (Foto: Lena Bathge )

Apotheker in der Region Trier sind frustriert. Sie leiden unter Arbeitsbelastung, Medikamentenmangel und den Folgen der Energiekrise. Viele fühlen sich von der Politik allein gelassen.

Die älteste Apotheke Deutschlands, eröffnet im Jahr 1241, liegt mitten im Herzen der Trierer Innenstadt. Auch 781 Jahre nach ihrer Gründung herrscht dort noch immer Trubel. Fünf bis sechs Apothekerinnen und Apotheker sind gleichzeitig im Einsatz - immer vorausgesetzt, dass niemand krankheitsbedingt ausfällt.

"Zurzeit ist es angespannt, wir haben einen erhöhten Krankenstand."

Große Mehrbelastung in Apotheken

Luzie Schmiz-Rölz führt die Apotheke am Trierer Hauptmarkt gemeinsam mit ihrem Mann. Die Corona-Pandemie habe mentale und körperliche Spuren hinterlassen. "Jeder bringt eine erhöhte Anspannung mit, das merkt man schon", so Schmiz-Rölz. Die Belastung der Mitarbeiter sei in den letzten Jahren nur gestiegen.

Älteste Apotheke Deutschlands (Foto: SWR)
Die Löwen-Apotheke in Trier ist die älteste Apotheke Deutschlands - gegründet 1241.

Engpässe bei Medikamenten mit globalen Lieferketten

Es ist die Gesamtsituation, die viele Apothekerinnen und Apotheker an ihre mentalen und finanziellen Grenzen bringt, meint auch Christoph Emmerich. Der Trierer Apotheker arbeitet für die Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz. "Da ist zum einen die Mehrbelastung durch die Corona-Pandemie, zum anderen herrscht in vielen Apotheken akuter Personal- und Medikamentenmangel", so Emmerich.

"Gerade im Bereich der Medikamente haben wir globale Lieferketten", erklärt er. In diesem fein abgestimmten System müsse nur ein Rädchen haken, um Probleme zu verursachen.

"Die Havarie eines Schiffes im Suez-Kanal oder der Container-Stau im Hafen von Shanghai sorgen dafür, dass wichtige Medikamente Deutschlands Häfen nicht mehr erreichen."

Finanzielle Belastung durch neues Bundesgesetz Müssen bald mehr Apotheken in RLP schließen?

Entlastung, keine neue Belastung: Das wünschen sich die Apotheken und sind sauer auf ein neues Bundesgesetz, das am Donnerstag beschlossen wurde. Das soll sie nämlich ab 2023 mehr belasten.

Der Tag in RLP SWR1 Rheinland-Pfalz

"Die Hersteller produzieren nicht mehr auf Lager, sondern nur noch gemessen an der Nachfrage. Im Vorjahr wird geplant, wie viel im Folgejahr produziert wird", so Emmerich. "Wenn dann plötzlich die Nachfrage für ein Medikament steigt, wird es eng." Das habe man gut zu Beginn des Kriegs in der Ukraine sehen können. Viele Menschen hätten Medikamente gekauft, um diese zu spenden. Dadurch sei die Nachfrage hochgegangen, die Produktion komme so schnell aber nicht hinterher.

Verbraucher sollen keine "Panik-Käufe" machen

"Wir sind ständig auf der Suche nach Arzneimitteln, um unser Lager wieder aufzufüllen, damit die Kunden auch versorgt sind", erzählt auch Luzie Schmiz-Rölz von der Löwen-Apotheke in Trier. Die meisten ihrer Kunden seien verständnisvoll und wüssten, dass das Problem woanders liege. Aber es setzt die Apothekerinnen und Apotheker dennoch unter Druck.

Christoph Emmerich von der Landesapothekerkammer nimmt deshalb auch die Verbraucher in die Verantwortung. "Bitte, machen Sie keine Panik-Käufe", appelliert der Apotheker. "So entsteht erst recht ein Mangel. Es ist dasselbe Prinzip wie beim Sonnenblumenöl oder beim Klopapier zu Beginn der Pandemie."

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Mitarbeiter in Apotheken dringend gesucht

Hohe Krankenstände und fehlender Nachwuchs machen den Apothekerinnen und Apothekerin zusätzlich zu schaffen. "Das Personal ist nach den langen Jahren der Corona-Pandemie ausgelaugt", meint Christoph Emmerich.

"Es wird immer schwerer, jungen Menschen Freude und Motivation für diesen Beruf zu vermitteln."

In der Pharma-Industrie erwarten Studierende oft eine bessere Bezahlung und bessere Arbeitszeiten als in den Apotheken. Ein erster wichtiger Schritt, um dem Personalmangel entgegenzuwirken, findet Emmerich, wäre die schnellere und einfachere Anerkennung von Ausbildungen aus Drittländern.

"Wir müssen die Leute aus dem Ausland hierher holen", fordert der Apotheker und nimmt die Politik in die Pflicht. "Da muss sich dringend etwas ändern, sonst werden wir in den nächsten Jahren immer mehr Apotheken verlieren."

Finanzieller Druck auf Apotheken steigt

Auch die finanzielle Grundlage der Apotheken wird immer instabiler. "Ich kenne viele Apotheker, die gerade massiv mit den Energiepreisen hadern", berichtet Apothekerin Luzie Schmiz-Rölz aus Trier. Die Kosten für Gas und Strom in den häufig angemieteten Geschäftsräumen gingen durch die Decke, die Apotheker hätten aber nur wenige Stellschrauben, an denen sie drehen können, um diese zusätzlichen Kosten auszugleichen.

"Kassenrezepte haben eine Preisbindung", erklärt Christoph Emmerich von der Landesapothekerkammer. Diese werde für einen bestimmten Zeitraum festgelegt und muss eingehalten werden, unabhängig davon, ob die Kosten drum herum steigen.

Nur bei frei verkäuflichen Arzneimitteln könne der Apotheker selbst kalkulieren. "Aber auch da können wir keine Preisexplosionen erwarten, denn dann laufen wir Gefahr, dass noch mehr Kunden zu Versandapotheken abwandern, weil diese billiger sind." Rund 40 Prozent hätten sie bereits an diese verloren, so Emmerich.

Von der Politik übersehen

Das neue Gesetz zur Stabilisierung der Krankenkassen von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) setzt die Apotheker noch zusätzlich unter Druck, denn es verlangt von ihnen höhere Kassenabschläge, meint Emmerich. Viele Apothekerinnen und Apotheker fühlen sich deshalb von den Machern in der Politik übersehen.

"Man hat gewissermaßen das Gefühl, dass die Politik die Apotheken unter Wert verkauft. Wir werden oft nicht in einem Atemzug mit den anderen Sektoren des Gesundheitswesens genannt", beklagt auch Luzie Schmiz-Rölz. Das merke man oft an vermeintlichen Kleinigkeiten.

So werden die Apotheken als Einzelhandel geführt. Anders als in Arztpraxen gilt dort deshalb keine Maskenpflicht mehr, obwohl die Menschen dort ebenfalls in Krankheitsfällen Hilfe suchen. Man merke es am neuen Gesetz der Bundesregierung oder an der fehlenden Unterstützung bei der Anwerbung von Fachkräften.

Apothekensterben auf dem Land und in den Vororten

Zusätzlich zum eigenen Personalmangel fehlen auch die passenden Ärzte, um Rezepte auszustellen - vor allem in ländlichen Regionen. "Darum fahren die Leute in die nächste Stadt, wo es noch Ärzte gibt, und gehen dann auch gleich dort zur Apotheke", erzählt Emmerich. Den ländlich gelegenen Apotheken fehlen dadurch die Kunden, warnt er und hofft, dass die Apotheken von Seiten der Politik bald mehr Unterstützung erfahren. Ansonsten seien die Aussichten für die Zukunft düster.

"Wenn es so weitergeht, werden wir nochmal 2.000 bis 3.000 Apotheken durch Schließungen verlieren."

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