Lieferengpässe von Medikamenten stellen immer mehr Apotheken in Baden-Württemberg vor Probleme. Insbesondere Ibuprofen-Fiebersäfte für Kinder fehlten, aber auch Säureblocker, manche Impfstoffe und selbst Antibiotika seien zunehmend betroffen, sagte Andrea Ulsamer, Apothekerin in Karlsruhe, auf SWR-Anfrage am Donnerstag.
Apothekerin Ulsamer, die auch im Vorstand der baden-württembergischen Landesapothekerkammer ist, spricht von einer "merkwürdigen Situation": Sie wolle Patientinnen und Patienten helfen, aber immer häufiger könne sie deren Wünsche nicht erfüllen.
Nicht lieferbare Medikamente kosten Zeit und Nerven
Apothekenteams verbringen im Schnitt pro Woche fünf bis sechs Stunden mit dem Management von Lieferengpässen, so eine von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekenverbände zitierte europaweite Erhebung. Der Eindruck von Apothekerin Ulsamer: Der zusätzliche Aufwand sei in letzter Zeit sogar noch höher geworden. Ist ein Medikament bei einem Großhändler nicht zu bekommen, fragen sie und ihr Team einen weiteren an. Teilweise könne auf ein anderes Medikament mit denselben Wirkstoffen ausgewichen werden. Allerdings könne dieses deutlich teurer sein. Manchmal helfe es auch, ein Medikament in kleineren oder größeren Packungsgrößen zu verkaufen.
Viele Kundinnen und Kunden zeigen für die Lieferengpässe und die damit verbundenen Umstände Verständnis, aber nicht alle. Und auch Apothekerin Ulsamer weiß: "Das sind wir in Europa nicht gewöhnt. Wir erwarten, dass Apotheken Medikamente vorrätig haben oder spätestens bis zum nächsten Tag nachbestellen können."
Lieferengpässe bei Medikamenten gibt es schon länger. "Das Problem beschäftigt uns seit über zehn Jahren", so Carmen Gonzalez vom Landesapothekerverband Baden-Württemberg. Doch die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine hätten die Situation noch verschärft.
Für Lieferengpässe gibt es mehrere Gründe
Nur wenige Betriebe in China und Indien produzieren einen Großteil der medizinischen Wirkstoffe für den Weltmarkt. Steht dort die Produktion still, könne es auch in Europa zu Lieferengpässen kommen, heißt es bei Apothekerverbänden. Als weitere Gründe werden unter anderem exklusive Rabattverträge und gestiegene Herstellungskosten angeführt. Diese führten dazu, dass sich manche Hersteller aus der Produktion zurückziehen würden und Medikamente dadurch noch schwieriger zu bekommen seien.
Die Apothekerschaft fordert unter anderem, dass pharmazeutische Unternehmen wie Großhandel Lieferengpässe verpflichtend bekanntgeben müssen, dass Exporte von versorgungsrelevanten Arzneimitteln bei Lieferengpässen beschränkt werden können und die Produktion von Wirkstoffen und Arzneimitteln wieder verstärkt in der EU stattfinden sollte.
Apothekerverband: Was Patienten tun können
Doch nicht nur die große Politik sowie Unternehmen sind gefragt. Carmen Gonzalez vom Landesapothekerverband rät, nicht bis zur letzten Tablette zu warten. Vielmehr sollten Patientinnen und Patienten rechtzeitig für Nachschub sorgen. Das sei kein Aufruf zu Hamsterkäufen, vielmehr gehe es darum, dass Ärzte wie Apothekerinnen etwas mehr Zeit hätten, die Medikamente zu organisieren oder zumindest nach Alternativen zu suchen. Auch Apotheken versuchten durch eine clevere Bevorratung die Lieferengpässe abzufedern.
Mit einer schnellen Entspannung rechnet weder der Landesapothekerverband noch die Landesapothekerkammer. Vielmehr müsse man sich auf einen "heißen Winter" einstellen, in dem noch weitere Medikamente knapp werden könnten. Insgesamt rechnet Apothekerin Ulsamer eher damit, dass "wir noch einige Jahre mit den Problemen zu tun haben" werden.
Manche Lieferprobleme gibt es nicht mehr
Doch es gebe auch gute Nachrichten. Manche Medikamente wie zum Beispiel das Krebsmittel Tamoxifen, das insbesondere im vergangenen Jahr kaum noch zu bekommen gewesen sei, könne jetzt wieder verkauft werden, so Apothekerin Ulsamer. In einem anderen Punkt hat sich der Erfolg noch nicht richtig eingestellt. Aufgrund der nach wie vor bestehenden Lieferengpässe bei Ibuprofen-Fiebersaft stellen etliche Apothekerinnen und Apotheker den Saft selbst her. Doch die Eigenprodukte seien oft "alles andere als lecker", gesteht die Karlsruher Apothekerin ein.