In Ürzig steht das Wasser der Mosel am Ortsrand. (Foto: SWR, Sebastian Grauer)

Wieder Hochwasser in der Region Trier nach Flut 2021

Das hilft gegen die Angst vor Hochwasser

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Anna-Carina Blessmann
Anna-Carina Blessmann am Mikrofon (Foto: SWR)

Die Nachrichten zum Hochwasser in Norddeutschland und der Region Trier können Angst auslösen bei Betroffenen der Flut 2021. Experten geben Tipps, was dagegen hilft.

"Das Wasser fließt an einigen Stellen intensiv. Wiesen sind schon unter Wasser gesetzt. Das Wasser bahnt sich seinen eigenen Weg. Damit hab ich so nicht gerechnet." So beschreibt Silke Meyer ihren Eindruck von einem Besuch in Jünkerath Mitte der Woche. Meyer berät beim DRK Vulkaneifel Betroffene der Flut 2021. Jünkerath wurde damals als einer der ersten Orte im Kreis geflutet.

Bis heute ist unter anderem eine Frau aus Jünkerath bei ihr in der Beratung, mit der sie auch jetzt wieder gesprochen hat: "Sie sagte mir, das Wasser ist hoch, es ist bedrohlich. Aber auch die Menschen in Norddeutschland machen ihr Kummer. Weil sie selbst betroffen war, hat sie jetzt ein anderes Gespür dafür."

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Mit solchen Sorgen kommen auch zweieinhalb Jahre nach der Jahrhundertflut immer noch Menschen zu Meyer in die Beratung. Sie erzählen ihr zum Beispiel, dass sie nicht mehr weiter weg in den Urlaub fahren, weil sie ihr Haus nicht allein lassen wollen: "Die Dame in Jünkerath war über Weihnachten bei Verwandten. Sie wäre eigentlich niemals weiter weggefahren. Aber ein anderer Verwandter konnte immer wieder nach dem Haus gucken, was sie beruhigt hat."

Resilienz bei Kindern und Erwachsenen aufbauen

Auch Kinder haben die Flut immer noch nicht verarbeitet. Ein Junge, der bei der Flut neun Jahre alt war, habe Angst, in die Schule zu gehen, wenn es regnet: "Er schaut morgens den Wetterbericht. Weil er sagt: Ich kann nicht in die Schule gehen, ohne zu wissen, wie das Wetter wird, weil ich sonst Angst habe, dass Mama und Oma etwas passiert."

Das, was passiert ist, ist nicht normal. Aber das, was ich fühle, ist ganz normal.

Für Kinder bietet das DRK daher ein Programm an, in dem diese mit einem Bilderbuch und der Handpuppe eines mutigen Lamas Resilienz lernen - also die psychische Widerstandskraft, die man ein Leben lang fördern könne. Auch für Erwachsene sei das ein wichtiges Thema, sagt Meyer: "Kleine und große Katastrophen passieren im Leben immer wieder. Das können wir nicht verhindern. Uns geht es darum, was man dann tun und wie man sich gedanklich darauf vorbereiten kann."

Frau mit braunen Haaren lächelt in Kamera, im Vordergrund unscharf eine Alpaka-Handpuppe. (Foto: SWR)
„Gerade bei Kindern kann man so viele Weichen stellen. Wenn sie früh genug Unterstützung bekommen, kann man so viel Leben verändern. Das will ich mit meiner Arbeit.“ (Christina, arbeitet als Psychologin mit traumatisierten Kindern) Bild in Detailansicht öffnen
Ein Alpaka als Handpuppe im Vordergrund, unscharf dahinter eine Frau mit braunen Haaren. (Foto: SWR)
Mit der Handpuppe ‚Indigo‘, einem Alpaka, geht Christina in Grundschulen im Gebiet der Flutkatastrophe von 2021. Dort soll die Resilienz der Kinder gestärkt werden. Bild in Detailansicht öffnen
Kinder sitzen in einem Kreis auf dem Boden. (Foto: SWR)
„Das Ziel von dem Programm, das wir mit den Kindern durchführen, ist Resilienzförderung, also die psychische Widerstandsfähigkeit stärken, dass sie mit schwierigen Situationen und eben auch mit schwierigen Gefühlen besser umgehen können. Da gehen wir ganz spielerisch ran.“ Bild in Detailansicht öffnen

Es helfe nicht, wenn jemand einem sagt: Beiß doch mal die Zähne zusammen. Vielmehr müsse man sich selbst sagen: "Das, was passiert ist, ist nicht normal. Aber das, was ich fühle, ist ganz normal." Dass Betroffene sich ihrer Gefühle bewusst werden, dabei soll auch ein Gesprächskreis helfen, den das DRK jeden zweiten Mittwoch anbietet.

Fest steht, dass jeder Mensch anders auf Katastrophen reagiert, sagt Wolfgang Lutz, Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Uni Trier: "Viele Menschen haben relativ normale Reaktionen auf so ein unnormales Ereignis und zeigen da doch enorme Anpassungsleistung und große Resilienz. Das hängt natürlich immer auch von den eigenen Voraussetzungen ab. Oder auch, wie stark die Betroffenheit war."

Wolfgang Lutz ist Professor für klinische Psychologie an der Uni Trier. Er beobachtet, dass Menschen oft zu spät therapiert werden und manche Probleme chronisch werden können. (Foto: SWR, Wolfgang Lutz)
Wolfgang Lutz ist Professor für klinische Psychologie an der Uni Trier. Er beobachtet, dass Menschen oft zu spät therapiert werden und manche Probleme chronisch werden können.

Vielen Menschen sei es unmittelbar nach der Katastrophe um konkrete Fragen gegangen, wo sie jetzt übernachten und in nächster Zeit wohnen sollen. Allgemeine Sorgen und psychische Belastungen seien dann erst später dazu gekommen, sodass sie sich auch erst langfristig Therapien oder Beratung gesucht hätten. Angst und Unruhe seien normale Reaktionen auf Krisen, es gebe aber auch im Laufe der Zeit eine natürliche Erholung davon.

Akzeptanz, Vorbereiten und Ablenken hilfreich

Aber: Meldungen vom Hochwasser in Niedersachsen, das vermeintlich weit weg ist, kann auch in Betroffenen der Flut 2021 wieder Erinnerungen hervorholen, sagt Lutz: "Gerade die Katastrophe damals kam ja plötzlich. Man hat nicht damit gerechnet. Es war mit einem extremen Kontrollverlust verbunden." Solche Gefühle könnten auch jetzt wieder hochkommen. Schlechte Träume, hohe Anspannung, eine sorgenvolle Grundstimmung könnten sich dann vermischen mit dem Mitgefühl für die Menschen im Hochwassergebiet.

Tipps, die Silke Meyer vom DRK dann gibt, sind zum Beispiel, die eigene Gefühlslage zu akzeptieren: "Sich zu sagen: Mir geht es jetzt schlecht." Einerseits helfe es, sich auf neue Katastrophen vorzubereiten, sodass man in der Situation weiß, was zu tun ist. Andererseits sei es auch wichtig, sich mit Dingen abzulenken, die einem gut tun. Das könne eine Tasse Tee sein oder ein ausgedehntes Bad.

In Ürzig an der Mosel ist die Uferstraße überflutet. (Foto: SWR, Sebastian Grauer)
In Ürzig an der Mosel ist die Uferstraße überflutet.

"Es ist auch sehr wichtig, zu schlafen, um sich zu entspannen und zu regenerieren", sagt Meyer: "Manche Leute sagen mir, sie haben ihr Bett jetzt in einem anderen Zimmer stehen. Dann hören sie das Wasser nicht mehr und das entspannt." Auch bei Einschlafproblemen gebe es Möglichkeiten wie "progressive Muskelentspannung", "autogenes Training" oder "Fantasiereisen". Und ganz wichtig, sagt Meyer: Über die Situation reden.

Das sieht auch Hannah Lenz so. Sie ist Psychologin im Fluthilfe-Team der Caritas Trier. Dabei führt sie vor allem Einzelgespräche mit Betroffenen der Flut, macht aber auch Gruppenangebote, um Selbstfürsorge und Resilienz zu fördern.

Nicht in Horrorszenarien hineinsteigern

Auch zu ihr kommen Menschen, die immer noch mit den Folgen der Flut 2021 kämpfen: "Bei vielen ist die Flutkatastrophe zu den alltäglichen Belastungen, die sowieso schon da sind, hinzugekommen. Das hat ganz viel im Leben durcheinandergeworfen." Viele Menschen mussten ihr Zuhause verlassen und konnten bis heute nicht zurückkehren. Das Miteinander auch in der Familie habe sich bis heute verändert.

Eine Familie habe ihr berichtet, dass sie wegen der aktuellen Meldungen schon Taschen mit den wichtigsten Medikamenten und Dokumenten gepackt hat, um vorbereitet zu sein. Das seien auch teils überkompensatorische Handlungen: "Also, dass die Menschen meinen, sie müssten ganz schnell etwas tun und sich permanent auf dem Laufenden halten, wie der Pegel steht."

Wir neigen zu Denkfehlern: Ich habe große Angst, also ist die Situation auch sehr gefährlich.

Manche Menschen neigen zum "Katastrophisieren", so Lenz: "Dann ist es, glaube ich, recht schwer, diese emotionale Ebene von der kognitiven zu trennen. Dann kommen diese Gedanken: Oh Gott, das wird wieder genauso schlimm, wie soll ich das denn noch mal schaffen?" Professor Lutz rät, sich dann nicht in "Horrorszenarien" hineinzusteigern: "Im Gegensatz zum starken Kontrollverlust damals sollte man in ein Gefühl hineinkommen, dass man durchaus etwas tun kann."

Man solle sich vor Augen führen, was heute anders ist als damals. Mit anderen zu sprechen, helfe, wenn man sich stärkt und nicht gegenseitig hineinsteigert: "Wir neigen natürlich alle immer auch ein Stück weit zu Denkfehlern: Ich habe große Angst, also ist die Situation auch sehr gefährlich."

Reden hilft

Auch Lenz von der Caritas rät in erster Linie, mit anderen Betroffenen oder auch mit Familie oder Freunden zu reden. Es sei auch nichts dabei, sich professionelle Hilfe zu suchen: "Reden ist eine sehr gute Möglichkeit, mit den eigenen Gedanken und Ängsten umzugehen." Wenn das nicht möglich sei, helfe es auch, Gefühle aufzuschreiben: "Um sich klar zu machen, ob das da gerade ein Katastrophengedanke oder ein realistischer Gedanke ist. Um auf eine sachliche Ebene zu kommen."

Freunde und Verwandte von Flutbetroffenen können helfen, indem sie ihnen ihre Zeit schenken und einfach zuhören, sagt Lutz. Die Sorgen der Betroffenen ernstzunehmen, nicht aber auf eine unmittelbare Lösung zu drängen. Es könne auch helfen, Betroffene abzulenken und sie zu motivieren, etwas gemeinsam zu unternehmen.

In akuten Angst- und Stresssituationen helfen auch Entspannungsübungen, zum Beispiel mit Atemtechniken, sagt Lenz. Wichtig sei das Gefühl, für sich selbst etwas tun zu können. Um der Hilflosigkeit, die viele empfinden, entgegenzuwirken. Freunde und Bekannte könnten helfen, indem sie katastrophisierende Gedanken hinterfragen: "Indem sie sagen: Ich verstehe Deine Ängste, aber wie realistisch ist das denn?"

Hilfe wird weiter angeboten

Um den Menschen von vornherein die Angst zu nehmen, hat das DRK Vulkaneifel zusammen mit dem Umwelt-Campus Birkenfeld zum Beispiel in Jünkerath sogenannte Bürgerpegel eingerichtet. Diese können von den Menschen vor Ort selbst abgelesen werden. Sie können teils andere Werte haben als die Pegel des Hochwassermeldezentrums, weil sie an anderen Orten stehen.

Menschen im Gesprächskreis des DRK haben Silke Meyer gesagt, dass sie diese Pegel beruhigen: "Die subjektive Wahrnehmung, dass das Wasser sehr hoch sei, wird dann nicht bestätigt durch die Messergebnisse des Pegels."

Hannah Lenz von der Caritas Trier warnt aber auch davor, ständig einen Blick darauf zu haben: "Ich kann mir vorstellen, dass dieses ständige Pegelchecken ein schmaler Grat ist. Natürlich ist es gut und wichtig, informiert zu sein. Das kann aber auch dazu übergehen, dass es zu viel ist. Und dadurch die Belastung und Ängste noch größer werden. Das ist dann nicht mehr nützlich."

Caritas, DRK und auch die Malteser bieten weiterhin Anlaufstellen für Flutbetroffene und psychologische Beratung. Sollte es aber weiterhin massive Schlafprobleme, ein Wiedererleben der Ereignisse, extreme Belastungen und Angstzustände geben, rät Professor Lutz von der Uni Trier, sich nicht zu scheuen, eine Psychotherapie zu machen.

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