Wenn der Regen ans Fenster von Renate Leuther prasselt, wird ihr ganz anders zumute. Seit der Flutkatastrophe im vergangenen Jahr hat die Frau aus Jünkerath (Vulkaneifelkreis) Angst vor Unwettern. Denn damals überflutete die Kyll ihr Haus, das direkt am Ufer steht.
Derzeit plätschert der Oberlauf der Kyll leise unter der Glaadter Brücke hindurch. Noch nicht mal 30 Zentimeter hoch steht das Wasser. Doch bei einem Starkregen kann der Pegel ganz schnell steigen. Das haben Renate Leuther und viele Menschen im Kylltal im Juli 2021 selbst erlebt: "Um 19 Uhr haben wir geguckt, da war es noch nicht so schlimm. Und um 21 Uhr war hier schon alles überschwemmt. Das gab es hier noch nie."
Bürger überwachen selbst den Pegel
"Diese Hilflosigkeit, der Naturgewalt gegenüber - das ist es, was vielen Flutopfern aus der Eifel noch heute zu schaffen macht", sagt Silke Meyer. Die Pädagogin arbeitet in der Hochwasserhilfe des Deutschen Roten Kreuzes (DRK): "Das Vertrauen in den Bach, der neben dem Haus vorbeifließt, ist einfach nicht mehr da. Jeder Regen macht inzwischen Angst."
Um den Menschen diese Angst ein Stück weit zu nehmen, ist in Jünkerath ein Pilotprojekt des Umweltcampus Birkenfeld und des DRK gestartet. Die Idee: Damit die Bürger künftig nicht mehr von Hochwassern überrascht werden, sollen sie die Gewässer selbst im Auge behalten können. Und zwar mittels einer kleinen Pegelstation, die an der Glaadter Brücke hängt.
Bislang nur Messstationen an größeren Flüssen
Das Gerät sieht unscheinbar aus. Und auch die Technik in der kleinen Box ist nicht kompliziert, wie Klaus-Uwe Gollmer, Professor für Informatik in Birkenfeld erklärt: Ein Sensor sendet ein Ultraschall-Signal nach unten auf den Fluss, wo es reflektiert wird. Und an der Zeit, die der Schall braucht, um wieder bei der Station anzukommen, lässt sich ablesen wie hoch der Wasserstand ist.
Die Daten werden dann ins Netz übermittelt, wo jeder Bürger sie abrufen kann. "Bisher haben wir nur die Daten von den Pegelstationen an den großen Flüssen wie der Mosel oder der Sauer", sagt Gollmer. Das Ziel der Bürgerpegel sei es aber langfristig, auch Informationen über die kleinen Bäche zu sammeln und damit eine künstliche Intelligenz zu füttern.
Nächste Station wird in Pelm eingerichtet
Die soll dann über Jahre erlernen, wann es in einer Region gefährlich wird. Jünkerath könnte also erst der Anfang eines größeren Projektes sein.
Weitere Boxen sollen künftig von Schülern und Studenten zusammengeschraubt und das Messnetz immer dichter werden. Wo die nächste Station hinkommt, steht schon fest: Am Berlinger Bach bei Pelm, ebenfalls in der Vulkaneifel, wollen die Fachleute den nächsten Pegel anbringen.
Das soll die Datenlage der Wissenschaftler verbessern, aber auch das Sicherheitsgefühl der Bürger. Erste Erfolge gibt es zu verzeichnen. Dabei ist die Messstelle in Jünkerath noch gar nicht lange in Betrieb.
Messungen sollen Bürger beruhigen
"Die Auswertungen der Daten der vergangenen Tage haben gezeigt, dass die vergangenen Unwetter überhaupt keine Auswirkung auf den Pegelstand der Kyll hatten", sagt Silke Meyer vom Roten Kreuz: "Das beruhigt die Leute dann schon mal."
Renate Leuther findet die Idee gut und ist auch froh über die Messstelle direkt neben ihrem Haus. Wenn es stark regnet, geht die Jünkeratherin dennoch nach draußen, sagt sie. Und schaut, ob die Kyll wieder steigt wie an jenem Tag im Juli 2021.