Eine Frau mit Allergie niest in ein Taschentusch - Interview zum Thema Heuschnupfen (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / pressefoto_korb | Micha Korb)

Experte klärt auf

Pollen überall: Das rät ein Arzt in Kaiserslautern bei akuter Allergie

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INTERVIEW
Susanne Kimmel
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Susanne Kimmel
Bild von Susanne Kimmel, Redakteurin im SWR Studio Kaiserslautern (Foto: SWR)

Was hilft gegen diesen schrecklichen Heuschnupfen? Facharzt Florian Schmitz in Kaiserslautern gibt im SWR-Interview Tipps, wenn Menschen unter Pollenflug und Allergie leiden.

SWR Aktuell: Im Moment leiden viele Allergiker gefühlt ganz besonders unter Heuschnupfen. Warum?

Florian Schmitz: Nachdem das Frühjahr sehr nass war, kommt es seit Beginn der Schönwetter-Periode zu einer regelrechten Explosion der Natur und damit auch zu einem hohen Pollenaufkommen. Darüber hinaus führen auch die Klimaveränderungen zu einem früheren Beginn der Blüte. Seit einigen Jahren bemerken wir auch eine Zunahme der Pollenzahl. Und die Pollen sind über die Jahre aggressiver geworden. Außerdem dürfen wir nicht vergessen, dass die meisten Allergien auf windbestäubten Pollen beruhen. Wir haben seit einiger Zeit einen Nordost-Wind, der die Pollen über weite Distanzen transportieren kann.

Facharzt Florian Schmitz aus Kaiserslautern berät in Sachen Heuschnupfen (Foto: Florian Schmitz)
Florian S. Schmitz ist Leitender Arzt im Atemwegszentrum Kaiserslautern. Der Facharzt weiß, was Pollen im Körper auslösen und was Menschen, die unter Heuschnupfen leiden, tun können.

SWR Aktuell: Kommen Menschen mit entsprechenden Leiden momentan auch vermehrt zu Ihnen in die Praxis?

Schmitz: Definitiv ja. Für Patienten mit Allergien und einem allergischen Asthma bronchiale herrscht gerade Hochzeit. Ich habe zudem den Eindruck, dass sich die allergischen Beschwerden in den letzten Jahren deutlich verschlimmert haben, auch viele Erwachsene in höherem Alter Allergien entwickeln. Das Asthma ist ein Beispiel dafür, wie das Einwirken der Pollen zu einer Schleimhautreizung der Bronchien führen kann, wir nennen dies bronchiale Überaktivität. Die Lunge von betroffenen Patienten reagiert dann deutlich stärker auf äußere Reize wie beispielsweise kalte Luft, Duftstoffe, Dämpfe, als bei Menschen ohne diese Lungenerkrankung.


SWR Aktuell: Was passiert im Körper, wenn ich mit Niesen, Husten, laufender Nase und so weiter auf herum fliegende Pollen reagiere?

Schmitz: Bei einer Allergie reagiert der Körper auf Fremdeiweiße, also Allergene, und setzt in der Folge den chemischen Stoff Histamin frei. Eine erhöhte Histaminausschüttung ist die Grundlage einer allergischen Reaktion, die man auch als Überreaktion des Immunsystems betrachten kann. Histamin bewirkt eine Schwellung von Gewebe, Sekretproduktion, Juckreiz der Haut, Verkrampfung der Bronchien - letztlich handelt es sich um eine Entzündungsreaktion. Pollen können auf die Schleimhäute übrigens auch direkt toxisch, also reizend wirken, wenn offiziell keine Allergie diagnostiziert wird. Die Symptome sind dabei die gleichen.

SWR Aktuell: Was kann ich akut an Gegenmaßnahmen ergreifen?

Schmitz: Da der Veursacher dieser Entzündungsreaktion das Histamin ist, setzen wir zur symptomatischen Therapie sogenannte Antihistaminika ein. Diese blockieren die überschießende Wirkungen dieses Botenstoffes. Antihistaminika gibt es in Tabletten-, Tropfenform und als Nasenspray. Es stehen verschiedene Wirkstoffe in unterschiedlichen Wirkstärken zur Verfügung. Wobei jeder Betroffene selbst ausprobieren muss, welches Präparat das richtige für sie oder ihn ist.

Einige Patienten berichten auch über alternative Behandlungsmöglichkeiten wie die Akupunktur, traditionelle chinesische Medizin, probiotische Ernährung, Kräutermischungen und mehr. Das kann im Einzelfall durchaus hilfreich sein, vor allem in Kombination mit klassischen schulmedizinischen Methoden. Wissenschaftliche Beweise über die Wirksamkeit dieser Methoden stehen aus, aber letztlich gilt: alles was hilft und gleichsam nicht schadet, kann die Lebensqualität der Patienten in der Allergiesaison erhöhen.

SWR Aktuell: Was kann ich präventiv gegen Heuschnupfen tun?

Schmitz: Allergiker sollten tagsüber die Fenster geschlossen halten, damit die Pollen nicht in die Wohnung oder das Haus eindringen können. Oft hilft es auch, nach sportlicher Betätigung im Freien oder einem Spaziergang die Pollen mit kaltem Wasser in der Dusche abzuwaschen. Salzwasserhaltiges Nasenspray pflegt nachweislich die Nasenschleimhaut und kann diese widerstandsfähiger gegenüber Pollenallergenen machen. Auch mit dem frühzeitigen Einsatz der Allergiemedikamente, sei es lokal an Augen oder in der Nase oder aber als Tablette für den ganzen Organisamus, kann man eine Verschlimmerung umgehen. Können in der allergologischen Diagnostik spezielle Allergene nachgewiesen werden, sollte auch die Möglichkeit einer Desensibilisierung, das heißt einer Entwöhnungstherapie geprüft werden.

SWR Aktuell: Kann ich meinen Körper auch in irgend einer Form abhärten?

Schmitz: Nein. Es wird immer wieder darüber diskutiert, ob man sich durch einen vermehrten oder permanenten Allergeneinfluss selbst desensibilisieren kann. Das ist aber nicht möglich. Vielmehr kann dieser Irrglaube gefährlich sein, da man gegebenenfalls sein Immunsystem immer weiter hochschaukelt. In der Folge nehmen die Allergiesymptome zu und es können sich beispielsweise ein Asthma bronchiale oder lebensgefährliche allergische Schocks entwickeln. Auch andere "Abhärtungskonzepte" wie das Kneipp-Treten führen leider nicht zu einer Besserung oder Heilung einer Allergie.

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